Bulgarien: Zwischen allen Stühlen
Die Republik Bulgarien hat am 14. Dezember 1995 ihren Beitritt zur Europäischen Union (EU) beantragt und soll 2007 aufgenommen werden. Hinsichtlich der Gentechnik befindet sich das Land zwischen allen Stühlen: US-amerikanische Produzenten wollen den Bauern ihr gentechnisch verändertes Saatgut andrehen, die Händler nehmen diesen aber wiederum nur gentechnikfreie Produkte für den EU-Markt ab.
Bulgarien hat eine lange Geschichte, was das Experimentieren mit der Gentechnologie betrifft. Schon 1991 wurden hier die ersten gentechnisch veränderten Organismen (GVO) des Balkas, transgene Tabakpflanzen, freigesetzt. Mitte der 90er Jahre wurden vom Institute of Genetic Engeneering (IGE) ausgedehnte Feldversuche mit viren- und bakterienresistenten Tabakpflanzen, wie auch mit gentechnisch verändertem (gv-) Alfalfa durchgeführt. Im März des Jahres 2000 behaupteten bulgarische Wissenschaftler, dass große Fortschritte mit gv-Tabak erzielt worden seien, wobei es sich um Eigenschaften wie Virenresistenz (einschließlich der Resistenz gegen das Tabakmosaik-Virus), Pilz- und Bakterienresistenz, Temperatur-Unempfindlichkeit sowie Herbizid- und Schwermetalltoleranz handelte. Unter anderem wurden folgende gv-Pflanzen entwickelt: Alfalfa, Tomaten, Weintrauben, Gerste, Mais, Kartoffeln, Nelken und Äpfel. In Bulgarien, wie auch in anderen Ländern Osteuropas, ist das Einschmuggeln von Saatgut ein großes Problem: Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich zumeist um Roundup-Saatgut, beziehungsweise um Saatgut, das aus US-amerikanischen Lebensmittelhilfslieferungen (hauptsächlich Weizen und Mais) stammt, die Bulgarien in letzter Zeit regelmäßig erhielt.(1)
Wenig Informationen – kaum Kontrollen
Bulgarien und auch Rumänien lassen die Unternehmen auf große Profite hoffen, denn hier ist die Landwirtschaft immer noch ein bestimmender Wirtschaftsfaktor und es gibt Millionen von Bauern. Im öffentlichen Bewusstsein ist die Gentechnik jedoch kaum präsent, es gibt kaum Zugang zu Informationen und kaum Kontrollen in Bezug auf gentechnisch veränderte Nahrungsmittel. 1999 fuhren bulgarische Bauern die erste Ernte mit herbizidtolerantem gv-Mais ein. Der Großteil des Mais wurde - ungekennzeichnet - als Tierfutter verwendet und gelangte so in die Nahrungsmittelkette. Während Bulgarien offiziell nur Feldversuche mit gv-Mais und gv-Weizen durchgeführt hatte, wurden in den Saatgutkatalogen von Pioneer und Monsanto für das Jahr 2000 bereits gv-Mais-Varietäten angeboten.
