Kurz notiert: Mensch und Medizin
Pluripotente adulte Stammzellen?
Wissenschaftler der Universität Lübeck und des Fraunhofer Instituts für Biomedizinische Technik in St. Ingbert (IBMT) wollen erstmals adulte Stammzellen in der Bauchspeicheldrüse von Ratten und Menschen entdeckt haben, die in ihren Eigenschaften embryonalen Stammzellen ähnlich sind. Ihrem Bericht im Wissenschaftsjournal „Applied Physics A: Materials Science & Processing“ zufolge ist es gelungen, Zelllinien aller drei Keimblätter, aus denen sich in der Embryonalentwicklung die Organe und Gliedmaßen bilden, aus nicht-embryonalen menschlichen Zellen zu gewinnen. Markermoleküle hätten angezeigt, dass sich sowohl Nerven-, Muskel-, Knorpel-, Leber-, als auch Insulin-produzierende Gewebetypen entwickelten. Die Ergebnisse der Forschergruppe um den IBMT-Direktor Günter Fuhr erschienen den Redakteuren von Applied Physics offensichtlich so sensationell, dass sie sich dazu entschieden, sie entgegen den Gepflogenheiten bereits einen Tag nach dem Einreichen zu veröffentlichen. Die Kritik an der Stichhaltigkeit der Ergebnisse ließ nicht lange auf sich warten: Nach Ansicht von Catherine Verfaillie, Universität von Minnesota, ist die „wirkliche Pluripotenz“ der Zellen nicht bewiesen worden. Hierfür hätten die Stammzellen in frühe Embryonen eingepflanzt werden müssen, um zu untersuchen, ob sie daraufhin Gewebe bilden. Auch der Stammzellforscher Rudolf Jaenisch vom Whitehead Institute in Cambridge, USA, zweifelt an der Pluripotenz-These: Die deutschen Forscher hätten nicht isolierte Zellen, sondern ein Gemisch aus bis zu 600 Zellen untersucht. Hans Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut in Münster soll die Zellen nun eingehend untersuchen. (Ärzte Zeitung, 01.06.04; FAZ Agentur, 01.06.04) (mf)
Zweifel an adulter Stammzelltherapie
Eine US-amerikanische Studie wirft Zweifel daran auf, dass sich adulte Stammzellen aus dem Pankreas oder dem Knochenmark für die Diabetes-Therapie einsetzen lassen. Experimente an Mäusen hatten nahegelegt, dass sich adulte Stammzellen in Insulin produzierende Pankreaszellen verwandeln können. Wissenschaftler von der Harvard University, Massachusetts legen nun im Fachmagazin Nature dar, dass die neuen Insulin-produzierenden Beta-Zellen aus bereits existierenden Beta-Zellen entstehen und nicht aus Stammzellen. Laut Forschungsleiter Douglas Melton seien damit aber nicht einmal Beweise dafür gefunden worden, dass es im Pankreas Stammzellen gibt. Die Diabetes-Forschung solle sich seiner Meinung nach auf Strategien konzentrieren, um Beta-Zellen zur Bildung neuer Beta-Zellen anzuregen. Für Menschen, die über keine Beta-Zellen mehr verfügen, könnten embryonale Stammzellen eine Quelle für neue Zellen sein. (BioNews 257, 3.5.-9.5.04) (mf)
Lebensalter der Klone
Das zelluläre Programm, das die „Lebensuhr“ eines Menschen bei der Geburt zurückstellt, soll auch beim Klonen funktionieren. Sonja Schätzlein und Heiner Niemann von der Medizinischen Hochschule Hannover stellten bei Experimenten mit geklonten Mäusen und Rindern fest, dass sie nicht – wie bisher angenommen – bereits im Embryonalstadium verkürzte Chromosomenenden aufweisen. Dies ist ein überraschendes Ergebnis, denn für den schnellen Alterungsprozess von Klonschaf Dolly wurden unter anderem zu kurze Chromosomenkappen verantwortlich gemacht. Dahinter steht folgender Prozess: Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Chromosomenenden, genannt Telomere. Nach der Ansicht vieler Wissenschaftler soll dieser Prozess zur Alterung von Zellen führen. Die Länge der Telomere eines Menschen bei der Geburt soll nach dieser Theorie sein individuelles Lebensalter bestimmen. Wird ein erwachsenes Lebewesen geklont, sind die Telomere der Ausgangszellen, aus denen die DNA entnommen wird, bereits stark verkürzt. Dagegen verlängert das Enzym Telomerase bei der Reifung von Ei- und Samenzellen die Telomere, so dass bei einer natürlichen Zeugung eine bestimmte Ausgangslänge garantiert wird. Laut Schätzlein und Niemann muss es aber auch einen zusätzlichen Mechanismus während der Embryonalentwicklung geben, der die Chromosomenenden überprüft und bei Bedarf verlängert. Sie stellten nämlich fest, dass Rinderembryonen stets in etwa die gleiche Telomerlängen besaßen, unabhängig davon, ob sie durch natürliche oder künstliche Zeugung oder durch Klonen entstanden waren. Offensichtlich, so schreiben die Wissenschaftler in der US-amerikanischen Zeitschrift PNAS, werde das Enzym Telomerase in der Embryonalphase erneut aktiviert. Dass dieser Mechanismus aber nicht immer funktioniere, habe das Dolly-Experiment gezeigt: Aus so genannten Epithelzellen geklonte Tiere hätten besonders kurze Telomere – dies könne der Grund dafür sein, dass Dolly sehr früh an Alterserscheinungen litt. (PNAS Online-Vorabveröffentlichung, DOI:10.1073/pnas. 0402400101; wissenschaft.de, 18.05.04) (mf)
Parthenogenese bei Mäusen?
