Kurz notiert - Politik und Wirtschaft
Verfassungsklage gegen BRCA-Patente
Mit Unterstützung verschiedener Institutionen und ForscherInnen hat die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) eine Verfassungsklage gegen das Patent auf die beiden so genannten Brustkrebsgene BRCA 1 und 2 eingereicht. Die beiden DNA-Abschnitte stehen - wenn auch selten und zumeist in Familien, in denen die Krankheit gehäuft auftritt - mit Brust- und Eierstockkrebs in Zusammenhang. Die Firma Myriad Genetics hält ein Patent auf beide Gene, ihre Mutationen, sämtliche Verfahren ihrer Isolierung und auf diagnostische Tests. Nach Ansicht der Organisationen untergräbt dieser Umstand wesentliche Bürgerrechte wie den freien Informationsaustausch, die wissenschaftliche Freiheit, die körperliche Integrität und die Gesundheit von Frauen. So können Tests nur in Laboren des Unternehmens durchgeführt werden (in Europa müssen Labore eine Lizenz erwerben), wodurch ein unabhängiger zweiter Test nicht möglich ist. Auch kann an den beiden Genen nur geforscht werden, wenn Myriad eine Lizenz erteilt. Das Monopol erlaubt dem Unternehmen außerdem, die Gebühren hoch anzusetzen: Mit 3.000 US-Dollar pro Test ist die Diagnostik für Frauen aus armen Familien unbezahlbar. Die Klage soll diese Zustände beseitigen, darüber hinaus aber auch als Präzedenzfall dienen, mit dem die Patentierbarkeit von Genen erneut in Frage gestellt wird. So unterstützenswert dieser Schritt, so fragwürdig sind die Genkonzepte, die in dieser Diskussion immer wieder zum Vorschein kommen: So spricht ACLU-Direktor Anthony Romero von den Genen als „etwas Persönlichem und Grundlegendem“. Und Geschäftsführer Chris Hansen meint, Patente seien dazu da, Erfindungen zu schützen, nicht „Dinge, die in der Natur existieren, wie zum Beispiel Gene im menschlichen Körper.“ (Heise Online, 13.05.09; www.aclu.org/freespeech/gen/brca.html) (uw)
WTO-Streit beigelegt
Die USA und die Europäische Union haben sich in ihrem seit langer Zeit andauernden Streit über den Import von US-Fleisch in die EU aufeinander zubewegt. Am 12. Mai dieses Jahres wurde ein so genanntes „Memorandum of Understanding” unterzeichnet, demzufolge ein dreistufiger Prozess die Streitigkeiten beseitigen solle. In dem Streit geht es um die Weigerung der EU, den Import von Fleisch von Rindern in die Europäische Union zuzulassen, die mit dem mit gentechnischen Methoden hergestellten Rinderwachstumshormon rBST (ribosomales Bovines Somatotropin) behandelt wurden. Dieses Verfahren ist in der EU nicht erlaubt. Obwohl sie bereits 1999 in einem WTO-Streitfall unterlegen war, akzeptiert die Union keine entsprechenden Importe, muss aber hinnehmen, dass beim Export in die USA Strafzölle für die europäischen Produkte fällig werden. In der ersten Phase des nun beschlossenen Abkommens kann die USA Strafzölle der EU in Höhe von 38 Millionen US-Dollar geltend machen, was aber für die EU eine erhebliche Reduzierung darstellt, da nach derzeitiger Rechtslage bis zu 116 Millionen US-Dollar möglich gewesen wären. Als erheblich wird auch der Verzicht seitens der USA eingeschätzt, dass es nicht zu rotierenden Sanktionen kommen wird, bei denen die Produkte, auf die Strafzölle gelegt werden, alle sechs Monate wechseln. Die EU-Komission beziffert die möglichen Folgen dieser Maßnahme mit mehr als 200 Millionen US-Dollar. Im Gegenzug zu den gemachten Zugeständnissen öffnet sich die Europäische Union für Fleischimporte aus den USA, die allerdings mit den europäischen Regeln konform sein, und somit von rBST-freien Rindern stammen müssen. Weitere Handelsbeschränkungen beseitigende Schritte, die in die gleiche Richtung gehen, sind für die Folgejahre vorgesehen. Der Streit macht sich vereinfacht gesagt an der