Keine Lehre gezogen
1999 wurde Monsantos gv-Mais auf 13.000 ha angepflanzt, im Jahr 2000 auf 19.000 ha, 2002 auf 2.200 ha, 2003 auf 2.195 ha.(2) Monsanto hat Verträge mit bulgarischen Bauern abgeschlossen, die die Aussaat von herbizid- und insektenresistentem gv-Mais, nicht jedoch den Verkauf auf den einheimischen Märkten erlaubten. Es ist davon auszugehen - dies geht aus Interviews mit Bauern hervor - dass die Bauern den Mais als Futtermittel verwendeten.(3) Die Abnahme der Anbaufläche mit gv-Mais steht in Zusammenhang mit einem Skandal um das belgische Unternehmen Amilum in Razgrad, Bulgarien. Das Unternehmen kaufte den gv-Mais, aber seine Partner in der EU weigerten sich, die Maisstärke, die aus dem gv-Mais hergestellt wurde, zu kaufen. 1999 wurden die ersten gv-Kartoffeln - mit Resistenz gegen den Colorado-Käfer - auf 30 ha angebaut, in den Jahren 2000 und 2001 jeweils auf 3 ha. Es wurden außerdem Feldversuche mit Sonnenblumen und Tabak durchgeführt, allerdings sind jedoch keine Informationen über die Größe der Flächen verfügbar. Schon im Jahre 1997 verkündete Professor Atanas Atanassov, vehemter Befürworter der Agrobiotechnologie in Bulgarien und Leiter des AgroBioInstitute (das ehemalige Institute of Genetic Engeneering), den Medien, dass gv-Tabak in Bulgarien im Jahre 1998 kommerzialisiert werden würde. Diese Story einer bevorstehenden Kommerzialisierung wurde von Reuters aufgeschnappt und kam den wichtigsten Abnehmern bulgarischen Tabaks zu Ohren: Phillip Morris, British-American Tobacco und Reemtsma, die daraufhin drohten, den Kauf bulgarischen Tabaks einzustellen, falls das Land dessen Kommerzialisierung weiter vorantreiben wolle.(4) Es ist kaum möglich, aus offiziellen Quellen Informationen über den Anbau von gv-Pflanzen in Bulgarien zu erhalten, aber ohne zuverlässige Informationen werden alle bulgarischen Ernteprodukte suspekt. Das beschriebene gv-Mais-Fiasko macht deutlich, dass aus den Ereignissen um den gv-Tabak offensichtlich keine Lehre gezogen wurde.
Agressive Marketingkampagnen
1999 wurde, wie gesagt, in Bulgarien die erste gv-Mais-Ernte eingebracht. Die Bauern hatten das gv-Maissaatgut bei örtlichen Saatguthändlern gekauft, nachdem Monsanto und Pioneer aggressive Marketingkampagnen durchgeführt hatten. Der Saatgutkatalog Pioneers von 1999, der bei den Saatguthändlern erhältlich war, machte die bulgarischen Bauern erstmals mit gv-Mais-Hybriden bekannt, wobei der Gewinn, den ein Bauernhof in Dobrich mit diesen erwirtschaftet haben soll, dargestellt wurde. Es gab keine Obergrenze für die Menge an Saatgut, die Bauern kaufen und aussäen konnten. Eine Dokumentation von Gebieten mit gv-Mais ist wohl nur bei den transnationalen Saatgutunternehmen durchgeführt worden, da die Saatguthändler hier Aufzeichnungen über die Menge des verkauften Saatguts und die Bauern, die es erwerben, führen. Offizielle Quellen geben an, dass seit 1998 drei Firmen - Monsanto, Pioneer und Novartis (heute Syngenta) - Anträge auf eine kommerzielle Zulassung von gv-Pflanzen mit Herbizidtoleranz (Roundup oder Basta), Resistenz gegen den Maiswurzelbohrer (Bt-Mais) oder mit der Kombination beider Eigenschaften gestellt haben. Diese Anträge sollen an den Rat für die sichere Verwendung von gentechnisch veränderten höheren Pflanzen (Council for Safe Use of Genetically Engeneered Higher Plants) gerichtet worden sein, welcher Genehmigungen für Freisetzungen von GVO, sowohl für Forschungszwecke als auch für eine kommerzielle Nutzung, erteilt. Diese Informationen gelten prinzipiell als „top secret“, sie sind der Öffentlichkeit üblicherweise nicht zugänglich. Der Rat wurde auf Grundlage der im Jahre 1996 gültigen Vorschriften - die wiederum auf ein Saatgut-Gesetz aus dem Jahre 1958 basieren - gegründet. Den Vorsitz hat der Landwirtschaftsminister inne, Geschäftsführer ist Prof. Atanassov, der Leiter des AgroBioInstitute. Unter den Mitgliedern befinden sich auch Regierungsbeamte und Wissenschaftler. Das Gremium kann, unabhängig von der Regierung, Feldversuche, den kommerziellen Anbau sowie Import und Export von gv-Pflanzen, -Saatgut und Pflanzmaterial genehmigen. Die Freisetzungen werden dokumentiert, das Register ist der Öffentlichkeit jedoch nicht zugänglich, es wird als interne Verwaltungsangelegenheit betrachtet. Prof. Atanas Atanassow ist eine Schlüsselfigur. Er erteilt Unternehmen die Genehmigungen und sein Institute for Genetic Engeneering verwirklichte Projekte Monsantos und Pioneers. Mitte der 90er Jahre führte das Institut ausgedehnte Feldversuche mit viren- und bakterienresistenten Tabak- und Alfalfapflanzen durch. Es besteht Unklarheit darüber, was mit diesen Versuchen im Weiteren geschah.