Bisher wurde die ungeschlechtliche Fortpflanzung (Parthenogenese) ausschließlich mit Pflanzen, Insekten und Reptilien in Zusammenhang gebracht. An der Universität für Landwirtschaft in Tokio wollen japanische und koreanische Forscher um Tomohiro Kono nun erstmals aus unbefruchteten Eizellen zwei Mäuse geschaffen haben, die „überlebensfähig“ sind. Geglückt ist das Experiment allerdings nur nach einer Reihe aufwendiger Eingriffe und mit einem streitbaren Ergebnis: 589 Anläufe wurden unternommen, um 457 Eizellen zu gewinnen. 371 Embryonen wurden Mäusemüttern implantiert, 28 Föten wurden später per Kaiserschnitt geboren, nur zehn von ihnen lebten. Zwei Mäuse überlebten letztlich die ersten 15 Minuten, eine der beiden, so stellte sich inzwischen heraus, ist unfruchtbar. Das Experiment wird als ein Durchbruch dargestellt, denn beide Mäuse besitzen nur die mütterlichen Gene. Bisher wiesen Säugetierembryonen, die nur mütterliche oder väterliche Chromosomen besaßen, schwere Schäden auf und starben meist bereits im Mutterleib. Die Ursache hierfür liegt wahrscheinlich in einem gestörten Ablesemechanismus der Gene. Um diese Hürden zu umgehen, mussten die Wissenschaftler mehrere Kniffe anwenden: So fügten sie zum einfachen Chromosomensatz einer reifen Mäuse-Eizelle einen Chromosomensatz einer neugeborenen Maus hinzu. Außerdem versuchten sie, das Vorhandensein männlicher Gene vorzutäuschen: Sie schalteten in den Eizellen das Gen H19 aus, wodurch ein zweites Gen IGF2 aktiviert wurde. IGF2 ist nur aktiv, wenn das Gen vom Vater vererbt wurde. Deswegen, so lautet der Einwand, den sich die japanischen Forscher und die veröffentlichende Zeitschrift Nature nun gefallen lassen müssen, handelt es sich aber bei dem Verfahren auch nicht im eigentlichen Sinne um „Parthenogenese“. Denn der Eizellkern sei durch den gentechnischen Eingriff quasi „vermännlicht“ worden. (Nature 428, S. 809 und 860; Berliner Zeitung, 22.04.04; FAZ, 21.04.04; Die Zeit 18, 04) (mf)
Gentherapie bei…Alkoholismus
Eine Gentherapie könnte nach Meinung von amerikanischen Wissenschaftlern helfen, Alkoholismusproblemen beizukommen. Panayotis Thanos und seine Kollegen vom Brookaven National Laboratory hatten Ratten ein Gen ins Gehirn eingeschleust, das die Anzahl der Andockstellen für den Botenstoff Dopamin erhöht. Dieser Botenstoff, der durch Alkohol und Drogen angeregt wird, vermittelt ein angenehmes Wohlgefühl und soll eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Süchten spielen. Bei Alkoholkonsum wird die Dopamin-Produktion zunächst erhöht. Allerdings reduziert die Droge die Dopamin-Rezeptoren, ohne die die Signale, die das positive Gefühl hervorrufen, nicht übertragen werden. Alkoholiker neigen dazu, ihren Alkoholkonsum zu steigern, um diesen Verlust zu kompensieren. Eine Theorie besagt außerdem, dass Menschen mit zu wenigen Dopamin-Rezeptoren anfälliger für Suchtkrankheiten sind. Für ihre Experimente injizierten die Wissenschaftler ein gentechnisch verändertes, mit dem Rezeptor ausgestattetes Virus ins Gehirn von Nagetieren, eine Vergleichsgruppe erhielt ein Placebo. Nach vier Tagen tranken Ratten, die vor der Behandlung lieber dem Alkohol als dem Wasser gefrönt hatten, über 60 Prozent weniger Alkohol als Ratten, die das Placebo verabreicht bekommen hatten. Allerdings fielen die Tiere nach acht Tagen wieder in den alten Konsumtrott zurück, bis sie eine neue Injektion erhielten. Die Wissenschaftler wollen nun den Therapieansatz weiterentwickeln, um damit eine längere Enthaltsamkeitsphase zu erzielen. (wissenschaft.de 07.05.04; Alcoholism Clinical and Experimental Research, Bd. 28, Nr. 5, 05.04) (mf)
