Dolly und die Literatur
Als ich vor fast fünfzehn Jahren meinen Gentechnik-Roman Wenzels Pilz zu schreiben begann, machte ich mir große Sorgen. Ich beschäftigte mich damals mit den ökologischen Nebenwirkungen konventioneller Landwirtschaft, und da, wie überall zu hören war, das Biotechnische Zeitalter unmittelbar bevorstand und genau diese Landwirtschaft revolutionieren würde, sah ich mich schon ein Leben lang im Labor stehen und einer Gentechnikkatastrophe nach der anderen hinterherforschen. Als ob wir Ökologen mit Waldsterben, saurem Regen, Pestiziden und vergifteten Flüssen nicht schon genug zu tun gehabt hätten. Wie immer würde man uns erst fragen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Mein Biologendasein stellte ich mir anders vor. Ich wollte nicht, wie der Held meines Romans, "zum Notarzt auf einer ökologischen Unfallstation verkommen."
Naiverweise dachte ich damals, die Menschheit könne unmöglich so dumm sein, sich selbst zum Versuchskaninchen zu machen. Ich hielt die ökologischen Folgen der Gentechnik - durch Freisetzung transgener Pflanzen und Tiere - für die größere Gefahr, weil sie unmittelbar bevorstand und weitgehend unbekannt war. Deshalb handelte meine erste Geschichte von der Freisetzung eines gentechnisch veränderten Pilzes.
Doch spätestens seit Präsident Clinton mit den privaten und öffentlichen Forschungsheroen vor die Fernsehkameras trat und die nahezu vollständige Entzifferung des menschlichen Erbgutes bekannt gab, ist auch der Homo sapiens ins Visier der Gentechnik gerückt. Der Mensch ist alles andere als perfekt, das leuchtet ein. Da gibt es widerliche Krankheiten zu heilen und jede Menge zivilisatorische Probleme, die, da alle anderen Erklärungsmodelle versagt haben, nur genetisch bedingt sein können und somit nichts anderes als Konstruktionsfehler sind. Fehler aber kann man beheben, wenn man die Konstruktion durchschaut.
Alles scheint möglich und nichts ist mehr gewiss
Während Wissenschaftler von ungeheuren Möglichkeiten träumen, reagieren die meisten Menschen verunsichert. Diese Unsicherheit kommt in Wellen, steigert sich mitunter zur Hysterie, um danach wieder abzuebben und, wie im Moment, da kein neuer Tabubruch durch die Presse geistert, fast völlig zu verschwinden. Alles scheint möglich und nichts ist mehr gewiss. Führende Vertreter der gentechnischen Forschung machen sich öffentlich Sorgen um eine Zukunft ohne Brillenträger und forschen unverdrossen weiter. Entrüstet verweisen sie seinerzeit die Sloterdijks (1) und Houellebecqs mit ihren Menschheitsverbesserungsphantasien ins Reich der Spekulation, einer Tabuzone für Naturwissenschaftler, um die sie lieber einen großen Bogen machen. Denen, die mehr Mut beweisen und sich weiter vorwagen, werfen sie aus sicherer Deckung Unwissenschaftlichkeit vor. Weil er sich in seinem Buch "Das geklonte Paradies" zu einer Zukunftsvision von Gen-Reichen und Gen-Armen hinreißen ließ, erntete etwa der Molekularbiologe Lee Silver in Kollegenkreisen nur ein mitleidiges Lächeln. Der erbosten deutschen Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard kam die ganze Debatte vor, als diskutierten die Deutschen, "ob auf dem Mond Links- oder Rechtsverkehr eingeführt werden sollte". Das alles sei "so wahnsinnig weit weg vom Machbaren". Wer keine Ahnung habe, solle die Bevölkerung nicht verschrecken und den Mund halten. Oder die Biologen fragen. "Es ist nicht so einfach, abzuschätzen, was auf uns zukommt." Mein Gott, denkt der Laie, sie wissen es selbst nicht. Auf Seiten der Fachleute besteht die Neigung, eine öffentliche Debatte erst dann zu führen, wenn sie in allen Aspekten mit harten Fakten untermauert werden kann und erprobte Verfahren zur Verfügung stehen. Dann allerdings ist es für eine Entscheidung, die frei von ökonomischem