Kommentar: Erleichterte Vaterschaftsklärung auf holprigem Weg

Am Gesetzentwurf der Bundesregierung muss noch nachgebessert werden

Mit einem neuen Gesetzentwurf soll die Klärung der Frage, von wem ein Kind abstammt, deutlich erleichtert werden. Dieses Anliegen der Bundesregierung wird einhellig begrüßt. Doch die geplanten Regelungen haben auch deutliche Schwachstellen.

Die Ungewissheit über die Vaterschaft hat die Menschen von jeher bewegt. Schon die Römer wuss-ten: Mater semper certa est – die Mutter ist immer gewiss. Aber während die Männer im alten Rom sich mit der Unsicherheit der Vaterschaft noch abfinden mussten, hat die technische Entwicklung Vätern von heute, die über ihre biologische Vaterschaft im Zweifel sind, ganz andere Möglichkeiten an die Hand gegeben. Das Geschäft mit den privaten Vaterschaftstests boomt. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge werden pro Jahr 15.000 – 50.000 Tests vorgenommen. Genaue Zahlen existieren nicht, da es keine offizielle Registrierung der Tests gibt. Die rasante Entwicklung im Bereich der Labors für Gen-Analysen, von denen einige Vaterschaftstests heute schon für 200 bis 300 Euro anbieten, scheint die Hemmschwellen zweifelnder Väter gesenkt zu haben. Mit aggressiven Werbeslogans à la „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, platziert in der U-Bahn genauso wie in Herrentoiletten, wurde das Geschäft mit dem Zweifel geschickt vermarktet. Auch die Medien wussten im Stillen nagende väterliche Zweifel zu vergolden – und setzten dem ganzen durch TV-Shows mit „Live-Vaterschaftstests“ die Krone auf. Die Ankündigung von Justizministerin Brigitte Zypries im Januar 2005 – zu diesem Zeitpunkt war sie noch Minis-terin in der rot-grünen Bundesregierung – heimliche Vaterschaftstests im Gendiagnostikgesetz ausdrücklich verbieten zu wollen, löste seinerzeit eine gesellschaftliche Debatte aus, die an Irrationalität kaum zu überbieten war. Manche Journalisten und Väterverbände schienen einen feministischen Staatsstreich zur weiteren Entrechtung des Mannes zu wittern. Viele nahmen das Verbot heimlicher Vaterschaftstests als Parteinahme im Streit der Geschlechter um den Umgang mit Seitensprüngen wahr. Dabei pflegt der allergrößte Teil der Väter wohl zu Unrecht sein Misstrauen: So gibt es neuere Untersuchungen, wonach in über 80Prozent der Tests die biologische Vaterschaft bestätigt wird.

Gendiagnostik-Gesetz: mehr als überfällig

Aus grüner Sicht ist das Verbot heimlicher Gentests in einem Gendiagnostik-Gesetz überfällig. Leider ist jedoch trotz der Ankündigung der Ministerin bis heute nichts geschehen. Im vergangenen Jahr haben die Grünen einen eigenen Gendiagnostik-Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem unter anderem ein Diskriminierungsverbot, die Qualitätssicherung sowie ein grundsätzliches Verbot heimlicher Vaterschaftstests vorgesehen ist. Sie dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn die Zustimmung der Personen vorliegt, von denen Proben entnommen und untersucht werden. Für das Kind müssen die Sorgeberechtigten zustimmen. Untersucht ein Labor einen Test ohne diese Einwilligung, machen die Verantwortlichen sich strafbar. Ich möchte betonen: Es geht überhaupt nicht darum, Vaterschaftstests zu verbieten. Grundsätzlich haben Väter ein berechtigtes und verständliches Interesse zu erfahren, ob sie der leibliche Vater eines Kindes sind oder nicht. Solange sie für eine Abstammungsuntersuchung die Zustimmung der Sorgeberechtigten des Kindes – im Falle minderjähriger Kinder in der Regel also auch von der Mutter – einholen, steht einer Klärung auch nichts im Wege. Problematisch wird es, wenn Tests ohne die Einwilligung des Kindes oder der sorgeberechtigten Mutter vorgenommen werden, in aller Heimlichkeit. Mit einem heimlichen Vaterschaftstest wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Kindes verletzt – dies wurde auch in übereinstimmenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und, im Februar 2007, des Bundesverfassungsgerichts klargestellt. Dem kann das Recht des Vaters, Kenntnis über seine biologische Vaterschaft zu erlangen, nicht vorangestellt werden. Es gibt noch einen weiteren guten Grund, warum ein heimlicher Vaterschaftstest bei Zivilprozessen nicht verwertet werden sollte - auch nicht als Grundlage eines Anfangsverdachts. Denn heimlich eingeholte Tests bieten keine wirkliche Sicherheit, ob zum Beispiel wirklich die Haare des Kindes oder einer anderen Person eingeschickt wurden. Auch ist die Qualität der Tests nicht immer gewährleistet – denn bisher gibt es für die Labors nur „selbstauferlegte“ Qualitätsansprüche.

