Kontaminationstango à la française
Heimlich hat Frankreichs Genmais-Lobby in diesem Jahr Fakten geschaffen. Die Fläche mit Bt-Mais soll bis auf 1000 Hektar erhöht worden sein, die Ernte nach Spanien verkauft werden. In Frankreich fehlt es an Regeln für den kommerziellen Anbau.
Französische Landwirte haben sich in diesem Jahr sozusagen selbst in das Gentechnik-Zeitalter katapultiert. Unter Anleitung des mächtigen Verbands der Maiserzeuger AGPM (Association Générale des Producteurs de Mais) wurden nach offiziellen Verlautbarungen 492 Hektar mit genverändertem Mais bepflanzt. Im vergangenen Jahr sollen es erst 17,5 Hektar gewesen sein. Die genaue Fläche ist allerdings bislang nicht bekannt, weil Frankreichs Landwirte nicht verpflichtet sind, derartige Saaten zu melden. Es gibt zwar Vorschriften für den Versuchsanbau, nicht jedoch für den kommerziellen Anbau. Ein 1999 geschaffenes Komitee für die Biosicherheit, zuständig für die Überwachung der experimentellen und der kommerziellen Produktion, ist nach Ansicht von Beobachtern seit Jahren unterfinanziert und untätig. (1; 2)
Geheimer Anbau
Vermutet wird deshalb, dass Genmais in Frankreich inzwischen auf gut 1.000 Hektar steht. Aufgedeckt wurde dieser unkontrollierte Anbau von der Tageszeitung Le Figaro, die einer Meldung der Fachzeitschrift Semences et Progres vom Juli dieses Jahres nachgegangen war. "Unter großer Geheimhaltung", so hieß es am 6. September im Figaro, "ist im Südwesten transgener Mais gepflanzt worden."(3) Davon betroffen sind zwölf Departements. Zwischen 40 und 50 Betriebe sollen den Genmais unter dem so genannten Koexistenz-Programm von AGPM kultivieren.(4) Der mächtige Verband selbst hält sich bedeckt, was die genaue Anzahl der Beteiligten und die Orte der Freisetzungen angeht. In einer ebenfalls am 6. September rasch nachgeschobenen Presseerklärung hieß es, angesichts der "wilden Zerstörungen" von Parzellen in den vergangenen Jahren wünschten die Landwirte, dass allein die Behörden über die genauen Standorte informiert werden (5) (siehe Kasten Frankreich).
Maisverband wirbt Landwirte an
Frankreichs Maisverband hatte im März dieses Jahres Landwirte für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais angeworben, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Das Ganze läuft unter dem Titel Koexistenz-Forschung. Mit der Umsetzung des AGPM-Programms beauftragt ist das Arvalis Institut, eine private Einrichtung zur angewandten Pflanzenforschung.(6) Ausgesät wurden sogenannte Bt-Sorten, denen mit Hilfe des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis eine Resistenz gegen Insekten eingeschleust wurde. Diese insektenresistenten Sorten werden von den Saatgut-Konzernen Monsanto, Syngenta und Pioneer vertrieben. Die transgenen Erzeugnisse ihres diesjährigen Anbaus sind laut AGPM als Tierfutter für den spanischen Markt bestimmt. Beim Nachbarn südlich der Pyrenäen wird bereits seit Jahren in großem Maßstab Genmais angebaut. Anders als die frühere Regierung Aznar will die Regierung Zapatero den auch dort bisher regellosen Anbau allerdings beenden. Weshalb man unlängst Vorschriften dafür vorlegte, die ab dem kommenden Jahr gültig sein werden (siehe Kasten Spanien).