Druck und Sachzwängen getroffen werden kann, bereits zu spät. Von Anbeginn strahlen die Verheißungen des Biotechnischen Zeitalters so hell, dass beim genauen Hinschauen völlige Erblindung droht. Krebs, Aids, Erbkrankheiten, Welternährung, Kontaminationen jeder Art, alles kein Problem, wenn man den Wissenschaftlern nur grünes Licht gäbe. Wohin genau die Reise gehen soll, will man lieber nicht beantworten müssen, die Sachlage ist eben schrecklich kompliziert. Bloß nicht innehalten, bloß nicht den Anschluss verlieren, Risikokapital und Forschungsgelder fließen ansonsten zur Konkurrenz, die sich nicht so zimperlich anstellt. Wen kann man noch fragen, welchen Preis wir alle dafür zu zahlen haben werden? Die Rosinen kennen wir. Obwohl wir bislang kaum davon kosten durften, macht man uns seit Jahren damit den Mund wässrig. Aber was ist mit dem Teig? Wie schwer wird uns diese unausgegorene Masse im Magen liegen? Sind nicht längst alle Dämme gebrochen, wenn, wie in Amerika jüngst geschehen, ein taubstummes lesbisches Pärchen sich ein taubstummes Kind designen lassen kann, damit es in derselben geräuschlosen Welt lebt wie sie? Wer hätte gewagt, eine solche Ungeheuerlichkeit vorherzusagen? Wer traut sich Prognosen zu, die schon morgen falsch und überholt sein können? Wissenschaftler, die im System stecken und über Detailkenntnisse verfügen, sind für Anfragen dieser Art vermutlich nicht die erste Adresse, obwohl sie das von sich behaupten. Sie lehnen sich nur ungern aus dem Fenster, konkurrieren erbittert um öffentliche und private Fördertöpfe und werden sich hüten, ihr eigenes Forschungsgebiet zu desavouieren.Polymerasekettenreaktion und Kettensägenmassaker
Wenn nicht die Wissenschaftler, wer dann? Etwa die Literatur? Ausgerechnet die Literaten? Entschuldigen Sie, wenn ich lache. Vielleicht tue ich unseren Geistesgrößen unrecht, aber man hat doch den Eindruck, dass die meisten von ihnen naturwissenschaftliche Fächer spätestens in der Oberstufe abgewählt haben und bei dem Wort Polymerasekettenreaktion eher an das Remake eines Kettensägenmassakerfilms denken. Dabei könnten sie einen Beitrag leisten, könnten es zumindest versuchen. Kehren wir zum Anfang zurück. Die Tatsache, dass es bis heute keine World Gene Data Base gibt und dass weder Goldies noch andere transgene Haustierschöpfungen auf den Markt drängen wie im Roman Wenzels Pilz, scheint meinen Fähigkeiten als Orakel kein gutes Zeugnis auszustellen.(2) Trotzdem bereitet mir diese Fehlprognose kein großes Kopfzerbrechen, denn erstens teile ich dieses Schicksal mit den professionellen Zukunftsforschern, die sich mit ihren Vorhersagen auf dünnstem Eis bewegen und auf konkrete Fragen in der Regel mit mehreren möglichen Szenarien antworten, ein Ausweg, der Autoren, die sich für eine Geschichte entscheiden müssen, nicht zur Verfügung steht. Zweitens ist das letzte Wort in dieser Sache noch lange nicht gesprochen, und drittens kann es in der Literatur nicht um exakte Vorhersagen gehen. Weder Orwells 1984 noch Huxleys Brave New World, die beiden berühmtesten Vertreter einer an der Zukunft interessierten Literatur, sind in der geschilderten Form eingetreten, aber niemand wird bestreiten wollen, dass sich unsere Gesellschaften dem Geist dieser Fiktionen in teilweise beängstigender Weise annähern. Wer will beurteilen, ob sie es ohne diese beiden Bücher, ohne diese eindringlichen Mahnungen nicht noch viel mehr getan hätten? (Oder ist es anders herum, haben sich diese Geschichten so tief in unsere Gehirne geschlichen, dass sie zu einer Art Zwangszielvorstellung wurden?)Literatur: Ein Gedankenexperiment