Vaterschaftsanfechtung erleichtern ja, heimliche Gentests nein

Bei seiner Entscheidung, dass heimliche Gentests bei einer Vaterschaftsanfechtung nicht verwendet werden dürfen, hat uns das Bundesverfassungsgericht aber eine Hausaufgabe mitgegeben: Den rechtlichen Vätern ein gegenüber dem jetzigen Recht einfacheres gerichtliches Verfahren zur Klärung der biologischen Vaterschaft anzubieten. Anders als bisher soll ein zweifelnder Vater eine legale Möglichkeit haben, sich Gewissheit über seine Vaterschaft zu verschaffen, ohne sich gleich in ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren begeben zu müssen, in dem er sich von seiner rechtlichen Vaterschaft lossagen muss. Wenn also die eindeutig sinnvollste – und von Erwachsenen erwartbare – Vorgehensweise, ein offenes Gespräch mit der Mutter zu führen, scheitert und sie nicht in einen Vaterschaftstest einwilligt, dann soll es künftig ein Verfahren geben, im dem das Gericht das Einverständnis der Mutter ersetzt. Auch die rot-grüne Bundesregierung hatte diese Idee bereits verfolgt. Denn Gesellschaft und Familie haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. In Reaktion auf diese Veränderungen haben wir unter Rot-Grün auch den Begriff der sozial-familiären Beziehung ins BGB aufgenommen und der sozialen Vaterschaft damit eine hervorgehobene Stellung eingeräumt. Wollen wir dies ernst nehmen, so müssen wir zweifelnden Vätern die Möglichkeit geben, sich Gewissheit zu verschaffen und sich trotzdem zu ihrem Kind zu bekennen. Dieses Ziel hat sich im Laufe der Debatten auch als gesellschaftlicher Konsens herausgestellt. Die Grünen unterstützen daher grundsätzlich das Ziel, das der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren anstrebt. Ihm zufolge erhalten rechtlicher Vater, Mutter und Kind einen rechtlichen Anspruch auf Einwilligung zu einer Abstammungsuntersuchung. Der mutmaßliche biologische Vater wird hingegen auf das Anfechtungsverfahren verwiesen. Das ist sinnvoll. Einzelne in dem Entwurf enthaltene Regelungsvorschläge sind jedoch sehr kritisch zu sehen. Das Gesetz führt in der vorliegenden Form nicht zu mehr Sicherheit im Umgang mit den genetischen Daten und kann außerdem einmal gesetztes Vertrauen in die rechtliche Vaterschaft zerstören. Unter diesen Umständen könnten die Grünen dem Gesetz nicht zustimmen. Hier müssen Änderungen vorgenommen werden.

Nachbesserungen vonnöten

Völlig unverständlich ist, dass der Anspruch auf Einwilligung in die genetische Untersuchung und Duldung der Probeentnahme nicht an die erforderlichen Anforderungen an Qualität des Labors sowie Qualifikation und Zuverlässigkeit des Personals, sowie die Verwendung und Vernichtung der Proben geknüpft wird. Wenn die Bundesregierung hier nicht dem Gendiagnostikgesetz vorgreifen will, muss sie dieses eben zeitgleich vorantreiben. Es kann nicht angehen, dass Mutter und Kind mit ihrer Einwilligung zur Probeentnahme ihren Anspruch auf einen seriösen und qualifizierten Umgang mit ihrem genetischen Material verlieren. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Schwächung der sozialen Vaterschaft