Verantwortlichkeiten sind nicht geklärt
Entsprechend den Vorschriften des Jahres 1996 führt der Rat ein Register über GVO, sowohl was Forschung als auch kommerzielle Nutzung betrifft. Diese Informationen werden jedoch in Bulgarien als Staatsgeheimnis betrachtet. Mitglieder des Rates und auch jeder andere, der mit diesen Angelegenheiten zu tun hat, müssen eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben. Die Stellung des Rates ist in der bulgarischen Gesetzgebung nicht eindeutig definiert. Einerseits scheint er eine unabhängige Behörde zu sein, dessen Aufgabengebiet die Erteilung von Genehmigungen einschließt, andererseits wird er jedoch nicht als unabhängiges ausführendes Organ innerhalb der Regierung geführt. Daher ist niemand innerhalb der Regierung direkt verantwortlich für die Kontrolle des Einsatzes der Gentechnik. Anfang des Jahres 2000 soll Prof. Atanasov in der Presse bekannt gegeben haben, dass Monsanto Verträge mit bulgarischen Bauern über die Aussaat von herbizidtolerantem und insektenresistentem gv-Mais auf 12.000 ha abgeschlossen hat. Dabei soll es sich aber nur um Feldversuche gehandelt haben. Dieser Aussage widersprechen aber die Bauern, die den gv-Mais angepflanzt und als Tierfutter verwendet haben.
Keine getrennten Warenwege – keine Kennzeichnung
Höchstwahrscheinlich befinden sich schon gv-haltige Nahrungsmittel auf dem bulgarischen Markt. Der Großteil des 1999 und 2000 geernteten Mais wurde wohl als Tierfutter genutzt und gelangte so - über Fleischwaren und Milchprodukte - in die Nahrungsmittelkette. Der gv-Mais wurde nicht vom konventionellen Mais getrennt. Inzwischen hat die nahrungsmittelverarbeitende Industrie - wie zum Beispiel das belgische Unternehmen Amylum und Getreidehändler wie Glencore (Großbritannien), die Interesse am Kauf von bulgarischem Mais und Maisprodukten wie Maisstärke und Maissirup haben - eine Handelspolitik eingeführt, die eine Zertifizierung und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte verlangt. Bulgarien exportiert Maisprodukte und Futtermittel. Das Nichtvorhandensein von getrennten Warenwegen und von Kennzeichnung stellt eine echte Bedrohung für diese Exportmärkte wie auch für die Verbraucherrechte weltweit und die bulgarische Umwelt dar. Im Juni 2000 stellte das Parlament aus Sorge um den Verlust dieser Exportmärkte die staatliche Finanzierung der Forschung und Entwicklung von gv-Tabak und gv-Weintrauben in Gänze ein.(5) Bulgarien gehört zu der zweiten Runde von EU-Beitrittsländern in Ost-/Südosteuropa. Gemäß den EU-Maßnahmen zur Angleichung der Regeln und Standards benötigen Unternehmen, die gv-Nahrungsmittel auf den Markt bringen wollen, staatliche Genehmigungen und müssen ihre Produkte kennzeichnen. Auch wenn Bulgarien von der EU eine zeitweilige Ausnahmegenehmigung erhalten sollte, was die Kennzeichnungsregelungen betrifft, würde das Fehlen einer solchen Kennzeichnung die Exportmöglichkeiten des Landes beschränken. Eine andere Frage, die sich im Zuge des EU-Beitritts Bulgariens stellt, betrifft die Zukunft der GVOs, die in Bulgarien schon kommerzialisiert wurden, in der EU aber nicht zugelassen sind.