Nationale Stammzellbank in GB
Mit einer nationalen Stammzellbank will Großbritannien eine führende Position auf diesem Forschungsgebiet einnehmen: Die UK Stem Cell Bank wurde am 18. Mai im National Institute for Biological Standards and Control in Hertfordshire, bei London eingerichtet. Sie soll “ethisch abgesicherte Stammzelllinien” lagern und für interessierte Forscher zur Verfügung stellen. Die beiden ersten Stammzelllinien stammen aus dem Labor am King’s College London und dem “Zentrum für das Leben” in Newcastle. Langfristig sollen auch Stammzellen aus Nabelschnurblut von Neugeborenen und adulte Stammzellen aufbewahrt werden. (BBC News Online, 19.05.04) (mf)
Krebsmedikament Iressa wirkt bei manchen
Das Krebsmedikament Iressa der Firma Astra Zeneca gilt seit über einem Jahr als ein Wundermittel gegen aggressiven Lungenkrebs – für manche der Patienten. Zwei amerikanische Forscherteams haben unabhängig voneinander untersucht, warum das Medikament, das seit Mai letzten Jahres in den USA verabreicht werden darf, nur bei etwa jedem zehnten der Betroffenen wirkt. Ihre Ergebnisse stimmen überein und sind in der Online-Ausgabe von Science vom 19. April beziehungsweise in der Ausgabe des New England Medical Journal vom 20. Mai veröffenlicht. Nach Angaben von Bruce Johnson und seinen Kollegen vom Dana-Farber Cancer Institute der Harvard Universität in Boston ist der genetische Bauplan für den Wachstumsfaktor Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) in den Krebszellen von Menschen, die auf das Medikament Iressa ansprechen, verändert. EGFR kurbelt unkontrolliert das Wachstum der Tumoren an. Nur wenn die entsprechende Mutation vorliegt, kann das Medikament Iressa offensichtlich das Krebswachstum blockieren. Die Ergebnisse der Wissenschaftler legen außerdem nahe, dass die Genmutation vor allem bei Japanern, Nichtrauchern und Frauen vorliegt – dies würde erklären, warum diese Personengruppen überdurchschnittlich von Iressa profiitieren. Johnson und seine Kollegen identifizierten die Mutation bei 15 von 58 JapanerInnen, aber nur bei einem von 61 Tumoren von US-AmerikanerInnen. Die Wissenschaftlergruppe um Daniel Haber vom Massachusetts General Hospital in Boston stellte bei acht von neun Patienten, die auf Iressa ansprachen, die Genmutation im EGF-Rezeptor fest, aber bei keinem der sieben Patienten, die keine positive Reaktion auf das Medikament zeigten. In Europa ist Iressa bisher nicht zugelassen, wird aber “unter der Hand” an Patienten verabreicht, bei denen es als letztes Mittel gilt. Ein Test, der vorhersagt, wer auf das Medikament reagieren wird, würde nach Ansicht der Wissenschaftler eine Marktlücke erschließen: Dann könnte Iressa auch als Erstmedikament eingesetzt werden, und nicht wie bisher ausschließlich bei Menschen, für die es kaum noch Chancen gibt. Eine Vorauswahl scheint angezeigt, weil Iressa im Verdacht steht, schwere Lungenentzündungen auszulösen. (Science Vol. 304, S. 858-659, 30.04.04; Die Zeit 20, 04) (mf)
Darmkrebs und „Race“