Auffassung fest, dass die Behandlung von Kühen und Rindern mit rBST in Europa als nicht tiergerecht eingeordnet wird, beziehungsweise die Gesundheit der Tiere schädigt. Zudem gibt es immer wieder Hinweise, dass sich die Behandlung der Kühe und Rinder mit dem Wachstumshormon auch negativ auf die Gesundheit von Menschen auswirkt. Siehe dazu auch den Artikel „USA: Mehr Zwillinge durch Hormonmilch?” von Ute Sprenger im Gen-ethischen Informationsdienst GID 176 vom Juni 2006; frei verfügbar im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de. (MEMO 09/239 der EU-Komission, http://europa.eu, 13.05.09; Bridges Trade BioRes, Band 9, 01.05.09, http://ictsd.net) (pau)
„DNA-Beweise“ ändern nichts an Freisprüchen
Das Vorhaben der Regierungskoalition, die Regeln für strafrechtliche Wiederaufnahmeverfahren in Mordfällen zu ändern, ist gescheitert. Ein Vorstoß des Bundesrates hatte zum Ziel gehabt, rechtskräftig vom Vorwurf des Mordes Freigesprochene im Falle später auftauchender „DNA-Beweise“ erneut vor Gericht stellen zu können. Nach einer Expertenanhörung im März beschloss die SPD nun, das Vorhaben nicht mitzutragen. Grund ist allerdings nicht die erst jüngst in mehreren Fällen wieder zu Tage getretene, mit dem Einsatz der Methode verbundene Vielfalt der Fehlerquellen (siehe GID 193, S.32/33), sondern ein verfassungsrechtliches Argument: Das Grundgesetz enthält ein Verbot der Doppelbestrafung, weshalb niemand zweimal wegen des selben Tatvorwurfs vor Gericht gestellt werden darf. Der CDU-Rechtsexperte Jürgen Gehb kommentierte das Scheitern des Gesetzesvorhabens als „schallende Ohrfeige“ für das Rechtsempfinden, weil nun „ein überführter Mörder in Freiheit bleiben“ dürfe. Es sei darauf verwiesen, dass eine Ausnahme vom Verbot der Doppelbestrafung aller Erfahrung nach nicht auf Mord beschränkt geblieben wäre. Gerade auf dem Feld der DNA-Analysen beginnt die Aushöhlung von Grundrechten immer mit gesetzlichen Ausnahmeregelungen für schwere Delikte. Erinnert sei etwa an den Katalog, mit dem die rot-grüne Bundesregierung 1999 die Errichtung polizeilicher DNA-Datenbanken und die nachträgliche Erhebung von DNA-Profilen bereits Verurteilter legalisierte. Während heute auch Verurteilungen wegen Wohnungseinbruch oder Vollrausch eine zwangsweise Erhebung des DNA-Profils erlauben, hatte der Katalog zunächst nur die sogenannten Kapitalverbrechen umfasst. (Tagesspiegel, 09.05.09; vgl. auch GID 133, Juni 1999) (uw)
DNA-Tests: Verunreinigungen weit reichend
Offensichtlich ist das Problem der Verunreinigung beim Einsatz von DNA-Tests in der Kriminalistik doch weitreichender als gedacht: Einer Sonderprüfgruppe beim BKA zufolge ist es wahrscheinlich, dass solche Kontaminationen „über einen langen Zeitraum“ und bei mindestens einem halben Dutzend Zuliefererfirmen von DNA-Entnahmesets in Deutschland aufgetreten sind. Über das genaue Ausmaß und die Quellen der Spuren wollte das BKA noch keine Auskunft geben. Wie Ende März im Zusammenhang mit den Ermittlungen um einen Polizistenmord in Heilbronn bekannt geworden war, hatten mit Fremd-DNA verunreinigte Wattestäbchen die Ermittler jahrelang auf die Spur eines vermeintlichen Serienmörders gelenkt, den es jedoch offensichtlich gar nicht gab. Die eingesetzten Stäbchen waren vermutlich mit der DNA einer Verpackungsmitarbeiterin kontaminiert gewesen. (www.transkript.de, 20.05.09) (mf)
Neuer Bioökonomierat