Literatur hat ihre eigenen Gesetze, sie muß sich eben nicht aus-schließlich dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit stellen. Sie ist ein Gedankenexperiment, wobei Autor oder Autorin viele Parameter selbst bestimmen können. Vor allem von ihrer Kunst hängt es ab, ob die Leser sie akzeptieren werden. Bei Romanen, in denen naturwissenschaftliche Sachverhalte eine wichtige Rolle spielen, hängt die Latte der Glaubwürdigkeit vermutlich höher und das potentielle Publikum ist empfindlicher, aber eine solide Recherche gehört zu fast jeder literarischen Arbeit. Das Setting der Geschichte muß stimmen, sonst werden vorgebildete Leser sich kopfschüttelnd abwenden. Auf gesicherter Grundlage aber darf Literatur abheben, die Bodenhaftung verlieren, sie darf spekulieren und fabulieren, Stimmungen und Tendenzen aufgreifen und in subjektiver Weise extrapolieren. Im Sinne einer Prognose wird sie in vielen Fällen falsch liegen und kann trotzdem eine Vorstellung des Was-wäre-wenn vermitteln, die keine wissenschaftliche Darstellung zu leisten vermag. Was geschieht mit den Menschen? Was könnten ihre Motive sein? Wie wird sich ihr Verhalten verändern, ihr Miteinander, ihre Meinungen und Theorien? Für viele Menschen sind Informationen in einer erzählten Geschichte leichter zu verdauen als in den Regalmetern an Fach- und Sachbüchern, die sich seit Jahren diesem Thema widmen. Nach einer älteren Umfrage der baden-württembergischen Akademie für Technikfolgen-Abschätzung glauben 44 Prozent der Bundesbürger, dass normale Tomaten keine Gene enthalten. Logisch, warum hießen die anderen, die gentechnisch veränderten, sonst Gen-Tomaten. Der STERN ermittelte, dass nahezu jeder sechste Deutsche sein Kind abtreiben ließe, wenn genetische Analysen ergäben, es könnte homosexuell werden. Immerhin ein Drittel antwortete mit: Ich weiß nicht. Und fast die Hälfte aller Amerikaner würden genetische Veränderungen an den eigenen Kindern vornehmen lassen, wenn dies zu einer Verbesserung ihrer Intelligenz führte. Das ist das Gottvertrauen, von dem Techniker jeder Couleur träumen. Ein wenig Aufklärung kann also nicht schaden und warum sollte sie nicht auch in Gestalt spannender Geschichten kommen. Das Prinzip hat sich bewährt. Bittere Medizin schluckt man nicht pur, sondern in Tablettenform, eingehüllt in einen süßen Zuckermantel.Große Verständigungsprobleme
Wissenschaft und Öffentlichkeit haben große Verständigungsprobleme, die Abschottung auf der einen und Ängste und Überforderung auf der anderen Seite provozieren. In einer Zeit, die trotz oder gerade wegen einer Wissensexplosion, die von niemandem mehr zu bewältigen ist, durch wachsenden wissenschaftlichen Analphabetismus gekennzeichnet ist, könnten fiktive Geschichten helfen, Brücken zu schlagen, Berührungsängste zu überwinden, Interesse und Engagement zu wecken. Leider besteht jedoch nicht nur in Deutschland eine starke Tendenz, Naturwissenschaft und Technik als bedeutende gesellschaftsverändernde Kräfte gänzlich aus der Literatur zu verbannen oder sie naserümpfend als trivial abqualifizierten Genres wie Thriller und Science Fiction zu überlassen. Schon früh erkannten die einschlägigen Autoren das enorme Gruselpotenzial, das in der Gentechnik steckt. Schon zu einer Zeit, da kaum absehbar war, in welche Richtung sich die neue Wissenschaft bewegen würde, lieferte alles, was in Horror, Phantastik und Science Fiction Rang und Namen hat, von Stephen King (The Stand) bis Frank Herbert (Die weiße Pest), eine eigene actionreiche Gentechnikkatastrophe ab. In der Regel drohen von wahnsinnigen Wissenschaftlern oder versteckten Geheimlabors entwickelte Superkeime die Biosphäre zu zerstören und die ganze Menschheit auszurotten. Zumeist wird der gentechnische Supergau im letzten Moment verhindert, oder es überlebt ein Häufchen Aufrechter, damit es auch nach erfolgtem Weltuntergang noch jemanden gibt, der sich verlieben oder umbringen kann. In die Nähe dieser