Großbritannien: Gentests für alle?

Biotech- und Pharmafirmen haben erkannt, dass Gentests neue Einnahmequellen erschließen und der Markt dabei sogar auf gesunde Menschen mit angeblich "belastenden Genen" ausgeweitet werden kann. Hellen Wallace, Gene Watch UK, beschreibt aktuelle Forschungsschwerpunkte der Diagnostikindustrie und die gesellschaftlichen Probleme, die daraus entstehen.

Genforscher haben die Vision, dass sich schon in relativ naher Zukunft gesunde Menschen routinemäßig einer ganzen Reihe von Gentests unterziehen werden, die ihnen, solange sie noch jung und gesund sind, ihr Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes und andere Leiden vorhersagen. Diese Leute könnten dann ihren Lebensstil und ihre Ernährung entsprechend anpassen, vorbeugend Medikamente ausprobieren oder andere Maßnahmen treffen, um ihr Erkrankungsrisiko zu reduzieren" (Forbes.com, 11. November 2003).(1) Bereits im Jahr 2000 hat der frühere Geschäftsführer von GlaxoSmithKline, Sir Richard Sykes, vorausgesagt, dass es in zehn Jahren "symptomatische und präsymptomatische Gentests für eine ganze Reihe von verbreiteten Krankheiten" geben werde und in zwanzig Jahren - zumindest in den entwickelten Ländern - der Schwerpunkt auf "präsymptomatischen Behandlungsformen" liegen werde.(2) Reiche gesunde Menschen sind - besonders, wenn sie ihr ganzes Leben lang mit einer "präventiven Medizin" behandelt werden können - für die Pharmakonzerne ein weitaus lukrativerer Markt als arme kranke. Der gesundheitliche Nutzen eines solchen Ansatzes ist hingegen äußerst fragwürdig.(3)

Die beteiligten Konzerne

In Großbritannien werden bereits einige genetische Tests direkt an die Kunden vertrieben. Vor allem kleine Biotechunternehmen spielen hier die Vorreiter. Eines dieser Unternehmen, Sciona, hatte im letzten Jahr damit begonnen, bei der Kosmetikkette Body Shop Gentests in Verbindung mit entsprechenden Ernährungstipps zu verkaufen. Die Tests wurden von namhaften Wissenschaftlern als "irreführend und unethisch" kritisiert und sind inzwischen aus dem Angebot von Body Shop verschwunden.(4) Die meisten der Einzelhändler in den großen Einkaufsstraßen hatten anschließend erklärt, dass sie diese Tests nicht verkaufen würden.(5) Sciona versucht dagegen weiterhin, die Gentests über so genannte "professionelle Gesundheitsberater" zu vertreiben. Die Firma unterzeichnete außerdem erst kürzlich einen Vertrag über "personalisierte Ernährungstechnologien" mit dem Team FJS, einem der führenden schwedischen Adventure Racing Teams, und war auf einer großen Konferenz in den Niederlanden zu "Nutrigenomics" präsent. Nutrigenomics geht von der Vorstellung aus, die Diät von Menschen sei auf ihr "Genetic Make-up", also ihre genetische Konstitution abzustimmen.(6) In den USA verkauft mindestens eine Firma (NuGenix LLC) Nahrungsergänzungsstoffe, die angeblich auf die Gene ihrer Kunden zugeschnitten sind.(7) Das US-amerikanische Unternehmen Great Smokies Diagnostics Laboratories (GSDL) vertreibt eine Reihe von Gentests namens "Genovations", die unter anderem das individuelle Risiko für Herzkrankheiten, Osteoporose, Asthma und bestimmte Krebsarten voraussagen sollen. In England werden diese Tests von Heilpraktikern und einigen privaten Hausärzten zusammen mit Empfehlungen zur Nahrungsergänzung und für Medikamente angeboten.(8) Weitaus größere Unternehmen stehen bereits in den Startlöchern. Beispielsweise hat ein Lizenzvertrag zwischen der in Island tätigen FIrma DeCode Genetics und der Firma Roche zu einer ganzen Reihe von Meldungen über Gene, die in Zusammenhang mit Fettsucht, Osteoporose und Herzkrankheiten stehen sollen, geführt. Die beiden Unternehmen wollen in zwei bis drei Jahren einen neuen Test für das Risiko, eine Herzattacke zu bekommen, auf den Markt bringen.(9) Zu den Konzernen, die auf der erwähnten Nutrigenomics-Konferenz vertreten waren, gehörten auch Nestlé, DuPont, Roche und Unilever. Diese Unternehmen sind Mitglied des International Life Science Institutes (ILSI), einem von der Lebensmittelindustrie gegründeten Forschungsinstitut, dem kürzlich vorgeworfen wurde, es versuche die Lebensmittelpolitik zu beeinflussen und setze sich gegen eine Kontrolle von Lebensmitteln ein.(10) Das ILSI hat vier Schlüsselthemen ausgemacht – Übergewicht, Lebensmittelbiotechnologie, Functional Foods, und Lebensmittelsicherheit –, für die es "wissenschaftliche Lösungen" finden will.(11)