Monsanto und die Entscheidungsfindungsprozesse
Monsanto unterhält Arbeitsgruppen für regulatorische Angelegenheiten und wissenschaftlichen Fortschritt (Regulatory Affairs and Scientific Outreach Teams). Ende 2000 erhielt Gene Watch UK einen vertraulichen Bericht (6), in welchem die Aktivitäten dieser Arbeitsgruppen in den Monaten Mai und Juni 2000 zusammengefasst waren. Der Bericht enthüllte die Verwicklungen des Konzerns in eine globale Kampagne, deren Ziel es war, gv-Nahrungsmittel und gv-Kulturflanzen zu promoten. Durch Lobbying sollten ausgewählte Experten in internationale wissenschaftliche Komitees gebracht werden, um so die Biotechnologie durch angeblich unabhängige Wissenschaftler voranzubringen. Der Bericht beschreibt die Entwicklung von gesetzlichen Regelungen, die gv-Pflanzen betreffen, und die Versuche Monsantos, diese in zwanzig Ländern, einschließlich Bulgariens über die FAO (Welternährungsorganisation) und die WHO (Weltgesundheitsorganisation) zu beeinflussen. Es gab weltweit Berichte über Fälle, in denen von Monsanto oder von US-amerikanischen Abgeordneten Druck auf juristische oder nationalstaatliche Entscheidungsfindungsprozesse ausgeübt wurde. Vom 12. bis zum 13. Februar 2004 fand im Hilton Hotel in Sofia die Konferenz „Facts and Myths in Biotechnology: How scientists and politicians can speak a common language“ (Fakten und Mythen in der Biotechnologie: Wie Wissenschaftler und Politiker eine gemeinsame Sprache finden können) statt, organisiert vom AgroBioInstitute mit finanzieller Unterstützung durch UNEP/GEF (United Nations Environment Program/ Global Environment Facility) und USDA (US Department of Agriculture). Während der Konferenz löste ein Mitarbeiter der Landwirtschaftsabteilung der US-Botschaft in Bulgarien einen Skandal aus, weil er versuchte, die Teilnahme eines amerikanischen Ökologen zu verhindern. Nur dem Einsatz von Journalisten war es zu verdanken, dass dieser an der wissenschaftlichen Konferenz teilnehmen konnte - unter der Auflage, sich an der Diskussion nicht zu beteiligen. Die Diskussion selbst dauerte nur zwanzig Minuten, obwohl die Konferenz sich über zwei Tage erstreckte. Die Landwirtschaftsabteilung der US-amerikanischen Botschaft in Bulgarien ist sehr aktiv bei allen Veranstaltungen, die in Zusammenhang mit der Gentechnik stehen. Sie nahm an dem von der Initiative “GM free Bulgaria“ organisierten runden Tisch am 30.3.2004 teil, ohne eingeladen worden zu sein.