Endzeitgeschichten hat sich im letzten Jahr auch die Kanadierin Margaret Atwood mit ihrem Roman Oryx und Crake eingereiht. Der amerikanische Wissenschaftler P. J. Regal spricht von einer Biohazard-Debatte und dem Andromeda-Modell, in Anlehnung an einen frühen Roman von Michael Crichton. Ein außerirdischer Mikroorganismus gerät darin außer Kontrolle und gefährdet die gesamte Erde. Crichton war es auch, der mit "Jurassic Park" den erfolgreichsten Gentechnik-Thriller schuf, auch wenn davon durch die spektakuläre Verfilmung in erster Linie die zum Leben erweckten Dinosaurier in Erinnerung blieben, nicht so sehr die Tatsache, dass die marodierenden Echsen ein Produkt fehlgeschlagener gentechnischer Experimente waren. Bei allen Unterschieden im Detail, eines haben diese apokalyptischen Geschichten wohl gemeinsam: Hauptsache es knallt und stinkt und der Beinaheuntergang kommt mit großem Getöse. Warum all das geschieht, ist zweitrangig. Ähnliche Geschichten wurden über Atomkraft, Robotik oder Nanotechnologie erzählt.Allgemeine Verwirrung und Langeweile
Als deutlich wurde, dass dem Biotechnischen Zeitalter weder das düstere Andromeda-Modell noch eine generelle Unbedenklichkeitsbescheinigung gerecht werden würde, hatten die Autoren ihr Pulver bereits verschossen. Was aus den geheimnisumwitterten Labors über konkrete Vorhaben an die Öffentlichkeit sickerte, klang wesentlich unspektakulärer, mitunter langweilig pragmatisch, oder, wenn es den medizinischen Sektor betraf, durchaus vielversprechend. Generelle Verteufelung oder Begeisterung wich angesichts der Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten allgemeiner Verwirrung und Langeweile, der sich offenbar auch die Schriftsteller nicht entziehen konnten. Eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema hat in der Literatur größten Seltenheitswert. Alles wartet bis heute auf den großen deutschen Roman zur politischen Wende. Warum fordern Kritiker und Feuilletons nicht mit gleicher Vehemenz den großen Gentechnikroman? Sind Revolutionen dieser Art kein Thema der Literatur? Wer meint, Literatur habe sich nur mit menschlicher Psychologie zu beschäftigen und sei allenfalls mit Geschichte, Soziologie und Philosophie zu unterfüttern, weigert sich, eine der wichtigsten Quellen gesellschaftlicher Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen. Das ist weniger arrogant als ignorant und bedeutet das Eingeständnis, dass der Literatur zu großen Bereichen unserer Wirklichkeit außer austauschbaren Katastrophenklischees nichts mehr einfällt. Dabei muß auf das gewohnte Geistesfutter gar nicht verzichtet werden. Im Biotechnischen Zeitalter wimmelt es nur so von schwierigen philosophischen und psychologischen Fragen. Grundlegende Strukturen unseres Zusammenlebens wie Verwandtschaft, Elternschaft und Familien beginnen schon jetzt, sich völlig zu verändern. Aus der naturwissenschaftlichen wird eine zugleich eminent politische Biologie. Kein Wunder, dass sich eine neugierige Öffentlichkeit mit einer Mischung aus Entsetzen und Begeisterung auf ein Buch stürzte, das pünktlich zum Jahrtausendwechsel erschien und angesichts fast völliger gen-literarischer Funkstille zu dem Gentechnikroman schlechthin avancierte. Es machte seinen Autor zu einem gefragten Experten, obwohl er zu diesem Thema kaum etwas zu sagen hat. Michel Houellebecqs Roman Elementarteilchen untersucht unser entfremdetes Miteinander, die Folgen einer vermeintlich befreiten Sexualität, nicht die Auswirkungen einer entfesselten Biotechnologie. Es ist kein Roman über Gentechnik und wollte es auch nicht sein. Für die handelnden Personen und ihre verkorksten Lebensläufe ist die neue Wissenschaft ohne jede Bedeutung, wird aber auf den letzten Seiten zur Lösung aller Menschheitsprobleme und -konflikte