Experimente unter freiem Himmel
Ob französische staatliche Stellen seinerzeit in das Anbau-Projekt eingeweiht waren, ist unklar. Das Landwirtschaftsministerium jedenfalls hatte im April lediglich die Fortsetzung laufender Tests und die diesjährigen neuen Freilandversuche mit Sorten der Unternehmen Pioneer, Biogemma und Meristem angekündigt.(7) Unter freiem Himmel wird mit transgenen Pappeln, Gräsern, Wein und verschiedenen Sorten Genmais, darunter auch sogenannte Pharmapflanzen, die medikamentöse Proteine bilden sollen, experimentiert. Vom so genannten Inverkehrbringen von Genmais - was den Anbau für den Markt umfasst - war bis zu diesem September staatlicherseits nicht die Rede. Erst als die Presse darüber berichtete, wurde die Angelegenheit eingeräumt. Die Erklärung aus dem Landwirtschaftsministerium klingt lapidar: Vor dem De-facto-Moratorium ab 1999 in Europa zugelassene Maissorten, seien in Frankreich nun einmal "ohne zusätzliche Genehmigung zum Anbau zugelassen". Weshalb die 1997 und 1998 genehmigten Sorten Bt 176 und MON 810 sowie T25, ein herbizidresistenter Mais von Bayer, seit der Aufhebung des Moratoriums im Jahr 2003 auf den Acker dürften. Die Meldung dieser Kulturen erfolge auf freiwilliger Basis.(8)
Rechtsfreier Raum
Die französischen Bauern selbst handeln nicht illegal. Die Regierung versäumte es, seit 1990 geltende EU-Richtlinien für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen in nationales Recht umzusetzen. So nutzte in diesem Jahr die Genmais-Lobby diesen rechtsfreien Raum, um Fakten zu schaffen. Wie es heisst, werde derzeit an einem Gesetzentwurf gearbeitet, mit dem bis Anfang 2006 Vorschriften für die Meldung und Überwachung des kommerziellen Anbaus eingeführt werden sollen. Wahrscheinlich werden die spanischen Regelungen dabei als Vorlage dienen. Auf die Regulierung des Anbaus drängt nun auch der Verband der Maiserzeuger. Beobachter aus dem US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium berichten mit einigem Erstaunen, auf der Jahresversammlung des AGPM, gut eine Woche nach der Aufdeckung durch den Figaro, habe Hochstimmung geherrscht.(9) Demnach bejubelte man dort einen bekennenden Genmais-Bauern namens "Pierre", dessen Nachbarn über seine Bt-Pflanzen nicht informiert sind. Und ein Ex-Umweltminister erklärte das Vorsorgeprinzip für überflüssig. Befürchtungen von Umweltschützern, Genmais könnte anderen Mais verunreinigen, seien unsinnig, wird er zitiert. So unsinnig, wie die Annahme, "ein Hund könnte sich mit einem Kanarienvogel paaren". Der AGPM-Präsident schliesslich forderte, schnellstmöglich die EU-Vorschriften zum gemeinsamen Anbau transgener und konventioneller Kulturen in französisches Recht umzusetzen. Die Bauern hätten unter dem Programm des Verbands in den letzten beiden Jahren ausreichend Erfahrungen gemacht, so dass sie den Umgang damit nun beherrschten.
Quellen
- France Biotechnology, Annual 2005, USDA Gain Report, 21.07.05
- OGM autorisés mis en culture, Pressemitteilung der Confédéracion paysanne, 07.09.05
- Dans le plus grand secret, des cultures de mais transgénique ont été plantées dans le Sud-Ouest, Le Figaro, 06.09.05
- French maize farmer sees more GMO converts, Reuters, 19.09.05;
- Production d`OGM en France: des cahiers des charges existent, AGPM-Pressemitteilung, 06.09.05
- Arvalis Website: www.arvalisinstitutduvegetal.fr/fr/
- Pressemitteilung des Ministere de l'Agriculture et de la Peche, 04.04.05
- Pressemitteilung des Ministere de l'Agriculture et de la Peche, 06.09.05;
- French corn growers show strong support for biotech crops, USDA GAIN Report, 15.09.05
Ute Sprenger ist Soziologin und freie Publizistin. Sie arbeitet zudem als Beraterin, Trainerin und Gutachterin in der internationalen Zusammenarbeit und in der Technikfolgenabschätzung.