In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke hat die Bundesregierung ihre Vorstellungen zu dem im Januar dieses Jahres gegründeten „Forschung- und Technologierat Bioökonomie” erläutert. Der Rat soll nach eigenen Angaben die „Entwicklung der Bioökonomie in der Bundesrepublik Deutschland aktiv unterstützen und hierfür Empfehlungen für relevante Forschungs- und Handlungsfelder an Politik, Wissenschaft und Wirtschaft formulieren”. Die Bioökonomie, zum Teil wird auch von der wissensgestützten Bioökonomie gesprochen, zielt auf einen Ersatz der petrochemischen Ressourcen verschiedener Wirtschaftssektoren durch Stoffe, die unter Verwendung von biologischen und biotechnologischen Verfahren hergestellt wurden. Entsprechend wird die Bioökonomie als Lösung von Problemen verstanden, die mit dem Niedergang der weltweiten Öl- und anderer Rohstoffreserven zusammenhängen. In den Rat sind, wie die Bundesregierung betont, zwölf „Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft” für einen Zeitraum von zunächst drei Jahren berufen worden, darunter eine Frau. Die Mitglieder wurden vom Präsidium der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech) ausgewählt. Der Rat kann selbstständig über die Inhalte seiner Arbeit bestimmen, die Nachhaltigkeit soll gewährleistet werden, so versteht es zumindest die Bundesregierung, indem „ökonomischen, sozialen und ökologischen Grundsätzen der Nachhaltigkeit Rechnung getragen” wird. Mit dem ersten Gutachten ist im kommenden Jahr zu rechnen. Die Bundesregierung finanziert den Rat für die nächsten drei Jahre mit etwa zwei Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Unter dem Stichwort „Bioökonomie” wurde auf der EU-Ebene ein Förderprogramm aufgelegt, von dem in erster Linie Gen- und Biotechnologien profitieren, zum Beispiel im Rahmen von so genannten Technologieplattformen. Siehe zum Beispiel den Artikel „Das Blaue vom Himmel” von Benno Vogel im GID 165, August 2004 im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de. (Antwort der Bundesregierung, Drucksache Bundestag 16/12646, 20.04.09, http://drucksachen.bundestag.de) (pau)
Innovationsforum Pflanze
Wissenschaftler von Universitäten und Behörden, Vertreter von privaten Unternehmen aus der Pflanzenzüchtung und andere haben sich bereits im März dieses Jahres auf dem Petersberg in Bonn zum Innovationsforum Pflanze zusammengefunden. Zum Abschluss haben sie die „Petersberger Thesen zur Zukunft der Pflanzenforschung” verabschiedet. Darin fordern sie unter anderem, dass die Pflanzenwissenschaften auf allen Ebenen gestärkt werden und die Genomforschung vorangetrieben wird. Neben weiteren Forderungen im Zusammenhang mit Forschung und Ausbildung im Bereich der Pflanzenzüchtung wurden zwischen der „Wissenschaft” und der „Wirtschaft” Bekenntnisse ausgetauscht, die auf eine engere, anwendungsorientierte Kooperation im Sinne von Public Private Partnerships zielen. Dabei treten die knapp zwei Dutzend Unterzeichner, nicht eben zurückhaltend auf. Sie schreiben in der Präambel der Petersberger Thesen, dass der Wandel in den Lebenswissenschaften von einer „vorwiegend beschreibenden (deskriptiven) zu einer vorhersagenden (prädiktiven) Disziplin” und der damit verbundene - wenn auch nicht genauer charakterisierte - Technologiesprung „Innovationen in allen Wirtschaft- und Wissenschaftsbereichen” auslösen werde. Nach Darstellung in einer Pressemitteilung des Bundes Deutscher Pflanzenschützer (BDP) vom 8. April, dessen Vertreter zu den Unterzeichnern der Thesen zählen, sind die Petersberger Thesen „Richtschnur für Administration, Wissenschaft und Wirtschaft zur Zusammenführung der entsprechenden Wissenschaftsgebiete und Wirtschaftsbranchen.” Unklar bleibt, in welchem Rahmen die Wissenschaftler, Wirtschaftvertreter und Mitarbeiter der Verwaltung - darunter Andreas Graner vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Mark Stitt vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie, Reinhard von Broock von der KWS Lochow GmbH und der Präsident des BDP, Kartz von Kameke - in Bonn zusammenkamen, wer eingeladen hatte beziehungsweise wurde, und mit welcher Autorität die Unterzeichner ausgestattet waren. Bemerkenswert ist zudem, dass Begriffe wie „Grüne Gentechnik” strikt vermieden wurden. (PM BDP, 08.04.09) (pau)