Alles nur für die Gesundheit?

Lebensmittelkonzerne auf der ganzen Welt investieren inzwischen hunderte Millionen von Dollar in die Entwicklung und Vermarktung von "funktionalen" Lebensmitteln und Getränken – Nahrungsmittel, die mit Zusatzstoffen angereichert sind und angeblich die Gesundheit fördern sollen. Eine Reihe von Unternehmen entwickelt auch genetisch modifizierte, funktionale Lebensmittel, die verbesserte Nährstoffe enthalten sollen. Die beteiligten Firmen deuten an, dass diese Lebensmittel das Risiko für Herzkrankheiten, einige Krebsformen, Osteoporose und Bluthochdruck senken könnten. Viele dieser Produkte werfen neue Fragen bezüglich der Sicherheit von Lebensmitteln auf und könnten zu einigen Verirrungen und Verwirrungen über "gesunde Ernährung" führen.(12) Längerfristig ist davon auszugehen, dass Unternehmen auch "genetisch individualisierte" Lebensmittel (die genetisch modifizierte Lebensmittel einschließen könnten) an Menschen mit bestimmten Gentestergebnissen verkaufen werden, genauso, wie sie bereits jetzt auf dieser Grundlage Ernährungstipps und Nahrungsergänzungsstoffe anbieten.(13) Die Europäische Kommission hat erst kürzlich die European NutriGenomics Organization eingerichtet, die die Forschung auf diesem Gebiet koordinieren soll und die US-amerikanischen Institutes of Health haben ein National Center of Excellence for Nutritional Genomics etabliert.(14) Der dramatische Anstieg an Fettleibigen ist offensichtlich nicht auf eine Zunahme der genetisch bedingten Fettleibigkeit zurückzuführen. Nichtsdestotrotz verkauft schon mindestens eine US-amerikanische Firma genetische Tests, die die genetische Anfälligkeit für Fettsucht feststellen sollen.(15) Anstatt Fast Food und Bewegungsmangel als ursächliche Übel anzugehen, wird dies sehr wahrscheinlich zu einem lebenslangen Verkauf von Pillen an "genetisch Anfällige" führen. Einen weiteren Versuch, die Strategien der öffentlichen Gesundheitsvorsorge zu durchkreuzen, stellt die Haltung der Tabakindustrie und einiger Wissenschaftler dar, die schon seit den 50er Jahren argumentieren, dass möglicherweise ein bestimmtes Gen dafür verantwortlich sei, dass Menschen rauchen oder für Lungenkrebs anfällig sind.(16) Nur einige Jahre nachdem Watson und Crick ihr Essay über die Struktur der Doppelhelix veröffentlichten, legte der englische Statistiker Sir Ronald Fisher, der auch als Berater der Tabakindustrie fungierte, dar, dass "die genetische Veranlagung ein wichtigerer Faktor als das Rauchen" sei, deswegen "dürfe man ruhig rauchen." Die Tabakindustrie investiert weiterhin in solche Forschungsprojekte. Genetische "Risikopersonen" zu identifizieren und ihnen eine auf ihre Gene zugeschnittene Beratung oder Medikamente anzubieten, ist sicherlich eine gute Marketing-Strategie. Abgesehen von sehr wenigen Fällen, sind solche Strategien aber weder gute Wissenschaft noch gut für die Gesundheit. Die Behauptungen, die von Gentestunternehmen über ihre Produkte aufgestellt werden, unterliegen keinen Regularien. Im Unterschied zu verschreibungspflichtigen Medikamenten darf für Gentests auch geworben werden. Die europäische Gesetzgebung, wie beispielsweise die In-Vitro-Diagnostik-Direktive (98/79/EC), enthält keine ausdrückliche Verpflichtung, dass Behauptungen, die über das Krankheitsrisiko einer Person gemacht werden oder Empfehlungen über Produkte, die sie zu sich nehmen sollen, durch eine unabhängige Instanz bewertet werden müssen. In Großbritannien hat die von der Regierung eingesetzte Human Genetics Commission nun empfohlen, eine unabhängige Aufsichtsinstanz für genetische Tests einzurichten – allerdings nur in Form eines freiwilligen "Codes of Practice" der Industrie.(17) Bis jetzt ist auch noch unklar, wie sich die Minister hierzu verhalten werden und ob diese Empfehlung umgesetzt wird.

