Forschungsunsicherheiten

Wissenschaft und Forschung spielen zentrale Rollen, wenn es um die Entwicklung der Gentechnologie geht, das liegt in der Natur der Sache. Derzeit gibt es ein heftiges Gerangel um die Ausrichtung der Forschung, die von den Bundesforschungsanstalten in der Zuständigkeit des Bundesverbraucherministeriums durchgeführt werden soll. Die zentrale Frage lautet: Was ist Forschung für die biologische Sicherheit und was ist Produktentwicklung?

Bundesverbraucher-, -ernährungs- und -landwirtschaftsministerin Renate Künast ist für die Gen- und Biotechnologen Deutschlands so etwas, wie ein enemy number one geworden.

Forschung des Verbraucherministeriums

In den letzten Wochen kochte die Forschungsfrage zum wiederholten Male über: Die Ministerin hatte Projekte von ihrem Ministerium unterstellten Bundesforschungsanstalten zurückgezogen, weil es, so formulierte es der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium (BMVEL), Matthias Berninger, in einer eigens anberaumten Aktuellen Stunde des Bundestages, zu Konflikten kommen könnte. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die es hier geht, haben gleichzeitig die Aufgabe, auf europäischer Ebene bei der EFSA - der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, aber auch auf nationaler Ebene Produkte zu bewerten, und würden durch diese Forschungsvorhaben maßgeblich an der Produktentwicklung beteiligt werden."(1) Denn die Begutachtung im Zulassungsverfahren ist eine von mehreren Aufgaben, die den Ressortforschern des BMVEL zukommt. Sie bewerten zum Beispiel die Sicherheit von transgenen Organismen, auf deren Weg durch die diversen Schritte bis zur Zulassung für den europäischen Markt. Die Projekte, die jetzt zurückgezogen werden mussten, hätten vom Bundesforschungsministerium im Programm zur biologischen Sicherheit gefördert werden sollen.

Künast gegen Biologische Sicherheit?

Ist nun also die Ministerin gegen die Forschungsfreiheit im Allgemeinen und gegen die Forschung zur Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen? So lautet zumindest der Vorwurf, der ihr in den vergangenen Wochen an prominentester medialer und parlamentarischer Stelle gemacht wurde. Dies verdeutlichen einige Beispiele: Von der "Gentechnik am Gängelhaken" war zum Beispiel in der FAZ zu lesen. An gleicher Stelle wird auch Inge Broer von der Universität Rostock zitiert: "Wenn wir beim Anbau von transgenen Pflanzen Sicherheitsstandards erfüllen wollen, dann müssen wir doch Sicherheitsforschung machen. Wer, wenn nicht staatliche Institutionen, soll künftig unabhängige Gutachten über den Anbau transgener Pflanzen erstellen?"(2) Für die Opposition im Bundestag meldeten sich Gerda Hasselfeld (CSU) und Helmut Heiderich (CDU) aus der CDU/CSU-Fraktion zu Wort: "In kürzester Zeit hat es die BMVEL-Ministerin geschafft, die Gentechnik-Forschung in Deutschland platt zu machen."(3) In der bereits angesprochenen Aktuellen Stunde des Bundestages wurden weit gehend bekannte Allgemeinplätze ausgetauscht. Einen etwas schärferen Ton schlug die forschungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Katherina Reiche (CDU), an, die an einen "fanatischen Parteigenossen in der Stalinära", Trofim Lyssenko erinnerte. Dieser "übernahm in den 1930er-Jahren die Institute für Genetik. Er behauptete, alle Ernährungsprobleme lösen zu können. Entgegen allen gesicherten Erkenntnissen leugnete Lyssenko beispielsweise die mendelsche Vererbungslehre und er propagierte eine obskure Umweltbeeinflussung der Pflanzen. Das passte zwar gut zu Marx und Stalin, aber wenig zu den Naturwissenschaften. Obwohl Lyssenkos Ideen den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht nur der damaligen Zeit, sondern auch der heutigen Zeit entgegenstanden, wurde die gesamte russische Pflanzenzucht danach ausgerichtet. (...) Die Folge waren bittere Hungersnöte. Der eine Teil der Elite der russischen Genforschung emigrierte, und der andere Teil wurde in die Verbannung geschickt. Ein trauriges Beispiel, wie ideologisierte Pseudowissenschaft ehrbare Forschung zur Farce machen kann."(1) Neben dieser Auseinandersetzung über ideologische Forschungspolitik wurde unter anderem um den Begriff der Produktentwicklung gestritten.

