Gv-Reis in Europa - eine Bedrohung für Indien

Das Unternehmen Bayer CropScience hat in Europa eine Import-Genehmigung für gentechnisch veränderten Reis beantragt. Ein Anbau ist in Europa (vorerst?) nicht geplant, wachsen soll der Reis in Asien. Dort sind vor tausenden von Jahren die ersten Reissorten kultiviert worden und dort ist auch heute noch die größte Reis-Artenvielfalt zu finden, was diese Region besonders schützenswert gegen mögliche Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Reissorten macht. Bisher ist über den Antrag noch nicht entschieden.

Sollte Bayer CropScience Ltd. (1) die Zulassung für den Import von gentechnisch verändertem herbizidresistenten Reis (LLRice62) als Nahrungs- und Futtermittel in die Europäische Union (EU) erhalten, so hätte dies nicht nur Konsequenzen für die EU, sondern für die Gesamtheit der Reisanbau-Regionen weltweit. Bemerkenswert ist, dass sich der Antrag von Bayer nur auf den Import und die Verarbeitung von gentechnisch verändertem Reis in der EU bezieht. Bayer hat nicht versucht, die Genehmigung für den Anbau in der EU zu erhalten. Das Unternehmen hat daran kein Interesse, obwohl Reis in fünf EU-Mitgliedstaaten kultiviert wird: in Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Frankreich. Daraus folgt, dass der Reis, für den Bayer die Import-Zulassung beantragt hat, in so genannten Entwicklungsländern wie zum Beispiel Indien angebaut werden müsste. Unsere Initiative "Gene Campaign" legt Wert darauf, zu betonen, dass Indien eines der Ursprungsländer von Reis ist und eine große Artenvielfalt an Reis besitzt, besonders in den Regionen Orissa, Jharkhand und Chattisghar. Als Ursprungsregion (Center of Origin) wird eine Region bezeichnet, in welcher eine bestimmte Kulturpflanze vor einigen tausend Jahren entstand, als die einheimische Bevölkerung aus wilden Pflanzen, die in den Wäldern zu finden waren, essbare Sorten züchtete. Die Wildarten und auch die größte Anzahl an Nutzpflanzensorten sind in der Regel in den jeweiligen Ursprungsregionen anzutreffen.

Gefahr für die genetische Vielfalt

Ursprungsgebiete werden – was den Anbau von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen betrifft - als besonders gefährdete Regionen betrachtet. Die Kontamination des natürlichen Genpools durch die fremden, in den gv-Sorten enthaltenen Gene könnte katastrophale Folgen haben. Die genetische Vielfalt, die ihrerseits auf der Artenvielfalt bereits kultivierter Sorten und ihrer natürlichen Verwandten aufbaut, ist entscheidend für das langfristige Überleben jeder Pflanze. Wenn irgendwo eine Pflanzenart gefährdet ist, sei es aufgrund einer Krankheit, die sie nicht bewältigen kann, sei es weil der Boden zu feucht oder zu basisch (2) (geworden) ist, so müssen WissenschaftlerInnen für diese Region eine neue Sorte züchten. Sie tun dies, indem sie in den verwandten Sorten (und dem natürlichen Genpool) nach geeigneten Eigenschaften suchen. Die Resistenz gegen zwei der häufigsten vier Reiskrankheiten stammt zum Beispiel von einer einzigen Landsorte, Oryza nivara, die in den zentralen Regionen Indiens wächst. Deshalb ist es wichtig, die genetische Vielfalt zu schützen. Wenn gentechnisch veränderter Reis den Reis-Genpool schädigt, indem bestimmte Gene außer Kraft gesetzt werden oder die Funktionsweise anderer Gene verändert wird, hätte dies furchtbare Auswirkungen auf die Nahrungssicherheit in den Reisanbaugebieten der Welt.

Stagnierende Reisproduktion

Für Gene Campaign ist gv-Reis in Indien ein besonders heikles Thema. Gerade hier muss das Vorsorgeprinzip angewandt werden, da die gentechnische Kontamination von Reis schwerwiegende Konsequenzen sowohl für die Bauern als auch im Hinblick auf die Nahrungssicherheit zur Folge hätte. Man weiss nur wenig über die Langzeitwirkungen von Fremdgenen in Kulturpflanzen im allgemeinen und fast gar nichts über ihre Langzeitwirkungen bei Reis. In Indien werden keinerlei Studien durchgeführt, um das Ausmaß des Genflusses bei Reis zu bestimmen. Dies wäre jedoch nötig, um abschätzen zu können, welche Folgen die Auskreuzung von Fremdgenen aus gv-Reis in die von den Bauern verwendeten Reissorten oder deren natürlichen Verwandten haben könnte. Es wäre äußerst leichtsinnig, bei einer Pflanze, die die Hälfte der Weltbevölkerung ernährt, ein Risiko einzugehen. Die Bedrohung durch gentechnische Kontamination mit Fremdgenen hat der jetzt schon stagnierenden Reisproduktion gerade noch gefehlt.