Das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom (Grimmdarmkrebs) zu sterben, soll für AfroamerikanerInnen 50 Prozent größer sein als für weiße AmerikanerInnen – und zwar selbst dann, wenn sie dieselbe Behandlung erhalten haben. Die Sterberate bei PatientInnen mit rektalem Karzinom (Mastdarmkarzinom) soll dagegen in beiden Bevölkerungsgruppen ähnlich sein. Diese Ergebnisse werden von Wissenschaftlern der University of Alabama-Birmingham, Alabama, im Fachmagazin Cancer vorgestellt. Für die Studie waren 491 PatientInnen ausgewählt worden, die an der Universität oder einem angeschlossenen medizinischen Institut von den selben Ärzten medizinisch behandelt worden waren. Ihre Tumore hatten in etwa die gleiche Größe und befanden sich im selben Stadium. Der Studienleiter, Upender Manne, führt die unterschiedliche Erfolgsraten bei den Patientengruppen auf genetische oder umweltbedingte Faktoren zurück, die den Krebs bei den schwarzen PatientInnen agressiver gemacht haben könnten. Eine fettreiche Ernährung könnte laut Manne ebenfalls verantwortlich für das frühe Ableben der betroffenen AfroamerikanerInnen sein. (New York Times, 25.05.04) (mf)
Isländische Biobank liegt auf Eis
Das isländische Genomdatenbank-Projekt hat erneut Gegenwind in punkto Datenschutz bekommen. Diesmal kommt die Kritik von höchster Stelle: Das isländische Verfassungsgericht entschied im Sinne einer 18-jährigen Klägerin, es verstoße gegen das Persönlichkeitsrecht der Nachkommen, wenn gesundheitsbezogene Daten eines Verstorbenen für die geplante Datenbank verwendet werden. Das Gericht entschied, der Datenschutz für die Angehörigen sei nicht gewährleistet, zumal es geplant sei, die gesammelten Gesundheitsdaten mit weiteren genetischen und genealogischen Datenbanken zu verknüpfen. In dem Streitfall ging es um den verstorbenen Vater der Klägerin, dessen Daten verwendet werden sollten. Das Urteil wurde zwar schon im November 2003 verkündet, wurde aber erst im April dieses Jahres ins Englische übersetzt und dadurch auch international bekannt. Bereits zuvor hatte es Streitigkeiten zwischen der isländischen Datenschutzbehörde und der Firma DeCode Genetics gegeben, die 1999 die exklusiven Nutzungsrechte an der geplanten Datenbank erhalten hat. Die Datenschutzbehörde genehmigte DeCode nur eine eingeschränkte Verwendung der gesammelten Daten. So dürfen die Proben nur im Rahmen von bestimmten krankheitsbezogenen Studien verwendet werden. Auch über die Finanzierung des Projektes gibt es immer noch Unstimmigkeiten. Blutproben von rund 110.000 Erwachsenen (50 Prozent der isländischen Bevölkerung) sind nach Angaben von DeCode bisher gesammelt worden. 20.000 Personen haben sich gegen eine Freigabe von Proben und Informationen an die Datenbank entschieden. (Nature, 429, S. 118, 13.05.04; Human Genetic News, 14.05.04) (mf)
Designer-Babies in den USA
Im Rahmen einer zweijährigen Chicagoer Studie haben Reproduktionsmediziner fünf Elternpaaren zu Kindern verholfen, die als Stammzellspender für ihre erkrankten Geschwister dienen sollen. Für das umstrittene Projekt waren insgesamt 199 Embryonen im Reagenzglas erzeugt und dann dem so genannten Human-Leukozyten-Antigene (HLA-Test) unterzogen worden, um zu untersuchen, ob sie sich als Spender eignen. 45 der Embryonen seien für tauglich befunden worden, der Rest sei eingefroren worden. 28 Embryonen wurden ihren Müttern eingepflanzt. Insgesamt führte das Experiment nur in wenigen Fällen zu einer erfolgreich verlaufenden Schwangerschaft: fünf Kinder wurden geboren. Eine Umfrage des Genetic and Public Policy Centers kam unterdessen zu dem Ergebnis, dass sich die Untersuchung von Embryonen im Reagenzglas zu „medizinischen Zwecken“ in den USA einer wachsenden Akzeptanz erfreut: 61 Prozent der Befragten gaben an, eine Präimplantationsdiagnostik (PID) sei zu befürworten, wenn damit einem Geschwisterkind geholfen werden soll. Über ein Drittel der Teilnehmer äußerte dagegen seine grundsätzliche Abneigung gegen das Verfahren. Eine knappe Mehrheit (57%) sprach sich gegen die Anwendung der PID zum Zweck der Geschlechtsbestimmung aus. (FAZ, 06.05.04; BioNews 257, 3.5.-9.5.04;) (mf)