Produkte aus dem Ministerium?

Die Forschung zur so genannten biologischen Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen ist ein umstrittenes Feld, dazu bedurfte es nicht mehr den einen oder anderen zurück gepfiffenen Wissenschaftler des Verbraucherministeriums. Schon seit Jahren schwelt die Auseinandersetzung, was das eigentlich genau ist, Forschung zur biologischen Sicherheit. Sagen die Kritiker, es sei überhaupt nicht einzusehen, warum insbesondere staatliche Forschungsstellen an der "Verbesserung" der gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen mitwirken sollen (4), meinen die Proponenten transgener Pflanzen, dies genau sei die Aufgabe zum Beispiel der bereits genannten Ressortforschung des BMVEL. Konkret dreht sich die aktuelle Auseinandersetzung um Forschungs- und Entwicklungsprojekte, mit denen die Markergene der transgenen Organismen weiterentwickelt werden sollen, wie es in dem Jargon der Befürworter ebensolcher Projekte heißt. (Markergene siehe Kasten) Auslöser der jetzigen Auseinandersetzung waren zwei Projekte zur Weiterentwickung des so genannten "Cre/lox-Systems", mit dem die Forscher versuchen, die Markergene vollständig aus dem Genom der Pflanze zu entfernen. Die Projekte waren von Joachim Schiemann von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig und von Reinhardt Töpfer vom Institut für Rebenzüchtung der Bundesforschungsanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen in Siebeldingen eingereicht worden. Das Verbraucherministerium hatte die ihr nachgeordneten Bundesforschungsanstalten angewiesen, die Projekte zurück zu ziehen. Das Online-Magazin "Telepolis" zitiert eine Einschätzung des "kritischen" österreichischen Risikoforschers Werner Müller: "In diesem Fall handelt es sich um klare Produktentwicklungsforschung, die die Industrie elegant auf befreundete Bundesanstalten verlagert. Alle Projekte zu Alternativen zur Eliminierung von Markergenen sind eine Notwendigkeit, die sich aus der EU-Richtlinie 2001/18 ergeben. (...) Risikoforschung würde eher fragen, welche Nebenwirkungen neue Konstrukte auf Mensch, Tier etc. haben. Also: Abschätzung der Folgen des Konstruktes und nicht die Schaffung des Konstruktes ist Risikoforschung."(5) Deutlich wird aber in der Auseinandersetzung auch, dass der Begriff der Produktentwicklung als solcher nicht ausreicht, um das Für und Wider zu belegen. So wird der Auftrag an die Forschungsanstalten des Bundes an anderer Stelle explizit mit der Entwicklung von Produkten oder von Techniken und Methoden, die unmittelbar in neue Produkte einfließen sollen, beschrieben. Darauf wies die Opposition im Bundestag zurecht hin. Vielmehr ist wohl die Produktentwicklung unter dem Deckmantel der Forschung zur biologischen Sicherheit der casus knacktus, oder umgekehrt die Frage, was Forschung zur biologischen Sicherheit genau ist.