Entwicklungshilfe für Gen- und Biotechnologien
In den USA sind Diskussionen über ein neues Entwicklungshilfegesetz entfacht, mit dem in Zukunft stärker als bisher explizit auch gentechnisch verändertes Saatgut gefördert werden soll. Der so genannte „Lugar-Casey Global Food Security Act” zur Sicherung der Welternährung durch die Entwicklungsagentur USAID soll in Zukunft bis zu 7,7 Milliarden US-Dollar an finanziellen Mitteln freigeben, von denen „ein großer Teil” Gen- und Biotechnologien zugute kommen würde. Das befürchten zumindest Annie Shattuck und Eric Holt-Giménez von Food First, einem Institut für Nahrungs- und Entwicklungspolitik aus Oakland im US-Bundesstaat Kalifornien. Sie haben im April einen Bericht vorgelegt, demzufolge eine starke Förderung von gentechnisch veränderten Pflanzen für die Entwicklungshilfe in erster Linie geeignet sein wird, die Märkte von Entwicklungsländern für US-Firmen zu öffnen, nicht aber deren Bevölkerung zu helfen. (Food First - Policy Brief No 18: Why the Global Food Security Act Will Fail to Curb Hunger, im Netz - in englischer Sprache - unter www.foodfirst.org; http://lugar.senate.gov/food/legislation) (pau)
EU-Parlamentarier für „Selektion“ und „Ausmerzung“
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben mit großer Mehrheit einen Vorschlag für eine Empfehlung der Kommission zur Unterstützung von Patienten mit seltenen Krankheiten angenommen. Seltene Krankheiten könnten nur länderübergreifend effektiv behandelt werden, da es in einem einzelnen Land meist weder ausreichend Experten noch Patienten gibt, um neue Therapien zu erforschen. Daher galt die Initiative an sich als unumstritten. Für Aufregung sorgte jedoch ein Änderungsantrag des griechischen Berichterstatters Antonios Trakatellis, welchen der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit mit Stimmen der Sozialdemokraten, Kommunisten und Liberalen angenommen hat. Dieser Antrag forderte die „Ausmerzung“ von genetisch bedingten Erkrankungen unter anderem durch „Selektion“ von Embryonen. Es heißt dort zum Beispiel wörtlich: „Dies soll durch genetische Beratung der als Überträger der Krankheit fungierenden Eltern und gegebenenfalls ... durch die Auswahl gesunder Embryos vor der Implantation geschehen.“ Der Antrag war auf heftigen Widerstand seitens der Kirchen- und Behindertenverbände wie auch der Europäischen sowie der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik gestoßen. Er wurde vom Plenum zwar abgeschwächt, blieb jedoch in weiten Teilen erhalten. Die christdemokratische EVP-ED-Fraktion hatte gegen den Antrag gestimmt. (Ärzte Zeitung, 08.04.09; PM Dr. Peter Liese, 23.4.09; PM Hubert Hüppe, 22.4.09) (as)
Schweden: Geschlechtsselektion erlaubt
In Schweden sind Schwangerschaftsabbrüche aufgrund des Geschlechts nicht illegal. Zu diesem Schluss ist der schwedische Gesundheits- und Wohlfartsrat Socialstyrelsen aufgrund einer Einzellfallprüfung gekommen. In dem besagten Fall hatte eine Mutter von zwei Töchtern bereits zweimal eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen lassen, um das Geschlecht des heranwachsenden Kindes zu bestimmen; beide Male hatte sie Föten mit dem „falschen“ Geschlecht abgetrieben. Die beteiligten ÄrztInnen hatten sich an den Gesundheitsrat gewandt, der auch für die Genehmigung späterer Abtreibungen zuständig ist. Im Urteil des Gremiums heißt es, bis zur 18. Schwangerschaftswoche dürften solche geschlechtsselektiven Abtreibungen nicht verweigert werden. (www.thelocal.se, 12.05.09) (mf)
eCard: Neustart, Abwicklung oder Einführung?