EU-Stammzellenprojekt
Erstmals arbeiten deutsche Wissenschaftler in einem Projekt zur embryonalen Stammzellforschung, das mit Geldern aus dem umstrittenen 6. EU-Forschungsrahmenprogramm gefördert wird. An dem Projekt sind insgesamt 20 Stammzellforscher aus sechs europäischen Ländern beteiligt. Die Forschungsgruppe FunGenEs (Functional Genomics in Engineered ES cells) um den Kölner Neurophysiologen Professor Jürgen Heschler arbeitet an einem Gen–Atlas, in dem die Funktion der Gene in embryonalen Stammzellen von Mäusen dargestellt werden sollen. Jürgen Heschler stehen 8,5 Millionen Euro aus dem sechsten Rahmenprogramm der EU zur Forschungsförderung zur Verfügung. Voraussetzung für die Bewilligung dieser Mittel war, dass nur mit Mäusestammzellen und nicht mit menschlichen Zellen gearbeitet wird. Auf lange Sicht soll eine Datenbank angelegt werden, in der Informationen zur menschlichen Genomik gespeichert werden sollen. Der Abschlussbericht dieses Projektes soll im Jahr 2007 vorgelegt werden. (Ärzte-Zeitung 19.04.04) (mf)
Schimpansen-Chromosom entschlüsselt
Ein internationales Wissenschaftlerteam hat das Chromosom 22 des Schimpansen entschlüsselt und einem Vergleich mit dem Chromosom 21 des Menschen unterzogen. Da beim Menschen zwei Chromosomen in der Frühgeschichte fusionierten, entspricht das menschliche Chromosom 21 dem 22. Chromosom des untersuchten Menschenaffen. Von der Gegenüberstellung der Chromosomen erhoffen sich die Forscher aus Japan, Deutschland, China, Korea und Taiwan, Schlüsse über die Entwicklungsgeschichte des Homo sapiens ziehen zu können, denn laut Evolutionsgeschichte schlugen Mensch und Schimpanse erst vor sechs Millionen Jahren getrennte Wege ein. Besonders interessiert sind die Wissenschaftler an DNA-Sequenzen, die den aufrechten Gang des Menschen und das Sprechen ermöglicht haben könnten. Doch die biologischen Unterschiede zwischen uns und unseren nächsten Verwandten sind komplizierter als bisher gedacht: Zwar stimmen die untersuchten Chromosomen zu 98,6 Prozent bei Mensch und Schimpanse überein. Bei einer detaillierten Betrachtung einzelner Gene stellte sich jedoch heraus, dass einige wenige Gene sich in ihrer Funktion deutlich von einander unterscheiden, schreiben Yoshiyoki Sakaki vom japanischen Institut für Risikoforschung in Yokohama und Marie-Kaure Yaspo vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin in der Zeitschrift Nature. Wie sich diese Unterschiede auf den Organismus auswirken, wissen die Forscher allerdings noch nicht. Die Ergebnisse bestätigten ihrer Ansicht nach jedoch, dass nahezu identisches Erbgut sehr unterschiedlich wirken kann. Ein möglicher Grund für diese Unterschiede in der Ausprägung der Gene könnten so genannte Indels sein, meist kurze Erbgutabschnitte, die im menschlichen Genom besonders häufig auftreten und im Schimpansengenom nicht aufzufinden sind. Diese Abschnitte können sich zum Teil vermehren und an einen anderen Platz im Genom wechseln. Die Rolle dieser „Schnipsel“ soll nun in weiteren Projekten untersucht werden. (Nature 429, S. 382, 353, 369 und 375; Berliner Zeitung, 27.05.04) (mf)
Schnelltest für Brustkrebs?