Zeigt ein Vaterschaftstest tatsächlich, dass keine biologische Vaterschaft besteht, beginnt die zweijährige Anfechtungsfrist, die bisher zwischen der Kenntnis von Umständen, die an der Vaterschaft ernsthaft zweifeln ließen, und dem Anfechtungsverfahren liegen musste, dem Gesetzentwurf zufolge von Neuem. Das heißt im Klartext: Mit der Neuregelung stünde es dem Vater – im Übrigen nicht auch der Mutter! – frei, nach dem Zerbrechen einer Partnerschaft ein Abstammungsgutachten zu verlangen und auch nach vielen Jahren die Vaterschaft anzufechten. Damit wird aber gerade die soziale Vaterschaft wieder geschwächt. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn der Vater noch nach Jahrzehnten die rechtliche Bindung zu dem Kind auslöschen kann, auch wenn er im Wissen, nicht der biologische Vater zu sein, die Vaterschaft nicht angefochten beziehungsweise ausdrücklich anerkannt hat. Diese Regelung schafft die Möglichkeit zum Missbrauch. Für das Kind bedeutet das einen deutlichen Verlust an Rechtssicherheit und sicherlich auch einen tief greifenden Vertrauensbruch. Die Nichtanfechtung der Vaterschaft bedeutet eine Übernahme von Verantwortung, die nicht zu Lasten des Kindes aufgekündigt werden darf, nur weil die Beziehung zur Mutter auseinander bricht. Für die Praxis ist dies äußerst relevant. Die meisten Vaterschaften werden angefochten, wenn sich Paare scheiden lassen. Schon jetzt wird die Vaterschaft dann oftmals auf Unterhaltsansprüche reduziert. Mit der neuen Regelung – voraussetzungslose Vaterschaftsklärung und Neubeginn der Frist zur Anfechtung – dürfte dieses Vorgehen noch viel häufiger werden. Die Bundesregierung wird diesen Entwurf noch einmal nachbessern müssen. So haben es auch zahlreiche Sachverständige in der Anhörung zu dem Entwurf zum Vaterschaftsanfechtungsverfahren gesehen. Und wenn es ihr nicht endlich gelingt, ein Gendiagnostik-Gesetz vorzulegen, in dem sie heimliche Vaterschaftstests verbietet, ist das ein politischer Offenbarungseid.

Die derzeitige Rechtslage

Nach geltendem Recht kann die biologische Vaterschaft mit einem privaten Gutachten auf der Grundlage eines DNA-Tests geklärt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass alle Betroffenen zustimmen. Heimlich durchgeführte Vaterschaftstests – dies bekräftigte das Bundesverfassungsgericht im Februar 2007 – sind illegal. Sperrt sich einer der Betroffenen gegen einen solchen Test, bleibt somit nur die Möglichkeit einer juristischen Vaterschaftsanfechtung. Diese muss aber nicht nur innerhalb von zwei Jahren erhoben werden, nachdem die ers-ten Verdachtsmomente aufgetaucht sind. Wenn sich im Laufe eines solchen Verfahrens herausstellt, dass der rechtliche nicht der biologische Vater ist, wird damit zwangsläufig auch das rechtliche Band zwischen Vater und Kind zerrissen. Mit dem von Justizministerin Brigitte Zypries vorgelegten und am 11. Juli vergangenen Jahres vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf soll es künftig auch möglich sein, die Abstammungsfrage in einem Gerichtsverfahren ohne juristische Konsequenzen für die Beziehung von Vater und Kind zu klären. Der Gesetzentwurf (http://dip.bundestag.de/btd/16/065/1606561.pdf) kann im Internet unter www.bmj.bund.de/files/-/2318/RegE_Vaterschaftsfes…, die Stellungnahmen der Sachverständigen bei der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschuss am 03.01.2008 können unter www.bundestag.de/aktuell/archiv/2007/vaterschaft_… eingesehen werden.

Erschienen in
GID-Ausgabe
186
vom Februar 2008
Seite 14 - 16

Irmingard Schewe-Gerigk ist Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Frauen- und Rentenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen.

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