650.000 Unterschriften hat das Bündnis unter Federführung der Freien Ärzteschaft bisher gegen die elektronische Gesundheitskarte gesammelt. Ihre Einführung soll noch in diesem Jahr in der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein beginnen. Die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) hingegen hat die Delegierten des Ärztetages dazu aufgerufen, sich für einen Neuanfang bei der eCard einzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Ärzte nur wenig bis gar nicht für das Projekt zu begeistern ist, deuten die jüngsten Statements von Standesvertretern auf Einverständnis hin. So sprach sich der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe auf dem Ärztetag lediglich gegen weitere Tests mit der eCard aus, bevor die bisherigen nicht ausgewertet worden sind. Möglicherweise hat Hoppe auch deshalb nichts gegen die Karte, weil sie bei der von ihm angeregten „Priorisierung von Gesundheitsleistungen“ gute Dienste leisten könnte. Das jedenfalls scheint sein Kollege Kuno Winn im Sinn zu haben. Der Vorsitzende des Hartmannbundes forderte kürzlich eine „aktive Leistungssteuerung, um die Ausgabenentwicklung im Griff zu behalten“. Dafür müsste es den Krankenkassen erlaubt sein, „versicherten- und patientenbezogen alle Leistungs- und Kostendaten ihrer gesamten Behandlung zusammenzuführen“. Auch wenn dem Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar zufolge der Datenschutz bei der eCard gewährleistet ist - solange weiterhin eine zentrale Speicherung aller Patientendaten projektiert und der Zugriff für Dritte möglich bleibt, sind solche Ideen prinzipiell realisierbar. Zumindest einige Ärzte aus IPPNW und Freier Ärzteschaft kritisieren das Konzept aber auch grundsätzlich. (Ärzte Zeitung, 22.04., 11., 19. und 20.05.09; Unterschriften gegen die eCard unter www.stoppt-die-e-card.de) (uw)
Mediamarkt im Überwachungsrausch
Ein doppelter Skandal dreht sich um DNA-Tests, die den männlichen Mitarbeitern des Mediamarktes in Wolfsburg angedroht wurden. Erstens: Wie in jüngsten Fällen Lidl, die Bahn oder die Telekom kümmerte sich auch der dortige Geschäftsführer nicht um Datenschutzbestimmungen. Er schrieb im Oktober 2008 an die Belegschaft, er habe feststellen müssen „dass es einen Mitarbeiter in unseren Reihen gibt, dem es Spaß zu machen scheint, seine Popel an die Toilettentüren der Herrentoilette zu schmieren.“ Das Management drohte mit fristloser Entlassung, sollte der „Drecksack“ via DNA-Test überführt werden. Zweitens: Das Unternehmen weitete seine Drohgebärden auf die Presse aus. Der Wolfsburger Mediamarkt-Chef drohte der Braunschweiger Zeitung mit Werbestopp, sollte sie über diese geplante Bespitzelungsaktion berichten. Dies hätte laut Braunschweiger Zeitung einem Schaden von circa 300.000 Euro bei einem Anzeigenstopp bis Ende 2009 entsprochen. Sowohl die Drohung mit DNA-Tests als auch der Anzeigenstopp wurden inzwischen von der Konzernleitung des Mediamarktes in Ingolstadt zurückgenommen. Schließlich hatten sich Süddeutsche Zeitung und Spiegel Online für den doppelten Skandal interessiert. (Spiegel Online, 20.04.09; Süddeutsche Zeitung, 20.04.09) (sus)
Qiagen krisenresistent und expansionsfreudig