Bonner Medizinerinnen haben sich das Ziel gesetzt, einen kostengünstigen Schnelltest zu entwickeln, mit dem das individuelle Brustkrebsrisiko von Frauen abgeschätzt werden soll. Der Test soll auch Hinweise auf passende Behandlungsstrategien liefern. Für ihre Untersuchungen haben Olga Golubnitschaja und ihre Mitarbeiterinnen vom Institut für experimentelle Radiologie aus weißen Blutkörperchen von 13 Patientinnen und 13 gesunden Frauen die gesamte RNA isoliert und dann verglichen. Dabei wollen sie „eine Reihe von RNA-Fäden identifiziert haben, die bei Brustkrebskranken viel häufiger oderseltener vorkamen als bei den gesunden Probandinnen”. Im nächsten Schritt will das Forschungsteam nun bei 150 Frauen mit Brustkrebs überprüfen, wie häufig die identifizierten genetischen Merkmale bei ihnen vorkommen. Dabei sollen auch solche Gene identifiziert werden, die nur im Zusammenspiel mit bestimmten Umwelteinflüssen das Tumor-Risiko erhöhen. Ziel ist ein Test, „mit dem zehn oder fünfzehn Risikogene auf einmal gecheckt werden können.” Daraus kann nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen eine Empfehlung abgeleitet werden, welche Risikofaktoren die betroffene Frau meiden soll. (idw, 15.04.04) (mf)
Register für Gentherapiestudien
Erstmals ist ein nationales Register für Gentherapiestudien eingerichtet worden. Das deutsche Register für somatische Gentransferstudien (DeReG) ist an das Zentrum für klinische Studien an der Universität Freiburg angeschlossen und wird vom Bundesforschungsministerium finanziert. Es soll über Ziele und Methoden der durchgeführten Gentherapiestudien informieren und darüber, ob noch Probanden aufgenommen werden können. Ein ähnliches Projekt existiert auf europäischer Ebene in Form des Netzwerks Euregenethy (www.euregenethy.org), die US-amerikanische Gesundheitsbehörde hat unter der Internetadresse www.gemrics.od.nih.gov eine Datenbank zu nationalen Gentransfer-Studien eingerichtet. (Ärzte-Zeitung, 06.05.04) (mf)
Gentherapie bei zystischer Fibrose
Bei Patienten mit moderaten Symptomen einer zystischen Fibrose soll eine gentherapeutische Behandlung eine Besserung der Lungenfunktionen herbeiführen können. Diese Ergebnisse einer US-amerikanischen Phase-II-Studie gab der Forschungsleiter und Geschäftsführer des Unternehmens Targeted Genetics Corp. bei einer internationalen Tagung am Paul-Ehrlich-Institut in Langen bekannt. Das Unternehmen hat die Genfähren hergestellt, mit dem 20 Patienten in der doppel-blinden Studie an der Stanford University in Kalifornien behandelt worden sind. Bei zehn dieser Patienten soll sich die Lungenfunktion um 15 Prozent verbessert haben. Für die Behandlung hatten sie ein Gen inhaliert, das an dem Aufbau eines Lungenmembrankanals beteiligt ist. Als Genfähre wurden adeno-assoziierte Viren verwendet. Insgesamt hatten 37 Patienten an der Studie teilgenommen, davon 17 in der Placebogruppe. (Ärzte-Zeitung, 07.05.04) (mf)
HIV gegen HIV
US-amerikanische Forscher des Unternehmens Virxys, Maryland, haben drei HIV-Patienten mit gentechnische veränderten HI-Viren behandelt. Dazu hatten sie den Patienten T-Zellen entnommen, diese mit den modifizierten HI-Viren infiziert und die Zellen dann wieder zurück übertragen. T-Zellen, auch „Helferzellen“ genannt, sind an der Immunabwehr beteiligt. Werden die manipulierten T-Zellen von HIV-Zellen angegriffen, dann produzieren sie eine RNA, die nach Beobachtung der Forscher die Virusvermehrung stoppt. Die Konzentration der HIV-Zellen im Blut der behandelten Patienten sei konstant geblieben. Weitere Wirksamkeitsstudien sollen folgen. (Ärzte-Zeitung, 14.05.04) (mf)
Gene-Pharming