Nicht öffentlich zur Diskussion gestellt
Am 16.2.2004 fand im bulgarischen Parlament die erste Lesung des Gesetzes über gentechnisch veränderte Organismen statt. Der Entwurf wurde im Rahmen des von der UNEP/GEF finanzierten und vom AgroBioInstitute durchgeführten Projekts entwickelt. Das Institut führt seine wirtschaftlichen Aktivitäten im Auftrag staatlicher Organisationen und im Auftrag von Firmen wie Monsanto und anderen Biotech-Unternehmen durch. Bei der Eröffnung des AgroBioTech-Parks, der vom AgroBioInstitute 2003 gegründet wurde, spendete der US-amerikanische Botschafter J. Pardew 10.000 US-Dollars und bekräftigte die Unterstützung der Entwicklung der Gentechnik in Bulgarien durch die US-amerikanische Regierung. Die erste Lesung des GVO-Gesetzes war nicht öffentlich zur Diskussion gestellt worden, nicht einmal in allen Abteilungen des Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten (MAF). Das eingebrachte Gesetz spiegelt teilweise die Freisetzungsrichtlinie 2001/18 und andere EU-Regelungen wieder, verändert aber zum Teil auch deren Grundgedanken und deren Philosophie. Beispielsweise sieht das Gesetz keine Beteiligung der Zivilgesellschaft in der Umweltkommission des Parlaments vor. Die Entscheidungen werden nur vom Landwirtschaftsminister getroffen, auf Grundlage der Einschätzung der Kommission. Diese setzt sich aus Wissenschaftlern zusammen, die hauptsächlich aus dem Bereich Biotechnologie stammen. Nach der ersten Lesung des Gesetzes im Parlament gab es im weiteren Verlauf viele Änderungsvorschläge, hauptsächlich durch die Agrolink Association, dem Center for Environmental Law und der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Eine Koalition wurde gebildet, die vielerlei Aktivitäten in Gang setzte: Pressekonferenzen, einen Runden Tisch, Diskussionen, Petitionen und Zusammenkünfte mit verschiedenen Zielgruppen: Studenten, Bauern, Wissenschaftler. In den Medien wurden viele Veröffentlichungen publiziert. Die Koalition durfte an der Diskussion des Gesetzes in der Umweltkommission des Parlaments teilnehmen. Aufgrund dieses aktiven Lobbyings, den Informationen, die die Senatoren erhielten und der Reaktion der Medien nahm die Kommission eine andere Haltung ein und viele Gesetzestexte wurden entsprechend der Vorschläge der Umweltorganisationen geändert. An diesen Veränderungen wird die Mitwirkung der Nichtregierungsorganisationen in der Kommission in Bezug auf eine Genehmigung von Freisetzungsversuchen und einer Angleichung an die EU-Gesetzgebung deutlich. Einige Parlamentarier entwickelten die Idee, ein bis zum Jahre 2007 – dem Jahr des EU-Beitritts Bulgariens - wirkames Moratorium für den Anbau von gv-Pflanzen und deren Kommerzialisierung zu erlassen.