Während andere Unternehmen um ihre Existenz bangen müssen, schreibt die größte deutsche Biotechfirma Qiagen schwarze Zahlen und steigerte ihren Reingewinn im ersten Quartal um neun Prozent auf über 40 Millionen US-Dollar. Das Wachstum im Bereich der molekularen Diagnostik ist vor allem auf die gestiegene Nachfrage nach Vorsorgetests, genetischen Tests und Tests zum Nachweis von Infektionskrankheiten zurückzuführen. Profitieren könnte das börsennotierte Unternehmen auch von der Schweingrippe (Influenza A/H1N1). Eigenen Angaben zufolge ist Qiagen der weltgrößte Anbieter von Screening-Tests auf Influenza A und bei einem Pandemie-Alarm in der Lage, auf den Bedarf entsprechend zu reagieren. Dank dieser „guten Nachrichten” scheint auch einer weiteren Expansion nichts im Wege zu stehen. Allein für den Hauptsitz im nordrheinwestfälischen Hilden sind über 1300 m² zusätzliche Büro-, Labor- und Produktionsfläche und bis 2010 die Einstellung 500 neuer Mitarbeiter geplant. Eine Ausdehnung der etwas anderen Art wird gleichzeitig in mehreren Schwellen- und Entwicklungsländern vorbereitet. Über die nächsten 5 Jahre sollen insgesamt eine Million HPV-Testkits unentgeltlich abgegeben werden. Durch eine kürzlich in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie soll laut Qiagen gezeigt worden sein, dass die einmalige Testung auf Humane Papillomaviren im Vergleich zum Pap-Abstrich (Zytologie) und zur visuellen Inspektion (VIA) die Anzahl der Fälle von fortgeschrittenem Gebärmutterhalskrebs und hierdurch bedingter Todesfälle in diesen Ländern signifikant reduziert habe. Die Kosten für die werbewirksame Aktion belaufen sich auf 30 Millionen US-Dollar. (Labjournal, 3/2009; Ärzteblatt 17.04.09; SZ Online, 01.04.09; ARD Online, 05.05.09) (tab)
US-Firmen streiten um Patentschutz
Das US-amerikanische Biotechnologieunternehmen Monsanto hat eine Klage gegen seinen Wettbewerber und Vertriebspartner DuPont sowie dessen Tochtergesellschaft Pioneer Hi-Bred eingereicht. Monsanto wirft Pioneer in seiner Klage vor dem Bezirksgericht von St. Louis im US-Bundesstaat Missouri vor, das Patentrecht verletzt zu haben. Pioneer habe patentierte gentechnisch veränderte (gv) Saaten Monsantos für die Entwicklung eigener gv-Pflanzen verwendet. Dabei handelt es sich nach Angaben Monsantos um Sojabohnen und Mais, die gegen das Unkrautvernichtungsmittel RoundupReady des Konzerns resistent sind. Pioneer nutze die RoundupReady-Technologie unrechtmäßig, um Schwierigkeiten mit DuPonts eigenem Produkt Optimum GAT zu vertuschen. Pioneer habe selbst zugegeben, dass Optimum GAT unakzeptable Risiken für die Landwirte mit sich bringe, wenn es ausschließlich verwendet würde, so Monsanto. Demgegenüber zeigte sich der Vizepräsident von DuPont, James C. Borel, enttäuscht, dass Monsanto „Rechtsstreitigkeiten und verunglimpfende öffentliche Statements” einem zivilisierten Gespräch vorgezogen hat. DuPont hat nach seiner Einschätzung das Recht, die beiden Eigenschaften in einer Pflanze zu kombinieren, dies folge aus einer Aufforderung des US-Justizministeriums aus dem Jahr 2008, in dem es um einen ähnlichen Fall ging. (top agrar online, 19.05.09; Frankenberger Zeitung, 06.05.09; www.soyatech.com, 19.05.2009, zitiert nach GENET-news, www.genet-info.org ) (ts)
