EnviroPig & Friends

Der Glaube an die schnelle Lösung

Zwei skurril anmutende Beispiele der aktuellen Debatte können veranschaulichen, dass die treibende Kraft hinter vielen Entwicklungen der Agro-Gentechnik der Glaube an Techno-Fix-Lösungen ist.

Seit mehr als fünfzehn Jahren kursiert das mittlerweile „EnviroPig“ getaufte gentechnisch veränderte (gv) Schwein zur Reduzierung von Phosphat-Anteilen im Schweinekot durch die Medien- und Wissenschaftslandschaften. Kanadische Behörden genehmigten nun - unter Auflagen - die Zucht. Der Hintergrund ist einfach: Schweine und manch andere Farmtiere können einen großen Teil des für die Ernäh­rung wichtigen Phosphors in der Art, wie er in Pflanzen gebunden ist, nicht verarbeiten. Der Phosphor passiert den Verdauungstrakt und wird ungenutzt ausgeschieden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Tiere ein bestimmtes Enzym, die Phytase, nicht besitzen. EnviroPig wird nun mit gentechnischen Methoden in die Lage versetzt, dieses Enzym zu bilden. Seit die Idee 1995 an der Universität von Guelph entstand, haben die WissenschaftlerInnen mit Unterstützung der Schweinezucht-Industrie an den Tieren gearbeitet. Das Interesse an der Entwicklung einer technischen Lösung hat einen spezifischen Hintergrund. Denn die nicht genutzten Phosphor-Mengen bleiben nicht, wo die Schweine sie verlieren. Phosphor ist insbesondere für Algenblüten in Flüssen und Seen verantwortlich. Die Algen bilden dichte Teppiche an den Oberflächen der Gewässer, verhindern so das Wachstum von Pflanzen in tiefer liegenden Bereichen. Sterben die Algen später ab, können die Gewässer wegen des hohen Sauerstoffverbrauchs umkippen.

Selbsterzeugte Probleme

Die Überschüsse in Sachen Phosphor sind ein Problem, das mit der industrialisierten Landwirtschaft verbunden ist. Stimmt das Verhältnis zwischen der Anzahl der gehaltenen Tiere und der zur Verfügung stehende Fläche, dann tritt dieses Problem gar nicht auf. In der industriellen Schweineproduktion wird vor allem durch den Import von Futtermitteln das lokale Nährstoffverhältnis komplett durcheinandergebracht - am Ende steht der Bedarf nach Techno-Fix-Lösungen.

Ein bisschen Greenwashing

Auch das zweite Beispiel dreht sich um die Frage der Verdauung der Nutztiere. Die staatliche neuseeländische Forschungsinstitution AgResearch und ihre Tochterfirma Grasslanz Technology Ltd haben die „weltweit erste wissenschaftliche Gentechnik-Entdeckung“ bekannt gegeben, die zur „Reduktion der Freisetzung von Treibhausgasen“ geeignet sein soll. Die Rede ist von einer gentechnisch veränderten Variante von Weiß-Klee. Nutztiere, die mit dem Klee gefüttert werden, sollen weniger Methan abgeben. Methan gehört zu den bedeutendsten Treibgausgasen. Der Klee produziert größere Mengen einer bestimmten Art von so genannten Tanninen. Diese schützen Verdauungsenzyme in den Mägen von Schafen, Rindern und anderen Wiederkäuern, was zu der Reduzierung der Methanabgabe führen soll. Abgesehen davon, dass es vermutlich Heerscharen von GentechnikerInnen gibt, die ihrerseits von sich behaupten, Entdeckungen gemacht zu haben, die dem Klimawandel entgegenwirken, folgt das Konzept auch hier einem bekannten Muster: Neuseeland gehört zu den wichtigsten Produzenten von tierischen Produkten. Die im industriellen Stil aufgezogenen Tiere, das Fleisch und die Milchprodukte werden mit großem Aufwand in die ganze Welt geliefert. Um nun wenigstens ein bisschen Greenwashing betreiben zu können, stürzen sich die Forschenden auf den rettenden Strohhalm Gentechnologie. Ankündigungen werden verbreitet, wie hilfreich eine Entdeckung sein könnte - Jahre später hört man jedoch gar nichts mehr davon, weil es bei der Entwicklung technische Schwierigkeiten gegeben hat oder weil die Anwendung gescheitert ist, da alles doch komplizierter ist, als ursprünglich gedacht.

Hilflosigkeit des Systems

Letztendlich zeigt sich an diesen Beispielen nicht zuletzt die Hilflosigkeit eines agrarindustriellen Systems zur Produktion von Lebensmitteln, das mit seinem übermäßigen Einsatz von Erdöl-basierten Inputs, insbesondere in Form von Düngemittel und Pestiziden - gerade in Zeiten von Klimawandel und knapper werdenden Ressourcen - seine Rechnung präsentiert bekommt.

Erschienen in
GID-Ausgabe
201
vom September 2010
Seite 19

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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