Genetische Diskriminierung

Ohne Regulierung werden Gentests zu irreführenden Krankheitsvorhersagen führen, zu unnötigen medikamentösen Behandlungen und zur Ausblendung der sozioökonomischen und ökologischen Ursachen von Krankheit. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass Gen-Tests zukünftig dazu benutzt werden könnten, Arbeitnehmer, die angeblich "genetisch anfällig" sind, von Beruf, Rente oder Versicherungen auszuschließen, anstatt entsprechende Arbeitsschutzvorkehrungen für sie zu treffen.(18) Zahlreiche Chemie-Konzerne sind daran interessiert, "genetisch anfällige" Personen, für die eine Arbeit mit schädlichen Chemikalien bedenklich ist, zu identifizieren. Zu ihnen gehören auch Syngenta, einer der größten Hersteller von Agro-Chemikalien, sowie andere Mitglieder des Europäischen Zentrums für Ökotoxikologie und Toxikologie von Chemikalien (ECETOC). Die Firma British Nuclear Fuels, die den berüchtigten Atomkomplex Sellafield in Großbritannien betreibt, finanziert Forschungsprojekte zur genetisch bedingten Anfälligkeit für radioaktive Strahlung. Und das Nuklearwaffen-Labor im US-amerikanischen Los Alamos hat ein Gen-Test-Programm für Arbeiter geplant, die bei der Arbeit in der Waffenschmiede dem chemischen Giftstoff Beryllium ausgesetzt sind.(19) Bisher gibt es kein EU-Gesetz, das die genetische Diskriminierung am Arbeitsplatz verhindert, wobei einzelne Länder immerhin eigene Gesetze erlassen haben.(20) Vierzehn Länder, einschließlich Großbritannien und Deutschland, haben bisher das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates, das die Diskriminierung von Menschen auf Grund ihres genetischen Erbes untersagt, nicht unterzeichnet.(21)

