Eckpunkte der Gentechnik

Aigners Empfehlungen für neues Gentech-Recht

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner schlägt neue Regulierungen für die Agro-Gentechnik vor.

Schon in ihrem Koalitionsvertrag hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie den Einsatz der Agro-Gentechnik stärker fördern will. Um diese Vorstellungen umzusetzen, hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) im September ein neues Eckpunktepapier für die Änderung des Gentechnikrechts vorgelegt, das auch die Koalitionspartner von CDU und FDP irritiert. Die FDP-Agrarexpertin Christel Happach-Kassan ließ vermelden, es habe keine Abstimmung in den Koalitionsgruppen gegeben.

Entscheidungen vor Ort?

Aktueller Anlass für das Eckpunktepapier sind die Vorschläge der Kommission der Europäischen Union vom Juli, die Entscheidung über den Anbau gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen auf die Mitgliedstaaten zu übertragen (der GID berichtete). Grundsätzlich begrüßt Aigner den Vorschlag, allerdings bleiben nach Einschätzung der Ministerin noch einige Fragen offen. Nicht zuletzt gibt es in ihrem Haus Zweifel, ob übergeordnetes Recht die jetzt diskutierten Regulierungen verhindert. Insbesondere können derartige Konflikte durch die Abkommen der Welthandelsorganisation WTO und über die Freiheit des Binnenmarktes der EU entstehen. Die Ministerin bevorzugt die Variante, die Entscheidung über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht auf der Bundesebene zu belassen, sondern diese an die Bundesländer weiterzureichen. Die Länder könnten nach dem Willen der Ministerin die Abstände zwischen Feldern mit und ohne gv-Pflanzen selbst bestimmen. Bundesländer, die den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen fördern wollen, könnten entsprechend auch geringere Abstände vorschreiben. Die Festlegung von Koexistenzregeln für den Anbau von gentechnisch veränderten Kartoffeln ist ein weiterer Punkt in Aigners Liste. Bei zehn Metern Abstand zwischen Feldern mit und ohne Gentechnik und einer zweijährigen Zwangspause für konventionelle Kartoffeln, nachdem auf einem Feld gentechnisch veränderte Sorten zum Einsatz gekommen sind, will es die Ministerin belassen. Eine weiterer Vorschlag, der schon im Koalitionspapier verankert war, ist in dem Eckpunktepapier zu finden: Das BMELV nennt ihn die „praktikablere Ausgestaltung der Nulltoleranzregelung“. Für nicht in der EU zugelassene gentechnisch veränderte Organismen gilt, dass diese oder Material derselben in Produkten gleich welcher Art nicht enthalten sein dürfen. Das Ministerium plant, sich an einer Regelung zu orientieren, die im Jahre 2009 anlässlich eines Verunreinigungsfalls mit gentechnisch veränderten Leinsamen verabschiedet wurde. In einfachen Worten handelt es sich bei diesem Verfahren um ein Zwei-Schritt-System, bei dem jeweils ein positiver Befund (das heißt, die Probe enthält gentechnisch veränderte Organismen) vorliegen muss, damit eine Charge wegen Verunreinigung aus dem Verkehr gezogen werden kann. Nicht zuletzt will die Ministerin daran festhalten, auf EU-Ebene eine „umfassende Prozesskennzeichnung“ für Lebensmittelprodukte einzuführen. Ist an einer Stelle im Produktionsprozess eines Lebensmittels - egal ob Enzym oder Futter - Gentechnik im Spiel, soll dies für die Verbraucher sichtbar werden. Die Ministerin empfiehlt, zwischen „weißer Gentechnik“ und „grüner Gentechnik“ zu differenzieren. Diese Idee wird allerdings derzeit von der EU-Kommission nicht unterstützt. Dies schmälert erheblich die Chancen ihrer Umsetzung, eine Regelung nur für Deutschland ist nicht möglich.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
202
vom Oktober 2010
Seite 41

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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Länder gegen Zuständigkeit der Länder

Der Bundesrat stimmte am 24. September mit knapper Mehrheit einer Beschlussvorlage des Landes Mecklenburg-Vorpommern bezüglich des Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu. Demnach wird von den Ländern der Vorschlag der europäischen Kommission abgelehnt, den Mitgliedstaaten künftig die Möglichkeit einzuräumen, den Anbau von GVO in Teilen ihres Hoheitsgebietes - in Deutschland zum Beispiel in einzelnen Bundesländern - zu beschränken oder zu untersagen. Die Bundesländer bevorzugen eine gesamteuropäische Lösung, wie sie derzeit gültig ist. Ansonsten würde, so Landwirtschafts- und Umweltminister Dr. Till Backhaus, ein rechtliches Durcheinander produziert und die Koexistenz erschwert werden.
Quellen: www.regierung-mv.de, Pressemitteilung vom 24.09.10 www.bundesrat.de
(pau)

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