Das entscheidende Stichwort
Nachforschungen in Ländern wie Polen und Ungarn ergaben, dass es transnationalen Konzernen wie Monsanto und AgrEvo widerstrebte, dort - in völliger Abwesenheit von gesetzlichen Regelungen - gentechnische Versuche durchzuführen. Länder der ersten Runde der EU-Erweiterung wie Polen und Ungarn wurden schon deshalb vor den schlimmsten Exzessen der Konzerne bewahrt, weil davon ausgegangen wurde, dass sie ihre Regelungen denen der EU angleichen würden. Bulgarien wurde jedoch erst vor kurzem eingeladen, sich der EU anzuschließen. Als Bulgarien sich 1996 damit brüstete, das erste Land Zentral- und Osteuropas zu sein, welches Regelungen zur biologischen Sicherheit von transgenen Nutzpflanzen erlassen hat, war dies wahrscheinlich genau das Stichwort, auf das die Konzerne gewartet hatten. Dadurch hatten sie eine legale Grundlage, um Feldversuche mit transgenen Pflanzensorten zu starten. Die Feldversuche dauern gewöhnlich drei Jahre, danach kann eine kommerzielle Zulassung erwarten werden. Falls Bulgarien den eingeschlagenen Weg einer Landwirtschaft mit Gentechnik weiterverfolgt, gleichzeitig aber den Anforderungen des EU-Marktes entsprechen möchte, was bedeutet, gentechnikfreie Pflanzen und Nahrungsmittel anzubieten, müssen während des gesamten Produktionsprozesses folgende Maßnahmen durchgeführt werden: - Harmonisierung der Gesetzgebung mit der EU, Entwicklung einer nationalen Strategie für die Landwirtschaft und Umsetzung eines Aktionsplans. - Zusätzliche Investitionen in die Lagerhaltung, um die Trennung von konventionellen und gv-Produkten nach der Ernte und während der Lagerung zu gewährleisten, damit eine Kontamination ausgeschlossen werden kann. Eine Behörde, die genügend Glaubwürdigkeit besitzt, um den Ansprüchen der Abnehmer gentechnikfreier Produkte zu genügen – besonders wenn diese in die EU exportieren - müsste diesen Prozess fördern und kontrollieren. - Zusätzliche Investitionen in die Ausstattung von Laboren, damit Tests durchgeführt und gentechnikfreie Produkte gekennzeichnet werden können. Um Gentechnikfreiheit zu garantieren, müssen alle am Produktionsprozess Beteiligten – Bauern, Lebensmittelverarbeiter und Exporteure – ihre Produkte als gentechnikfrei kennzeichnen. - Eine Kennzeichnung gemäß den EU-Regelungen macht es erforderlich, dass alle Produkte, die gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten, auch dementsprechend gekennzeichnet werden. Außerdem muss geklärt werden, wer für die zusätzlichen Kosten aufkommen wird, die durch eine Landwirtschaft mit Gentechnik entstehen - vermutlich kaum Monsanto oder Pioneer. Falls die Bauern, die lebensmitttelverarbeitende Industrie und die Exporteure diese Kosten an die Verbraucher weitergeben, wird der höhere Preis für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel wohl die Ablehnung der Verbraucher hervorrufen. Sie hätten jedoch auch die Möglichkeit die zusätzlichen Kosten, die durch Tests sowie Kennzeichnung entstehen, aufzufangen und niedrigere Profitspannen zu akzeptieren. Für diejenigen bulgarischen Bauern, die jetzt schon am Existenzminimum leben, würde dies jedoch den Bankrott bedeuten. Werden aber die Vorgaben in Bezug auf eine Kennzeichnung von GVO und entsprechende Kontrollen nicht beachtet, so läuft man Gefahr, die Märkte der EU zu verlieren. Die beste Lösung für Bulgarien besteht darin, schon jetzt - vor seinem EU-Eintritt - ein bis zum Jahr 2007 gültiges Moratorium für Freisetzungen von GVO zu erlassen und Importware sowie den Saatguthandel genauestens zu kontrollieren.
Fußnoten:
- Helena Paul, Ricarda Steinbrecher: Hungry Corporations. Transnational Biotech Companies colonise the Food Chain, Zed Books, London & New York, 2003
- Report of the MAF to the Bulgarian Parliament, 15.03.2004 (nicht öffentlich verfügbar)
- Bei einem Interview mit einem bulgarischen Bauern in der Nähe von Sevlievo, welcher Monsantos RR-Mais in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf seinen Feldern angepflanzt hatte, stellte sich heraus, dass er keinerlei Verträge mit Monsanto gemacht hatte und dass die Ernte als Tierfutter verwendet wurde.
- Report prepared for EcoSouthWest and ANPED The Northern Alliance for Sustainability, Bulgaria: The Corporate European Playground for Genetically Engineered Food and Agriculture, Bulgarien, Mai 2000
- Kruszewska Iza, Bulgaria: Torn between North American Seed Producers and EU Consumers, Biothechnology and Development Monitor, 44-45, März 2001
- www.genewatch.org
Dr. Svetla Nikolova ist Mitarbeiterin von Agrolink, einer bulgarischen Organisation zu Förderung des ökologischen Landbaus.