Akademie des Heiligen Stuhl empfiehlt GVO
Wie nicht anders zu erwarten, endete eine Studienwoche der Akademie der Wissenschaften des Heiligen Stuhl mit der Empfehlung, dass gentechnisch veränderte Organismen lobenswert seien, um das Leben der Armen zu verbessern. Die Akademie der Wisenschaften ist offizielle Institution des Vatikan, ist aber nicht berechtigt die Meinung des Pabstes zu vertreten. Die Studienwoche war im Vorfeld auf das Heftigste kritisiert worden, da sie bekanntermaßen kritische Stimmen zur Gentechnologie ausklammerte. Organisiert wurde sie von dem „Erfinder” des gentechnisch veränderten Goldenen Reis, Ingo Potrykus. (National Catholic Reporter, 26.05.09, zitiert nach Gwwatch, im Netz unter www.gmwatch.eu) (pau)
RTRS: Verantwortungsbewusste Soja?
Die Mitglieder des Roundtable on Responsible Soy (Runder Tisch für verantwortungsbewusste Soja - RTRS) haben sich während ihrer Mitgliederversammlung Ende Mai in Campinas, Brasilien, auf eine vorläufige Liste von Prinzipien und Kriterien für den Anbau, den Handel und die Verarbeitung verantwortungsbewusster Soja geeinigt. Dem Dokument liegen fünf allgemeine Prinzipien zugrunde: Anerkennung von Recht und Gesetz in Verbindung mit Guter Geschäftspraxis, verantwortungsbewusste Abeitsbedingungen, verantwortungsbewusste Beziehungen zu lokalen Gemeinschaften, verantwortungsbewusster Umgang mit der Umwelt und dem Befolgen einer Guten landwirtschaftlichen Praxis. Die Kriterien werden in einem 20 seitigen Begleitdokument detailierter ausgeführt. Herausgehobenen Schutz genießen die besonders geschützte Gebiete (High Conservation Value Areas) nach dem Standard des Forest Stuartship Council FSC. Die Liste der Kriterien ist insofern als vorläufig anzusehen, als dass in zwölf Monaten ihre erneute Überarbeitung geplant ist. Der WWF ist für sein Engagement gerade in den letzten Wochen vor dem Treffen in Campinas auf das Heftigste kritisiert worden. Mehr als 60 internationale Nichtregierungsorganisationen haben sich an einem Offenen Brief beteiligt und den WWF aufgefordert, sich vom Runden Tisch zurückzuziehen. Siehe zum RTRS und der Rolle des WWF auch den Beitrag von Jochen Koester in diesem Heft. (www.responsiblesoy.org, 28.05.09; www.toxicsoy.org; www.panda.org, 28.05.09) (pau)
Deutschland: MON810 verboten!
Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat den gentechnisch veränderten Mais MON810 des US-Gentech-Konzerns Monsanto verboten. Dies gab sie am 14. April dieses Jahres auf einer Pressekonferenz bekannt. „Ich habe heute Morgen veranlasst, dass das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Schutzklausel nach § 20 Abs. 2 Gentechnikgesetz und Artikel 23 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG verhängt”, so die Ministerin auf der Pressekonferenz. Mittlerweile ist Monsanto mit seinem Eilantrag gegen den entsprechenden Bescheid vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gescheitert, so dass die Entscheidung der Mnisterin für diese Anbausaison von Mais bindend ist. In einem laufenden, so genannten Hauptsacheverfahren wird die Rechtmäßigkeit des Bescheides geprüft. Siehe auch den Artikel „Aigner vs. Schavan” von Christof Potthof in diesem Heft. (www.bmelv.de, 14.04.09) (pau)