Anlass zur Sorge

Die Initiative Gene Campaign fordert ein Moratorium für den Anbau von gv-Kulturpflanzen in den Ländern ihres Ursprungs. Wir befürchten, dass Bäuerinnen und Bauern in Indien in Versuchung geraten könnten, gv-Reis für den EU-Markt anzubauen. Bayer ist bereit, das Grundnahrungsmittel der dort lebenden Menschen aufs Spiel zu setzen, um den Konsum im Westen weiter aufrechtzuerhalten, der jede Nachhaltigkeit vermissen lässt. Der Antrag von Bayer bietet auch aus anderen Gründen Anlass zur Sorge: So zum Beispiel, dass in Ländern wie Indien, in denen Reis angebaut wird, gesetzliche Regelungen für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) entweder völlig fehlen oder nur in Ansätzen vorhanden sind. WissenschaftlerInnen, die die Biotechnologie voranbringen wollen, und die Agro-Biotech-Industrie argumentieren, dass Reis eine selbstbestäubende Pflanze sei und daher keine fremden Pollen und Gene aufnehmen würde. Dies ist schlicht und einfach nicht zutreffend. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei Reis auch Fremdbestäubung vorkommt. Vor kurzem in China und Lateinamerika durchgeführte Studien bestätigen den Gentransfer zwischen gv-Reis und anderen Reissorten und zwar in einem geradezu besorgniserregenden Ausmaß. Die Untersuchungen ergaben, dass das Gen für die Herbizidtoleranz in Wildsorten auskreuzen kann und dadurch neue, schwer zu kontrollierende Unkräuter entstehen. Es gibt andere Studien, die nachweisen, dass die Einführung fremder Gene in der gentechnisch veränderten Pflanze ein Phänomen namens “gene silencing” hervorrufen kann. Dabei werden bestimmte Gene innerhalb der Pflanze außer Kraft gesetzt, sie verlieren dann die Funktion, die sie normalerweise ausüben. Gene silencing könnte schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn es sich – durch die Sorglosigkeit von Wissenschaftlern – auf den natürlichen Genpool ausdehnen würde.

Kontamination in Mexiko

Auch ein anderer Vorfall im Zusammenhang mit der Kontamination von Mais sollte uns in Bezug auf Ursprungsländer zu denken geben: Sei es über die internationalen Handelswege, sei es durch Personenverkehr, Gv-Mais gelangte nach Mexiko und kontaminierte dort den natürlichen Mais-Genpool. In Mexiko, einem Ursprungsland von Mais, war der Anbau von gv-Mais seit 1998 verboten. Trotzdem konnte der gv-Mais bis dorthin gelangen und sich mit mexikanischen Maissorten vermischen. Es wird angenommen, dass die Kontamination auf zwei Wegen vonstatten ging: zum einen durch US-amerikanische Maisexporte nach Mexiko und zum anderen durch Mexikaner, die US-amerikanische Maiskörner für die Aussaat mitbrachten. Die Tatsache der Mais-Kontamination hat große Besorgnis ausgelöst, da Mais in Mexiko nicht nur ein Grundnahrungsmittel ist, sondern für die lokale Bevölkerung auch in kulturellen Zusammenhängen einen zentralen Platz einnimmt, entsprechend der Rolle von Reis in Indien. Mexiko hat strenge Maßnahmen ergriffen, nachdem die Kontamination entdeckt wurde und sogar die Forschung mit gv-Mais verboten, um mögliche Ursachen einer Kontamination auszusschließen. Es erweist sich jedoch als schwierig, diese Situation aufrechtzuhalten, da Maisexporte nach Mexiko aufgrund US-amerikanischen Drucks nicht gestoppt werden. Die EU hat die moralische Verpflichtung, die Sicherheit dieser neuen gv-Pflanze auf‘s sorgfältigste zu untersuchen. Ebenso muss die EU abschätzen, welche sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen eine Importzulassung auf die so genannten Entwicklungsländer haben könnte, bevor diese Genehmigung erteilt wird.