BMBF-Forschung zur biologischen Sicherheit

Da das BMBF die umstrittenen Projekte für förderungswürdig hält, ist klar, welche Sicht dort in dieser Sache vorherrscht. Mit welchem Nachdruck diese Einschätzung durchgesetzt wird, lässt sich ablesen, wenn man sich vor Augen führt, dass das Projekt, das von Herrn Schiemann an der Biologischen Bundesanstalt (BBA) durchgeführt werden sollte, jetzt aus dem gleichen Topf an anderer Stelle - der Universität Rostock - gefördert werden soll. Innerhalb der Ressorts der Bundesregierung obliegt es weit gehend den entsprechenden Fachausschüssen des Forschungsministeriums, welche Projekte zur Biologischen Sicherheitsforschung in Deutschland aus Bundesmitteln finanziert werden. So genießt bisher das BMBF auch die - praktisch uneingeschränkte - Definitionshoheit über diesen stark umstrittenen Forschungsbereich. Im Haushaltsjahr 2002 konnten die Fördergremien des BMBF mit zirka acht Millionen Euro etwa das zehnfache an finanziellen Mitteln in diesem Forschungsfeld vergeben, als dies zum Beispiel dem Bundesumweltministerium möglich war. Im BMVEL dagegen wurden zu diesem Zweck bisher praktisch überhaupt keine eigenen Mittel vergeben. Vielmehr können sich die Forscher der Bundesforschungsanstalten des Verbraucherministeriums auf die Ausschreibungen des BMBF bewerben und so über Drittmittel Forschungen zur biologischen Sicherheit durchführen. Dies ist - nach der Meinung der beteiligten BMVEL-Ressortforscher - in den vergangenen Jahren eingespielte und übliche Praxis gewesen. Allerdings wird man in der aktuellen Situation von den entsprechenden Forschern selbst nichts darüber erfahren. Sie haben von der Ministerin Redeverbot erhalten.

Bisherige Projekte

Ein Blick in die Liste der Projekte, die sich mit der biologischen Sicherheit befassen, verdeutlicht zweierlei: Einerseits tauchen regelmäßig die Forschungsanstalten des BMVEL, insbesondere die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, auf, andererseits ist der Vorwurf der Produktentwicklung unter dem Deckmantel der Forschung über biologische Sicherheit nicht vollständig von der Hand zu weisen (siehe Kasten). Nun macht sich das BMVEL auf, eigene Projekte zur biologischen Sicherheit durchzuführen. Im Moment wird an der Entwicklung eines Konzeptes gearbeitet, erste Untersuchungen sollen noch in diesem Jahr beginnen.

Fußnoten

  1. Protokoll der Aktuellen Stunde des Bundestages am 9.03.05 im Netz unter: http://dip.bundestag.de/btp/15/15162.pdf
  2. Karin Hollricher, "Gentechnik am Gängelhaken", Frankfurter Allgemeine Zeitung, Online-Ausgabe, 10.03.05 ,www.faz.net
  3. Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9.03.05
  4. Siehe zum Beispiel Beatrix Tappeser, "Im Interesse der Öffentlichkeit?", GID 159 (Aug./Sep. 2003) oder Steffi Ober, "Biologische Sicherheitsforschung im BMBF", GID 168 (Feb./März 2005)
  5. Brigitte Zarzer,"Grüne Forschungsfeinde?" telepolis, 31.03.2005, www.telepolis.de/r4/artikel/19/19780/1.html

“Sicherheitsforschung” des Bundesverbraucherministeriums

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) vergibt in Deutschland die meisten Gelder zur Forschung über biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen. Auf Ausschreibungen des BMBF bewerben sich auch Forscher der so genannten Ressortforschung des Bundesverbraucherministeriums (BMVEL). Ein Teil des Programms ist das Internet-Portal "biosicherheit.de". Der GID zeigt eine Liste von Projekten, die von verschiedenen Bundesforschungsanstalten des BMVEL durchgeführt und in aller Regel aus dem BMBF finanziert wurden. Die Liste ergibt sich aus der Datenbank des Internetportals.
Projekte, die nach Einschätzung des Autors, unter "Produktentwicklung" fallen würden:

  • Transgene Fruktan-Kartoffel - Phänotypische Merkmale und Anfälligkeit gegenüber wichtigen Schaderregern im Vergleich zum Wildtyp und konventionellen Kartoffelsorten (2001-2004). Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), Institut für Integrierten Pflanzenschutz, Kleinmachnow.
  • Untersuchungen zur frühzeitigen Entdeckung einer Resistenzentwicklung des Maiszünslers und zur Aufklärung der Resistenzmechanismen (2001-2004). BBA, Institut für biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt.
  • Sterile Pappeln verhindern die Auskreuzung in forstliche Ökosysteme (2001-2005). Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH), Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung, Großhansdorf.
  • Transgene Apfelsorten - Ansätze zur Verhinderung von Auskreuzung und Ausbreitung (2001-2005). Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ), Institut für Obstzüchtung.
  • Optimierung von Vektoren für die Erzeugung Markergen-freier Pflanzen (2001-2004). BAZ, Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof, Siebeldingen.
  • Erzeugung Markergen-freier Pflanzen durch Nutzung eines Rekombinationssystems (Cre/lox) (2001-2004). BBA, Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit, Braunschweig.
  • Entwicklung eines neuen Sicherheitssystems für die Produktion von Proteinen in Pflanzen mit veränderten Viren (2001-2004). BBA; Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit, Braunschweig.
  • Entwicklung neuer Methoden zur gezielten Veränderung von Genen in der Pflanze (2001-2004). BBA; Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit, Braunschweig.
  • Virusresistente gentechnisch veränderte Kartoffeln – Genetische Stabilität und die Möglichkeit der Entstehung neuer Viren (2000-2003). BAZ, Institut für Resistenzforschung und Pathogendiagnostik, Aschersleben.

Projekte, die nach Einschätzung des Autors, das Siegel der biologischen Sicherheitsforschung erhalten würden:

  • Transgene Fruktan-Kartoffel - Mögliche ökologische Auswirkungen auf Bakterien und Pilze des Blatt- und Wurzelbereichs im Vergleich zum Wildtyp und konventionellen Kartoffelsorten (2001-2004). Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V., Institut für Primärproduktion und Mikrobielle Ökologie, Müncheberg.
  • Das Ausbreitungsverhalten von Rapspflanzen (2001-2004). BBA, Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und Biologische Sicherheit, Braunschweig.
  • Die Auswirkungen von transgenem Raps-Pollen auf Bienen (2001-2004). BBA, Institut für integrierten Pflanzenschutz, Kleinmachnow.
  • Gentransfer bei Bienen - Gibt es bei der Verdauung von Raps-Pollen-DNA im Bienendarm einen Gentransfer auf Mikroorganismen des Magen-Darmtraktes? (2001-2004). Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Institut für Agrarökologie, Braunschweig.
  • Toxizität von Bt-Mais für Schlupfwespen (2001-2004). BBA, Institut für biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt. Die Wahrscheinlichkeit von Auskreuzungen zwischen Kultur- und Wildrosen (2001-2005). BAZ, Institut für Zierpflanzenzüchtung.
  • Abbau von Bt-Mais in Böden und Auswirkungen auf die Mikroorganismen (2001-2004). FAL, Institut für Agrarökologie, Braunschweig.
  • Konzept und Methoden zum anbaubegleitenden Monitoring gentechnisch veränderter Pflanzen. Länder- und Kulturarten-übergreifende Fragestellungen (2001-2004). BBA, Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit; Braunschweig.
  • Wirkung von Bt-Pollen auf Schmetterlinge (2001-2003). BBA, Institut für biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt.

Diese Auswahl kann nicht repräsentativ sein, da - zum Beispiel - nicht der Anzahl der Projekte oder deren Laufzeit die größte Aussagekraft zugeschrieben werden kann. Selbst finanzielle Aufwendungen reichten als alleiniges Kriterium nicht aus, da Projekte zu unterschiedlichen Fragestellungen bei gleicher - zum Beispiel ökologischer - Wichtigkeit einen unterschiedlich großen finanziellen Aufwand bedeuten können. Auch ist mit der Erwähnung eines Projektes in der einen oder anderen Teilliste nicht gesagt, dass die Forschung gut durchgeführt wurde, zuverlässige Ergebnisse lieferte oder Beweise in der einen oder anderen Richtung geliefert hat. Für eine detaillierte Evaluation der Forschungen unter der Überschrift "biologische Sicherheit" fehlt an dieser Stelle der Platz. Nichtsdestotrotz wäre sie wünschenswert, wohlgemerkt durchgeführt von unbeteiligter, neutraler Stelle. Die Aufzählung soll vielmehr einen ersten Eindruck vermittel, worüber gestritten wird. (pau)

