Rezension: Regenesis
Um Sinn und Zweck des Buch Regenesis zu verstehen, muss man nicht lesen können. Ein Blick auf das Umschlagbild sagt alles - naja, vieles. Wir halten ein religiöses Etwas in Händen, nicht irgendein Buch von irgendeinem Wissenschaftler. Das Cover ist eine Collage aus Schnipseln des Bildes Die Erschaffung der Welt von Eustache Le Sueur. Der Name des Autors tut sein übriges: George Church (Church ist das englische Wort für Kirche) ... irgendwie zum Lachen. Nichtsdestotrotz hilft es, lesen zu können. Allerdings muss der geneigte Leser, die geneigte Leserin auch Mitglied in der Kirche des George Church sein, sonst springt der Funke nicht über. Es bleibt wie eine Sonnenfinsternis im Fernsehen. Irgendwie ist klar: Ich bin nicht dabei. Church, Professor für eines dieser molekularbiologischen Fächer an einer dieser Top-Unis in den USA, ist einer der globalen Tausendsassa der Synthetischen Biologie. Ihm ist nichts zu blöd, um Aufmerksamkeit zu bekommen: Neandertaler wieder zum Leben erwecken - George Church ist nicht nur dabei, er posaunt es heraus. Das orchestriert er mit spektakulären Auftritten. So weit zum Showbusiness. Und - überflüssig zu erwähnen - die Medien fressen ihm aus der Hand. Als Regenesis in den Handel kam - wohlgemerkt in Englisch - gab es für Church ein Interview im Spiegel. Aber Church hat auch ein Labor. Hier treibt er seit Jahrzehnten die Entwicklung der molekularen Technologien und die begleitenden Konzepte mit voran: Das Projekt zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms, die sogenannte personalisierte Medizin, den StudentInnen-Wettbewerb für Synthetische Biologie IGEM ... aktuell ist für Church wichtig, jegliche Art von Leben, ob Nutzpflanze, Mensch oder irgendein Kraut in der Natur, verändern zu können. Dabei verfolgt Church - gemeinsam mit anderen - ein nicht mehr so ganz neues, wenngleich aktuell Fahrt aufnehmendes Konzept, für das es im Deutschen noch keinen passenden Begriff gibt. Im Englischen wird von gene editing oder genome editing gesprochen, also vom Editieren der Gene oder vom Editieren der Genome. Editieren ist das Drehen an kleinen Stellschrauben - Gene und Genome werden nicht verändert, sondern in kleinen Schritten - eben - editiert, umgeschrieben, hier ein neuer Buchstabe, dort ein neuer Buchstabe. Schrotschuss-Technik zur gentechnischen Veränderung ... die ist sowas von Achtziger. Nicht dass ich falsch verstanden werde: Dies ist eine Empfehlung, das Buch „Regenesis - How Synthetic Biology will Reinvent Nature and Ourselves“ (Regenesis - Wie die Synthetische Biologie die Natur und uns neu erfinden wird) von George Church zu lesen! Ach so, bevor ich es vergesse: der Sinn und Zweck des Buches ... vergessen Sie es, wer fragt bei Kirchen schon nach Sinn und Zweck? Es geht um Glauben!
Christof Potthof
➤ George Church und Ed Regis: Regenesis - How Synthetic Biology will Reinvent Nature and Ourselves. Basic Books (2012), 304 Seiten, 19,99 US-Dollar, ISBN 978-0-465-07570-6.