Gen-Patente und Zivilrecht

Firmen, Forschungsinstitute oder Gesundheitseinrichtungen, die Gentests anbieten, bewahren manchmal DNA-Proben auf, um genetische Datenbanken oder Biobanken aufzubauen (wobei die genetischen Daten auch mit persönlichen Angaben über den Lebensstil der Betreffenden verknüpft sind). Datenschutz ist somit ein wichtiger Aspekt – aber nur einer unter vielen.(22) Einige Testlabore holen sich die Einwilligung von Kunden, deren DNA-Proben sie für "medizinische" Forschungszwecke verwenden. Viele Menschen werden sich aber nicht bewusst sein, dass dies bedeutet, dass ihre DNA patentiert werden und an andere Firmen weiter verkauft werden kann. Dabei halten viele Menschen die Patentierung von Genen moralisch für verwerflich. Darüber hinaus können Patente dazu führen, dass Forschung und Innovationen durch die exzessive Bildung von Monopolen auf neue Tests und Behandlungen behindert werden. Die meisten Patente auf DNA-Sequenzen werden im Bereich der genetischen "Diagnostik" vergeben, also für die Entwicklung von Gentests, die angeblich das zukünftige Erkrankungsrisiko voraussagen. Obwohl es sich bei Verbindungen zwischen einem Gen und einer Krankheit eigentlich um eine Entdeckung handelt (und behauptete Verbindungen sich oft als falsch erweisen), ist es nach der europäischen Patentrichtlinie erlaubt, solche Verbindungen als eine Erfindung anzumelden.(23) Diese Art von Patenten ist besonders strittig, da sie einer Firma die Rechte über alle zukünftigen Verwendungszwecke eines Gens, gewöhnlich für die Dauer von zwanzig Jahren, zugestehen. In Großbritannien erlaubt die gegenwärtige Gesetzgebung der Polizei, die Gerichte um Zugang zu Gesundheits-Datenbanken zu ersuchen, soweit es sich um eine Angelegenheit "von öffentlichem Interesse handelt". Dadurch besteht die ernst zu nehmende Gefahr, dass private oder öffentliche Gentest-Datenbanken von der Gerichtsmedizin als eine Ressource angesehen werden, um Personen zu identifizieren, auch wenn diese in zunehmendem Maße nur mit unbedeutenden Vergehen in Verbindung gebracht werden. Der politische Druck, Zugang zu den Daten zu gewähren, könnte in Zeiten von Terrorismus oder Krieg zusätzlich steigen, und sich möglicherweise negativ auf die Bürgerrechte auswirken.

Schlussfolgerungen

Die Forcierung von genetischen "Vorhersagen und Vorsorgemaßnahmen" für Krankheiten, die eigentlich hauptsächlich durch Armut, Tabakkonsum, Umweltverschmutzung und ungesunde Ernährung verursacht werden, dient den Geschäftsinteressen von großen Teilen der Industrie. Eine breite Anwendung von Gentests dieser Art schadet der Gesundheit mehr als dass sie nützt. Die medizinische Forschung wird in zunehmendem Maße von den Interessen privater Firmen geleitet und nicht von öffentlichen Interessen. Wir brauchen deshalb dringend eine gesetzliche Regelung von Gentests: Gesetze, die genetische Diskriminierung verhindern und den Schutz unserer persönlichen Daten sowie eine öffentliche, demokratische Einflussnahme auf die Gesundheitspolitik unserer Regierungen garantieren.

Fußnoten:

  1. Langreth, R.: DeCode Discovers Osteoporosis Gene, Forbes.com, 3.11.2003. www.forbes.com/2003/11/03/cz_rl_1103decode_print. html.
  2. Sykes, R. (2000): New Medicines, the Practice of Medicine and Public Policy, A Nuffield Trust Publication, The Stationary Office, London, 202ff.
  3. Baird P.: The Human Genome Project, genetics and health. Community Genetics 2001; 4: 77-80.
  4. Meek, J. (2002): Public ‘Misled by Gene Test Hype’. The Guardian, 12.3.2002. Available on www.guardian.co.uk; Cookson, C (2002): Company to Stop Direct Selling of Genetic Tests, Financial Times, 9.7.2002.
  5. Meek, J (2002): High Street Shops Ban Sale of Gene Tests, The Guardian, 7.6.2002; Hiscott, G (2002), High Street Stores Snub Gene Test Service, PA News, 7.6.2002.
  6. The second International Nutrigenomics Conference, 6.-7.11.2003, Amsterdam. www.bastiaanse-communication.com/9/9.html.
  7. "At-Home DNA Tests Are Here, But Doctors Aren’t Celebrating”, The Wall Street Journal, 25.6.2002.
  8. "Diagnostic Tests in Clinical Practice” by Sue Glennie Dip.ION, N.D., 22.6.2002, On behalf of Health Interlink Ltd.; www.genovations.gsdl.com; Vines, G. (2002): I See a Long Life and a Healthy One…, New Scientist, 23.11.2002; Barnett, A. (2003): New Gene ‘Horoscope’ Predicts Our Life and Death, The Observer, 19.1.2003; www.nutri.co.uk; Jacobs, RH (2003). Predictive Genomics: The Latest Medical Advance from the Human Genome project, Kindred Spirit Magazine. 6/8 2003; http://www.genewatch.org/HumanGen/Tests/Tests_Lea….
  9. DeCODE, Roche plan gene test for heart attack risk. Reuters. 17.10.2003. www.forbes.com.
  10. Boseley, S. (2003): WHO ‘Infiltrated By Food Industry’, The Guardian, 9.1.2003.
  11. http://www.ilsi.org/about .
  12. The Food Commission and GeneWatch UK (2000), Biotech – the Next Generation: Good for Whose Health?, April 2000. Erhältlich bei www.genewatch.org oder www.foodcomm.org.uk.
  13. Grierson, B. (2003): Eat Right for Your Genotype. The Guardian, 15.5.2003; Nutrition and Genes: Science, Society and the Supermarket: The Opportunities and Challenges of the New Science of Nutritional Genomics. Consultation Document. University of Toronto Joint Centre for Bioethics. November 2003. www.utoronto.ca/jcb.
  14. Check, E. (2003): Consumers Warned that Time is Not Yet Ripe for Nutrition Profiling. Nature. Vol 426, S.107. 13.11.2003; http://www. nugo.org/public/asp/default_classic.asp?key=everyone&layout=1&nodeid=2002.
  15. http://www.bankdna.com/breakthrough_genetic_profi….
  16. Procter, R.N. (1995): The Cancer Wars, BasicBooks (Harper Collins). ISBN:0-465-02756-3.
  17. www.hgc.gov.uk/genesdirect.
  18. http://www.hazards.org/genescreen.
  19. Staley, K. (2003): Genetic Testing in the Workplace. A Report by GeneWatch UK. www.genewatch.org.
  20. European Group on Ethics in Science and New Technologies (2003): Ethical Aspects of Genetic Testing in the Workplace, 28.7.2003, http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/a….
  21. http://conventions.coe.int/Treaty/EN/WhatYouWant…? NT=164&CM=1&DF=.
  22. http://www.opendemocracy.net/debates/debate.jsp?d….
  23. Nuffield Council on Bioethics (2002): The Ethics of Patenting DNA: A Discussion Paper, Juli 2002.
Erschienen in
GID-Ausgabe
161
vom Dezember 2003
Seite 9 - 12

Helen Wallace ist Geschäftsführerin von GeneWatch UK; die gemeinnützige und regierungsunabhängige Organisation aus Großbritannien setzt sich unter anderem dafür ein, dass genetische Forschungen und Technologien den Interessen der Allgemeinheit dienen.

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White Paper on Genetics

"I believe that no other health care system in the world is better placed to harness the potential of genetic advances than the National Health Service.” Dieses Glaubensbekenntnis legte der britische Gesundheitsminister Dr. John Reid anlässlich der Veröffentlichung des "White Paper on Genetics” am 24. Juni diesen Jahres ab. Dieses hat den Status eines Regierungsprogramms und soll es ermöglichen, alle aus der Forschung in der Humangenetik entstehenden "Vorteile" in den National Health Service (NHS), also das staatliche Gesundheitssystem, einfließen zu lassen. Zu dem auf drei Jahre angelegten Programm gehört eine Anschubfinanzierung in Höhe von 50 Millionen Pfund. Diese Summe soll helfen, die Zielsetzung des "White Paper on Genetics", das unter anderem die Vorbereitung zur kompletten gendiagnostischen Überwachung eines Menschenlebens beinhaltet, umzusetzen. Die Überwachung der Individuen soll danach bereits vor der Geburt beginnen und erst im hohen Alter enden. Am Beginn dieser Entwicklung steht die Ausweitung der pränatalen Diagnostik. So sollen etwa bis zum Jahr 2005 alle schwangeren Frauen ihr Kind auf Trisomie 21 testen lassen können. Am Ende steht die Vision, durch Screening das genetische Profil mit allen individuellen Risiken gleich nach der Geburt eines Kindes erstellen zu können. Außerdem sollen Gentest Programme für einige monogenetische Erkrankungen gefördert werden. Derzeit sind keine adäquaten gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen, um die Patienten vor dem Missbrauch ihrer Gentest-Daten etwa durch Arbeitgeber und Versicherungen zu schützen.
Jörg Berning
(Eine ausführliche Linksammlung zur rechtlichen Situation von Gentests in Großbritannien ist beim GeN erhältlich).