Bulgariens Landwirtschaft
Bulgarien ist ein Land mit ungefähr acht Millionen Einwohnern. Die Landwirtschaft spielt eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Das gemäßigte Klima und die Vielfalt der Böden und Landschaften ermöglichen eine Vielzahl landwirtschaftlicher Produktionssysteme. Im Norden ermöglichen die schwarzen, humusreichen Böden den Anbau von Weizen, Mais, Sonnenblumen, Weintrauben, Gemüse und Obstbäumen, während in den eher bergigen Regionen Kartoffeln, Tabak und Kräuter angepflanzt werden. Obwohl der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtwirtschaft des Landes seit 1997 immer geringer wird, ist sie immer noch der führende Zweig, der 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet und in welchem 25 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung beschäftigt sind. Die Größe der landesweit landwirtschaftlich genutzten Fläche schwankte in den letzten fünfzig Jahren, mit deutlich abnehmender Tendenz. Nach dem Ende des 40 Jahre währenden Monopols der kommunistischen Partei in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war die Landwirtschaft Bulgariens tiefgreifenden Umstrukturierungsprozessen unterworfen. Die großen landwirtschaftlichen Komplexe wurden in Bereiche umgewandelt, die von einzelnen Privatbesitzern, privaten Genossenschaften und Privatunternehmen bestimmt werden, so dass sich heute 98 Prozent der bewirtschafteten Fläche in Privatbesitz befinden. Von ungefähr 770.000 Höfen werden 3.400.000 Hektar Land bebaut. Es gibt 764.000 Höfe in Privatbesitz, mit jeweils durchschnittlich 1,2 ha bewirtschafteter Fläche. Ungefähr 2.900 landwirtschaftliche Kooperativen kultivieren 51 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche, wobei pro Kooperative im Schnitt 600 ha zur Verfügung stehen. Eine Analyse der Zahlen ergibt, dass fast 74 Prozent der Fläche von einer geringen Anzahl (1 Prozent) großer privater Handels- oder Genossenschaftsunternehmen bewirtschaftet werden. Zur gleichen Zeit produziert die große Mehrheit der Bauern auf 26 Prozent der Fläche für den eigenen Bedarf. Die Mitglieder der Genossenschaften sind Landbesitzer, die meist in den Städten leben und mit der landwirtschaftlichen Arbeit selbst nichts zu tun haben. Zur Zeit ist die Entwicklung dieser Besitzverhältnisse in Bulgarien von größter Bedeutung. Den Plänen des Landwirtschaftsministeriums zufolge werden Veränderungen stattfinden, sobald tatsächlich die Voraussetzungen für einen echten Handel mit Land geschaffen worden sind. (Svetla Nikolova)
Gv-Saatgut in Bulgarien
In den Saatgutkatalogen aus dem Jahre 2000 wurden Bauern folgende Sorten von gv-Maissaatgut angeboten: - Clearfield (Toleranz gegen Herbizide auf Imidazolinbasis mit den Handelsnamen: „Pivot“ und „Escort“) - Liberty Link-Mais (Toleranz gegen Herbizide auf Glufosinatbasis, „Liberty“ von AgrEvo) - Maisgard (Bt-Mais mit Resistenz gegen den Maiswurzelbohrer). Im Katalog werden Bauern dazu angehalten, Schutzzonen für bt-freien Mais anzulegen und Seminare zu besuchen, um dort weitere Informationen zu erhalten) - Maisgard- und Liberty-Link-Saatgut in Kombination, mit einem warnenden Hinweis, die Herbizidresistenz sei nicht immer zuverlässig gegeben. (Svetla Nikolova)