Kasten: Frankreichs freiwillige Schnitter fordern den Staat heraus
Auch Frankreichs Umweltschützer und die Freiwilligen SchnitterInnen der Confédéracion paysanne waren überrascht vom tatsächlichen Umfang der Gensaaten in ihrem Land. Noch am Tag vor der Veröffentlichung durch den Figaro erklärte Jean Baptiste Libouban, Mitbegründer der Freiwilligen Schnitter, auf einer Veranstaltung in Berlin, Frankreich sei noch nicht eingestiegen in den kommerziellen Anbau. Genpflanzen wüchsen gegenwärtig auf 60 Hektar im Versuchsanbau. Der 70jährige Großvater aus dem Larzac gehört dem ländlichen Verband um den bekannten Aktivisten José Bové an, der unter anderem mit seinen kollektiven Aktionen des zivilen Ungehorsams die noch wenig öffentliche Debatte um die Gentechnik in Frankreich beleben und gleichzeitig verhindern will, dass auf den Feldern zunehmend Fakten geschaffen werden. Schon in der Vergangenheit sprachen zahlreiche Gemeinden und Bürgermeister sich öffentlich gegen GVO aus. In Paris hatten sie damit allerdings nichts erreicht. "Den Regionen fehlt es an politischer und Verwaltungsmacht", sagt Libouban. Ausserdem seien nicht wenige Politiker und Wissenschaftler der Ansicht, das Vorsorge-Prinzip behindere die Wissenschaft. Mit dem öffentlichen Mähen von Versuchsfeldern wurde schließlich begonnen, "weil die Regierung die Verantwortung nicht übernahm. Also mussten wir handeln." Wer sich an den "Feldbefreiungen" beteiligen will, muß die Bedingungen der Confédéracion paysanne anerkennen: die Mähaktionen werden zuvor angekündigt, es herrscht Gewaltfreiheit und die jeweils zu erwartenden Strafen werden akzeptiert. Herrschte vor dem Jahr 2004 in Frankreichs Parlament Schweigen zu Fragen der Gentechnik, so hat Präsident Chirac inzwischen zumindest eine parlamentarische Mission dazu eingesetzt. Seit begonnen wurde, die Felder zu "befreien" hat sich die Anzahl der freiwilligen SchnitterInnen auf gut 5.500 erhöht. Angeklagt wurden bislang einige wenige von ihnen. Bei den Prozessen erscheinen jedoch regelmässig auch weitere bekennende SchnitterInnen und verlangen, ebenso vor Gericht gestellt zu werden. Beim ersten Prozeß forderten 400 MäherInnen von der Justiz Einlass. Standen ihnen gerade einmal fünf Polizisten gegenüber, so greift die Staatsgewalt laut Libouban mittlerweile zu drastischen Mitteln, um die anwachsende Bewegung einzuschüchtern. Die Prozesse finden nun unter massiver Polizeipräsenz statt, wobei in diesem Jahr auch Tränengas zum Einsatz kam. Die Mäher werden vor Schnellgerichte gestellt und es drohen Geld- und Haftstrafen. Bei einem im September begonnen Prozeß gegen sechs Aktivisten - darunter Jean-Baptist Libouban - wegen der Zerstörung einer transgenen Maisparzelle der Gesellschaft Biogemma im August 2004, forderte der Staatsanwalt neben Haftstrafen auch, dass die Angeklagten Arbeiten im öffentlichen Interesse ableisten sollten. Im Gespräch ist ebenso eine elektronische Überwachung, die verhindern soll, dass die Angeklagten die Felder erneut betreten. Die Urteilsverkündung wird Ende November erwartet.(1) Angesichts der zunehmenden Repression stehe man nun vor der Entscheidung, so Libouban auf der Berliner Veranstaltung, in Zukunft wieder unangemeldet und nachts zu mähen. (Ute Sprenger)
- Procès de Riom: les faucheurs volontaires préfèrent la prison aux travaux d'intérêt général, Pressemitteilung der Confédéracion paysanne, 15.09.05
Kasten: Spanien legt Vorschriften zur Koexistenz vor
