Rezension: Die geschützten Männer
Die geschützten Männer
Robert Merle (1908-2004) ist einer der bedeutendsten Romanciers der Gegenwartsliteratur. Neben den fiktiven Elementen eines Romans schafft Merle in seinen Werken stets einen realgeschichtlichen Hintergrund. In "Der Tod ist mein Beruf" beispielsweise ist die Auswertung psychologischer Protokolle des Lagerkommandanten Rudolf Höß von Auschwitz die Grundlage seiner Geschichte. "Die geschützten Männer" ist ein politisch-utopischer Roman, der einen Platz neben Huxleys "Brave New World" und Orwells "1984" verdient hätte. Kaum jedoch wird Merle im selben Atemzug genannt. Heimgesucht von einer Epidemie, die nur Männer im zeugungsfähigen Alter trifft, stellen sich im männerdominierten Amerika Frauen an die Spitze der Gesellschaft. Die einstige Diskriminierung der Frau schlägt um in einen von oben diktierten Männerhass. Kastrationsanhänger formieren sich neben den männerhassenden Frauen. Kastrationsunwillige Männer fliehen in benachbarte Länder wie Kanada, um sich vor Repressionen zu schützen. Andere für die Regierung scheinbar wichtige Männer sind in einer Sperrzone in Blueville untergebracht. Derart versklavt, überwacht und bespitzelt, bleibt ihnen der Blick nach "draußen" verwehrt. So auch dem Wissenschaftler Martinelli, ein so genannter "Protected man", der an einem Gegenserum forscht. Sein Projekt wird von der Regierung unterstützt, obwohl ein Mittel gegen die Epidemie von ihr kaum erwünscht ist. Zwei andere Forschungsbereiche existieren in Blueville, die für einen Staat, der sich die Abschaffung des "Adam-Eva-Prinzips" zum Ziel gesetzt hat, von hoher Bedeutsamkeit sind. Während das eine Team versucht, ein transparentes und geschmacksneutrales Kastrationsmittel zu entwickeln, beschäftigt sich ein zweites mit der Entwicklung menschlicher Klone, die den Zweck einer Fortpflanzung ohne den Mann verfolgt. Robert Merle gelingt es, wie in seinen anderen Werken, den Leser vom ersten Satz an bis zum letzten zu fesseln. Auch diesmal war das Buch wieder viel zu schnell ausgelesen!
Robert Merle: Die geschützten Männer, Aufbau Taschenbuchverlag, Berlin, 2003, 445 Seiten, 8,95 Euro, ISBN 3-74661-223-3
Katrin Lange ist Diplom-Pädagogin und hat ihre Diplomarbeit zum Thema "Was ist neu an der "neuen Eugenik"? Eine kritische Analyse am Beispiel der Pränataldiagnostik und der Präimplantationsdiagnostik" geschrieben. Ab Januar wird sie ein Praktikum im Gen-ethischen Netzwerk e. V. machen.