An der Eberhard-Karls-Universität Tübingen haben Wissenschaftler aus München, Tübingen und Wien ein Designerprotein im Blut von geklonten Kälbern produziert, welches in der Krebstherapie eingesetzt werden soll. Darüber berichten sie im Fachmagazin der US-amerikanischen Wissenschaftsakademie PNAS. Bislang wurden solche Arzneimittel aus Kulturen von genetisch veränderten Zellen hergestellt, was allerdings ein sehr aufwändiger Prozess ist. Die Zellbiologen um Gundram Jung und Ludger Große-Hovest, Universität Tübingen, und ihre Kollegen von der Universität München sowie der veterinärmedizinischen Universität Wien betrachten das Gene–Pharming als eine schnelle Methode zur Arzneimittelherstellung. Beim Gene-Pharming wird die genetische Information für ein gewünschtes Protein in das Erbgut möglichst vieler Nutztiere eingebracht. Die Wissenschaftler pflanzten das Gen für das Eiweiß in embryonale Kuh–Bindegewebszellen ein. Durch Klonierung entstanden neun identische Kälber, die das Protein in großen Mengen produzieren sollen. Ziel der Forschungsgruppe ist es, Antikörper herzustellen, die gleichzeitig zwei verschiedene Zellen (zum Beispiel Tumor- und Immunzellen) binden können und somit eine Immunreaktion gegen den Tumor auslösen. (www.wissenschaft.de 26.04.04) (mf)
Gentherapie–Zulassung
In den nächsten fünf Jahren könne mit einer Zulassung gentherapeutischer Behandlungen in Deutschland gerechnet werden. Dies gab der Vorsitzende der Kommission für Somatische Gentherapie der Bundesärztekammer, Klaus Cichutek, bekannt. Als mögliche Anwendungsbereiche, für die eine Zulassung der EU oder der entsprechenden US-Behörden denkbar sei, gelten Therapien gegen Immundefizite, wie die erbliche Immunschwächekrankheit ADA, die durch einen Mangel des Enzyms Adenasin-Desaminase hervorgerufen wird. Der Vorteil liege bei diesen Anwendungsbereichen darin, dass die Therapien dann nach Kriterien für Orphan Drugs (Arzneimittel für seltene Krankheiten) zugelassen werden und somit weniger strenge Kriterien erfüllen müssten als Arzneimittel gegen häufiger auftretende Krankheiten, so Cichutek. Bei gentherapeutischen Studien in Frankreich soll bei vier von ADA betroffenen Kindern eine Besserung ihres Zustandes erreicht worden sein. Die Versuche wurden dennoch unterbrochen, da zwei weitere Kinder in Folge der Gentherapie an Leukämie erkrankten. Auf das Krebsrisiko eines somatischen Gentransfers wird in mehreren Studien hingewiesen. In den meisten Ländern sind gentherapeutische Behandlungen noch nicht für die freie Anwendung zugelassen, sondern befinden sich im klinischen Versuchsstadium. Eine Ausnahme ist China, hier wurde eine Gentherapie gegen Kopf-Hals-Tumoren zugelassen, Erfahrungen sind aber bisher nicht bekannt gegeben worden. (Ärzte-Zeitung, 28.04.04) (hk)
Gewebezüchtung
Mit insgesamt 14 Millionen Euro will das Bundesforschungsministerium (BMBF) in den nächsten drei Jahren 22 Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Zell- und Gewebezüchtung fördern. Dies teilte ein Sprecher des BMBF im Vorfeld der Biotechnologie-Tage in Jena mit. Seit 2000 sind – mit finanzieller Beteiligung der Industrie - bereits 39 Millionen Euro in Projekte dieser Art geflossen. Mit 39 Klein- und Mittelständischen Unternehmen, die im Bereich der Züchtung von Zellen und Ersatzgewebe tätig sind, nimmt Deutschland eine Spitzenposition in Europa ein. Dies bescheinigte kürzlich eine Studie der Europäischen Kommission. (BMBF PM 23.04.04; EU-Bericht: http://www.jrc.es/home/publications/publication.c… abzurufen) (mf)
Gen für… Knochenentwicklung
Ein Gen, das entscheidend für die Knochenentwicklung sein soll, haben US-amerikanische Forscher ausgemacht: IKK-alpha wirkt nach Angaben des Mediziners Michael Karin, Universität von Kalifornien von der Haut aus. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass der Haut bei der Embryonalentwicklung eine wichtige Bedeutung für den Skelettaufbau zukommt. Schalteten sie bei Mäusen das entsprechende Gen aus, kam es zu Deformationen des Schädels und Skeletts. Die Schäden waren so gravierend, dass die neugeborenen Mäuse kurz nach der Geburt starben. Die Ergebnisse sind ausführlich in Nature 428 nachzulesen. (wissen-schaft.de, 08.04.2004) (mf)
Papas DNA