aufgebaut. Die Sexualität, die bisher noch nicht auf der Liste der gentechnisch zu meisternden Geißeln der Menschen stand, wird von einem der Protagonisten als Quelle allen Übels entlarvt und labortechnisch entsorgt. Er schafft eine neue geschlechtslose Menschheit. Der alte Traum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Unsterblichkeit geht in Erfüllung. Der Schluß bietet das bekannte Katastrophenszenario, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Die alte Menschheit stirbt aus, nicht weil sie genetisch manipuliert, sondern weil sie gerade das nicht tut. In Deutschland mußte das Buch als Roman zur gleichzeitig tobenden Sloterdijk-Debatte gelesen werden.Vertrautes Terrain
Ein Aspekt des Biotechnischen Zeitalters hat es den Romanschreibern besonders angetan (mich selbst eingeschlossen): Das Menschenklonen. Das ist endlich wieder vertrautes Terrain. Hier können Schriftsteller hemmungslos psychologisieren und philosophieren und Mutter-Tochter-Konflikte ausmalen, in denen es nur so knallt (wie in dem preisgekrönten Jugendroman Blueprint, der gerade mit Franka Potente verfilmt wurde.) Die Motive des Doppelgängers und der Erschaffung künstlicher Menschen interessiert die Geschichtenerzähler schon seit Jahrhunderten. Harry Mulisch thematisiert das in seinem Roman Die Prozedur, in dem er den Erlebnissen eines modernen Wissenschaftlers, der nichts geringeres als die Neuerschaffung des Lebens anstrebt, die alte Geschichte vom jüdischen Golem gegenüberstellt. Vermutlich ist das Sujet unter Literaten deshalb so beliebt, weil es diese wohlbekannten Saiten zum Klingen bringt. Ob dem Menschenklonen als Methode der Fortpflanzung in der Realität jemals diese Bedeutung zukommen wird, ist wohl eher zu bezweifeln. Letztlich muß man also konstatieren, dass die Literatur als Wegweiser im Labyrinth der Biotechnologie bislang nicht allzu viel zu bieten hat. Immerhin, einer hat sich von den überraschenden Ergebnissen des Human Genome Projects zu einem aufregenden Gedankenspiel anregen lassen. Wie viele Wissenschaftler auch, fragt sich der amerikanische Science Fiction-Autor Greg Bear in seinem Roman Das Darwin-Virus, welchen Sinn die vielen ausrangierten Viren- und Bakteriengenome in unserem Erbgut haben könnten. Was wäre, wenn sie zum Leben erwachten? Seine routiniert erzählte Geschichte ist von einer so erstaunlichen wissenschaftlichen Authentizität, dass sich sogar die berühmte Zeitschrift Nature zu großem Lob veranlasst sah. Wenigstens einer, der sich nicht im Gestrüpp der moralischen Fragen und Dilemmata verfängt, sondern den Menschen als das nimmt, was er auch ist: Ein außergewöhnlich faszinierendes, aber irgendwann endendes Evolutionsexperiment.- Peter Sloterdijk, Philosophie-Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, hatte 1999 im oberbayerischen Schloss Elmau die Rede "Regeln für den Menschenpark", eine provokante Auseinandersetzung mit Fragen der Gentechnik und des Klonens, gehalten. Die Diskussionen schlugen anschließend hohe Wellen, unter anderem wurde Sloterdijk vorgeworfen, dieser Diskurs trage faschistoide Züge.
- Anmerkung der Redaktion: So schlecht war das Orakel dann doch nicht: Wie die New York Times in ihrer Ausgabe vom 22. November 2003 berichtete, hatte die US-Firma "Yorktown Technologies" (Austin, US-Bundesstaat Texas) angekündigt, ab dem fünften Januar 2004 gentechnisch veränderte Aquarium-Zebrafische auf den Markt zu bringen, die im Dunkeln strahlen. In den GloFish, wie er genannt wird, ist ein Gen aus einer See-Koralle eingesetzt worden, so dass er im normalen Licht hellrot ist, unter ultraviolettem Licht jedoch fluoresziert. Normalerweise sind Zebrafische silberfarben oder schwarz. (siehe auch: www.glofish.com)
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