Erschienen in
GID-Ausgabe
169
vom April 2005
Seite 24 - 27

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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Markergene I

Markergene sind in der Pflanzen-Gentechnik nur im Labor von Bedeutung: mit ihnen werden die gentechnisch veränderten Pflanzen mit den neu eingefügten Eigenschaften von solchen getrennt, bei denen der Transfer neuer Gene (für die neuen Eigenschaften) nicht funktioniert hat. Bei praktisch allen aktuell marktfähigen gv-Pflanzen kommen als Markergene Antibiotika-Resistenzgene zum Einsatz. In der Laborarbeit muss den Zellkulturen mit den - zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher - gentechnisch veränderten Pflanzenzellen nur das entsprechende Antibiotikum beigemischt werden. Dann kann man ausreichend sicher gehen, dass diejenigen Zellen, die diese Prozedur überleben, neben den Resistenzgenen auch die anderen neuen Eigenschaften in ihren Stoffwechsel - respektive die neuen Gene in ihr Genom - integriert haben. Die Kritiker sagen nun, dass diese Forschung die Aufgabe der interessierten Industrie sei; der Staat forsche ja auch nicht an der Entwicklung von Sicherheitsgurten, auch wenn er solche in jedem Auto vorschreibt. Und tatsächlich schreibt der Staat den Firmen der Bio- und Gentechnologie vor, dass sie sich anstelle der Antibiotika-Markergene zur Selektion im Labor etwas anderes einfallen lassen sollen. Es kann nämlich nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die Gene für die Antibiotika-Resistenzen auf Mikroorganismen - zum Beispiel der menschlichen Darmflora - übertragen werden. Daraus können neue krankheitserregende Keime entstehen. Das Szenario der Kritiker, zu dessen Bestätigung mittlerweile verschiedene Nachweise gesammelt wurden, sieht vereinfacht folgendermaßen aus: Die Resistenzgene werden mit der Nahrung von den Menschen aufgenommen. Im Verdauungstrakt werden die Gensequenzen dann in das Genom von Darmbakterien aufgenommen und in ihr Genom integriert. Manche von diesen Darmbakterien entwickeln sich zu Pathogenen oder geben die DNA an andere pathogene Keime weiter. In diesen entfalten die Gensequenzen ihre Fähigkeit, das Bakterium gegen die Wirkung der Antibiotika resistent zu machen.(pau)

Markergene II:

Verschiedene Strategien zur Vermeidung der Antibiotikamarkergene, wie es von der EU-Freisetzungsrichtlinie und der Neufassung des Gentechnikgesetzes gefordert wird, setzen darauf, andere Resistenzen, zum Beispiel gegen Herbizide, zu verwenden. Andere versuchen, die Antibiotikaresistenz-Markergene nach der Laborphase durch züchterische Methoden zu eliminieren. Die Antibiotikaresistenz-Markergene haben in den vergangenen Wochen für Aufsehen gesorgt. In den USA und in Europa ist nicht zugelassener gentechnisch veränderter Bt10-Mais in Verkehr gebracht worden, möglicherweise in sehr geringer Menge als Saatgut und in Lebens- und Futtermitteln. Der Mais trägt als Marker eine Ampicillin-Resistenz. Ampicillin wird in der Humanmedizin regelmäßig eingesetzt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) rät in einer detaillierten Stellungnahme, insbesondere diejenigen Antibiotika, die beim Menschen verwendet werden, in Zukunft nicht mehr in gentechnisch veränderten Pflanzen einzusetzen. Die Mitglieder eines Fachausschusses der EFSA empfehlen, Pflanzen mit der Ampicillin-Resistenz nur noch zu Testzwecken freizusetzen, aber nicht in Verkehr zu bringen. (Näheres zu dem Skandal um den Bt10-Mais in diesem Heft: Artikel "Bt10 freigesetzt") (pau)