Pharma-Reis in USA

Es gibt noch eine andere besorgniserregende Entwicklung: Das US-amerikanische Unternehmen Ventria Bioscience hat eine Genehmigung für den kommerziellen Anbau von zwei Reissorten beantragt, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie ein Medikament gegen Durchfall produzieren (siehe dazu auch den Artikel von Sabine Faaß in diesem Heft). Es ist geplant, diese Bestandteile aus dem gv-Reis zu gewinnen, da dieses Verfahren wesentlich kostengünstiger ist, als eine Fabrik zu betreiben. Die Frage ist: kostengünstiger für wen? Der gv-Reis Ventrias stellt eine echte Bedrohung für die Reisanbaueregionen dar. Pflanzen, die in einer Region gewachsen sind, können – wie sich schon in der Vergangenheit gezeigt hat – leicht in andere Regionen gelangen. Der US-amerikanische Starlink-Mais, eine Maissorte, die ein Bt-Gen enthält, wurde nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen, da ein erhöhtes allergieauslösendes Potential vermutet wurde. Starlink wurde vom US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium als Futtermittel zugelassen. Es war wenig überraschend, dass wenig später selbst in Japan Bestandteile von Starlink in Lebensmitteln entdeckt wurden. Die Ursachen hierfür sind einleuchtend und gerade deshalb so besorgniserregend. Es ist äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, in der Praxis zwei Sorten desselben Produkts auseinanderzuhalten. In der Theorie kann man ausgefeilte Pläne entwickeln – was Ventria zweifellos getan hat. Trotzdem ist es höchst wahrscheinlich, dass eine Vermischung stattfindet, da die Bedingungen im Freiland – auf einer Fläche von Hunderten von Hektar - eben nicht denjenigen eines kontrollierten Laborversuchs entsprechen. Die Kontamination einer Pflanzensorte durch eine andere findet so gut wie sicher statt. Und wenn es möglich ist, dass US-amerikanischer Mais plötzlich in Japan auftaucht – wie könnte verhindert werden, dass US-amerikanischer Reis in Indien auftaucht? Hinzu kommt noch, dass Kalifornien in großem Stile Reis exportiert.

Unvorhersehbare Konsequenzen

Im Falle des Ventria-Reis wird durch die US-amerikanischen Reisexporte (die USA sind der zweitgrößte Reisexporteur der Welt und Kalifornien ist die Hauptreisanbau-Region innerhalb der USA) garantiert, dass er in andere Länder gebracht wird. Ein Kontaminationsszenario, vergleichbar dem des mexikanischen Mais, wäre in den Reisanbau-Ländern und den Ursprungsländern von Reis mit großer Sicherheit zu erwarten und hätte unvorhersehbare Konsequenzen. Letztendlich könnte der Pharma-Reis in der Nahrungsmittelkette landen und die Menschen würden Reis zu sich nehmen, der Medikamente gegen Durchfall enthält. Reis ist das Grundnahrungsmittel für über die Hälfte der Weltbevölkerung. Allein in Asien stellt Reis für ungefähr zwei Milliarden Menschen die Hauptnahrungsquelle dar. In Anerkennung der zentralen Rolle von Reis für die Nahrungssicherheit weltweit haben die Vereinten Nationen das Jahr 2004 zum Internationalen Reis-Jahr erklärt (siehe den Artikel von Karsten Wolff in diesem Heft). Dies bedeutet, sich auf die Bedrohungen zu konzentrieren, denen sich der Reisanbau weltweit gegenübersieht und eine Strategie zu entwickeln, die sicherstellt, dass die Reisproduktion ausreicht, um eine wachsende Weltbevölkerung damit zu versorgen. Die Kontamination des natürlichen Reis-Genpools durch Gentechnik stellt ein ernstzunehmendes Problem dar. Nur die Gene, die in Ursprungsländern - wie Indien - zu finden sind, ermöglichen den Fortbestand des Reisanbaus auch unter schwierigen Umweltbedingungen. Wenn diese genetischen Ressourcen verlorengehen oder stillgelegt sind, könnte die Zukunft des Reisanbaus in Gefahr sein.

Das Argument mit dem Hunger...