Nach acht Jahren ungeregeltem Anbau von Genmais hat Spaniens Regierung in diesem Juli nun Vorschriften zur Koexistenz vorgelegt, die ab Beginn der Anbauperiode 2006 gültig sein sollen. Die Angaben über den Umfang des aktuellen Anbaus von Genmais variieren zwischen 48.000 Hektar (United States Department of Agriculture,USDA) und 80.000 Hektar (Le Figaro). Das vorgelegte Königliche Dekret, das ohne öffentliche Debatte erlassen wurde, soll die Koexistenz von gentechnisch manipulierten mit konventionellen und organischen Kulturen regeln. Zusätzlich wurde der insektenresistente Mais Bt 176 von Syngenta aus dem Sortenregister gestrichen und gleichzeitig Mais der bereits in Spanien angebauten Sorte MON 810 in das Register aufgenommen. Zuständig für die Umsetzung sind die Ministerien für Landwirtschaft (MAPA) und für Umwelt, die zukünftig alljährlich einen "nationalen Überwachungsplan" ausarbeiten müssen. Der Anwendungsbereich bezieht sich auf sämtliche Sorten von genveränderten Pflanzenarten, die in der EU zugelassen sind. Außerdem wurde festgelegt, welche Ernteanteile als gentechnisch verändert deklariert werden müssen. Ein Jahresbericht wird dem nationalen Ausschuss für Biodiversität und der Europäischen Kommission zugeschickt. Das MAPA organisiert Fortbildungen und zusätzliche Empfehlungen für die Anwendung der Gentechnologie durch die Landwirte.
Einige der Vorschriften im Detail:
Verantwortung Autonomer Regionaler Regierungen: • Umsetzung der Vorgaben zur Vermeidung der Auskreuzung genveränderter Saaten; bei Genmais muss ein Abstand von mindestens 50 Metern eingehalten werden. • Inspektionen der transgenen Felder - während der Anbausaison, um die Angaben der Landwirte und Saatgut-Firmen zu überprüfen, - zur Erntezeit, um den vorschriftsmäßigen Gebrauch der Erntemaschinen und die Trennung von Gentech- und Nicht-Gentech-Erzeugnissen, die Lagerung, den Transport und die Deklaration zu kontrollieren. • Diese Daten über die durchgeführten Überwachungen und Inspektionen und auch über Probleme, die bei den Landwirten aufgetaucht sind, müssen bis zum 1. März eines jeden Jahres in einem Register beim Landwirtschaftsministerium ("registro de parcelas”) abgelegt werden. Dies wiederum wird mit einem nationalen Register für die Anwendung im geschlossenen System, die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnischer Kulturen ("registro central”) beim Umweltministerium zusammengeführt.
Verantwortung der LandwirtInnen: • Schriftliche Meldepflicht bei der regionalen Behörde einen Monat vor der Aussaat transgener Sorten, ebenso wie Informationspflicht gegenüber den Nachbarn. • Einhaltung einer Pufferzone von mindestens 50 Metern zwischen gentechnischen und konventionellen und/oder organischen Kulturen. • Erntemaschinen können von Feld zu Feld benutzt werden, wenn die Produktionstechnik dieselbe ist; soll eine Maschine nach dem Einsatz auf einem transgenen Feld für die Ernte von konventionellem Mais genutzt werden, so müssen die Landwirte jedoch zuvor 2.000 Quadratmeter konventionellen Mais damit ernten und ihn als Genmais deklarieren. • Bei Nicht-Einhaltung der Vorschriften zum gentechnischen Anbau können Landwirte mit einer Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro belegt werden. Die Haftung regelt das Saatgutgesetz.
Verantwortung der Saatgut-Firmen: • Unternehmen und/oder andere, die Gentech-Saatgut bereitstellen, müssen schriftlich alle Details der Verkäufe entsprechend den Anforderungen der EU-Verordnung 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung mitteilen. • Diese Firmen erwartet ebenso eine Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro für Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften zum transgenen Anbau. Die Haftung regelt das Saatgutgesetz. (Ute Sprenger)
Quellen: Se regula la coexistencia de los cultivos modificados genéticamente, Ministerio de Agricultura, Pesca y Alimentación, Pressemitteilung vom 09.07.05 Spain Trade Policy Monitoring, Biotechnology Coexistence Update 2005, USDA Gain Report, 27.07.05