Reis ist auch deshalb ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt, da man aufgrund der nachlassenden Produktivität und der Bevölkerungszunahme in einigen Teilen der Welt befürchtet, dass zuwenig Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund wird die Lösung dieser Problematik in gentechnisch verändertem Reis gesucht und öffentliche wie auch privatwirtschaftliche Forschungsinstitiute in Indien und anderswo haben Projekte gestartet, um gv-Reis mit verschiedenen Eigenschaften zu produzieren. Der Goldene Reis ist wohl das prominenteste Beispiel, außerdem gibt es Versuche, eine Resistenz gegen Pilzkrankheiten zu erzeugen. Forscher arbeiten daran, herbizidresistente Reissorten zu entwickeln und Mahyco, das Unternehmen, von dem die Bt-Baumwolle stammt, arbeitet zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen daran, einen Bt-Reis zu enwickeln. Innerhalb anderer Reisprojekte wird versucht, die Qualität der Reisstärke zu verändern und beunruhigenderweise gibt es auch ein privates Unternehmen, das Reis produziert, welcher das Bt cry9C-Gen enthält, das Gen, welches auch im Starlink-Mais enthalten war und welches aufgrund seiner potentiell allergieauslösenden Eigenschaften von der USDA nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen worden war! Die Vereinten Nationen müssen gegen den US-amerikanischen Reis, der Medikamente gegen Durchfall enthält, protestieren, da dieser alle ihre Anstrengungen, die Zukunft von Reis zu sichern, in Frage stellt. Sie müssen darauf aufmerksam machen, dass eine solche Entwicklung eine potentielle Bedrohung für die Reisanbauregionen und die globale Nahrungssicherheit darstellt. Indien und andere Länder aus dem asiatischen Raum müssen innerhalb dieses Protests eine führende Rolle einnehmen. Es darf nicht zugelassen werden, dass durch die wirtschaftlichen Interessen der USA – nämlich billigere Medikamente herzustellen – die Nahrungssicherheit der Hälfte der Weltbevölkerung gefährdet wird.
Übersetzung: Theresia Scheierling

Fußnote:

  1. Bayer CropScience-Tochter in Großbritannien
Erschienen in
GID-Ausgabe
166
vom Oktober 2004
Seite 3 - 6

Die habilitierte Genetikerin Suman Sahai ist Direktorin der indischen Nichtregierungsorganisation GeneCampaign.

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LLrice62

Bayer Crop Science, der größte Anbieter gentechnisch veränderten Saatguts in Europa, hat im August 2003 in England einen Antrag auf Import-Genehmigung für den den gentechnisch veränderten Reis LLrice62 in die EU eingereicht. In dem Antrag geht es um die Verwendung von LLrice62 als Lebens- und Futtermittel sowie seine industrielle Verarbeitung. LLrice62 ist resistent gegen das – ebenfalls von Bayer stammende – Breitbandherbizid Glufosinat. Ein Gen aus dem Bodenbakterium Streptomyces hygroscopicus wurde in das Reisgenom eingebaut, es sorgt für die Produktion des Enzyms Phosphinothricin-Acetyl-Transferase (PAT), welches das Glufosinat inaktiv macht. Landwirte, die den LL-Reis anbauen, können also das Herbizid auch noch nach Aufwuchs der Reispflanzen einsetzen, ohne um ihre Ernte fürchten zu müssen. Erfahrungen mit anderen herbizidresistenten Sorten haben jedoch gezeigt, dass der langfristige Einsatz von Glufosinat zur Entwicklung von so genannten ”Superunkräutern” führt, weshalb in der Folge immer größere Mengen immer stärkeren Giftes eingesetzt werden. Das LL-Reis-Saatgut sowie das Glufosinat sind patentgeschützt, das heißt, die Landwirte müssen das Saatgut jedes Jahr neu kaufen und dürfen nicht – wie gewohnt - ihre Ernte als Saatgut verwenden. Im Frühjahr 2004 haben 9 von 15 EU-Staaten Bedenken gegen den Antrag angemeldet, die Zulassung wurde daraufhin ausgesetzt. In einem gemeinsamen Schreiben haben sich Mitte September 2004 die Umweltverbände Friends of the Earth Europe (http://www.foeeurope.org), die Coordination gegen BAYER-Gefahren (http://www.CBGnetwork.de) und Gene Campaign (http://www.genecampaign.org) gegen eine Import-Zulassung von gentechnisch verändertem Reis ausgesprochen. In ihrem an die 25 EU-Mitgliedsländer gerichteten Brief äußern sie ihre Bedenken vor allem in Hinblick auf die Konsequenzen, die eine Zulassung innerhalb der EU für die Reisanbauregionen weltweit – besonders für die sich entwickelnden Länder – hätte. Sie befürchten, dass das “weltweit wichtigste Nahrungsmittel in die Hände multinationaler Unternehmen fällt” und die Nahrungssicherheit weltweit gefährdet wird. Die endgültige Entscheidung der EU-Kommission ist nicht vor Anfang 2005 zu erwarten. (ts)

Quellen:

PM Friends of the Earth Europe, Coordination gegen BAYER-Gefahren, Gene Campaign; 16.9.2004 http://gmoinfo.jrc.it/gmc_browse.asp (Summary notification/ Assessment report)