Evolutionsbiologen und Anthropologen müssen künftig eine ihrer Grundannahmen überdenken: In der Abstammungsforschung wird häufig mitochondriale DNA verwendet, um Verwandtschaftsverhältnisse in der Evolutionsgeschichte des Menschen zu verfolgen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Erbgut in den so genannten Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“ ausschließlich von der Mutter weitervererbt wird. Die Forscher setzten voraus, dass alle Mitochondrien, die aus den Spermien stammen, nach der Befruchtung der Eizelle normalerweise abgetötet werden. Veränderungen der mitochondrialen DNA, so lautete die Theorie, könnten sich nur durch Fehler beim Kopieren der Erbinformation während der Zellteilung einschleichen. Das Team um Yevgenya Kraytsberg von der Universität Harvard, Massachusetts, konnte diese Annahme nun widerlegen: Die Forscher zeigten, dass sich mütterliche und väterliche mitochondriale DNA vermischen können und dann neue Kombinationen bilden. Allerdings, so schränkten die Wissenschaftler ihre in Science präsentierten Ergebnisse ein, sei die Wahrscheinlichkeit für ein solche Neukombination nur sehr gering. (wissenschaft.de, 14.05.04) (mf)
Die Kunst des Alterns
Warum werden die Menschen in Sardinien älter als überall sonst auf dem europäischen Kontinent? Diese Frage möchte die Europäische Union ab Mai 2004 mit einer Zwillingsstudie klären. Insgesamt 2,800 ein- und zweieiige Zwillingspaare sollen rekrutiert werden, um der Genetik des gesunden Alterns (Genetics of Health Aging, kurz: GEHA) nachzugehen. Alle Studienteilnehmer müssen älter sein als neunzig. Das Ziel ist es, „bei allen 5600 Personen eine Untersuchung des kompletten Erbguts durchzuführen,“ gab der Projektleiter Claudio Franceschi, Universität Bologna, auf der Internationalen Humangenomkonferenz in Berlin bekannt. Er und seine Kollegen wollen beweisen, dass herkömmliche Schätzungen den Einfluss der Gene auf das Altwerden deutlich unterschätzen. Im Fokus des Interesses liegen dabei Regionen auf den Chromosomen 4, 11 und 19, die Untersuchungen in Nordamerika zufolge mit dem Lebensalter eines Menschen in Zusammenhang stehen. (telepolis.de, 09.04.04) (mf)
Gen für… Herzinfarkt
Ein Gen, das die Produktion des Proteins Galectin-2 steuert, wollen japanische Wissenschaftler als Risikofaktor für Infarkte identifiziert haben: Galectin-2 verbindet sich mit LTA (Lymphotoxin-alpha), einem Protein, das bei Entzündungen oder Ablagerungen in den Blutgefäßen des Herzens freigesetzt wird. Wenn sich aufgrund eines defekten Gens die Galectin-2 Menge verändere, dann werde auch die LTA-Freisetzung und damit die Entzündung beeinflusst, schreiben Toshihiro Tanaka und seine Kollegen vom Institute of Physical and Chemical Research in Tokio. Obwohl der Mechanismus noch nicht genau verstanden ist, sind die Forscher der Ansicht, dass Galectin-2 eine wichtige Ursache für Herzinfarkte ist und ein Medikament, das die Proteinmenge senke, das Risiko verringern könne, an einem Herzinfarkt zu sterben. Für die Studie waren die Daten von 2638 japanischen Infarktpatienten mit denen von 2499 Menschen ohne eine solche Erkrankung verglichen worden. (Spiegel online, 06.05.04) (mf)
Klon vom Klon
Zu ersten Mal soll es gelungen sein, einen geklonten Bullen erneut zu klonen: Der Klon des Klons soll inzwischen vier Jahre alt sein, natürlichen Nachwuchs haben und keinerlei Anzeichen von einer Krankheit zeigen, schreiben die Wissenschaftler um Xiangzhong Yang von der Universität Connecticut, USA, in Nature Biotechnology. Nach der Dolly-Methode hatten Yang und seine Kollegen einem 17-jährigen Zuchtbullen Zellkerne entnommen und in die Eizellen von Kühen eingesetzt. Vier geklonte Kälber seien herangewachsen, zwei von ihnen wurden erneut geklont. Eines der Klon-Klone sei jedoch kurz nach der Geburt an Blutarmut und einer Infektion gestorben, heißt es in dem Bericht. Allerdings sei es nicht gelungen, eine dritte Klon-Generation zu erzeugen – alle sechs erneut geklonten Embryonen starben in der frühen Schwangerschaft. Ein Klonen in Serie war bisher nur bei Mäusen gelungen. (Spiegel online, 23.05.04; Nature Biotechnology online Vorabveröffentlichung, 23.05.04) (mf)
Saisonale Geburtenzahlen
Eine Studie mit 3.000 Frauen aus Österreich soll ergeben haben, dass die Geburtenzahlen davon abhängig sind, in welchem Monat die Mutter geboren worden ist. Dies berichtete die Biologin Susanne Huber von der Universität Wien in der Zeitschrift „Human Reproduction“ (Vol. 19 Nr.5, S. 1081). Demnach liegt die Anzahl der Kinder von Frauen, die im Juli geboren sind, um 13,4 Prozent niedriger, als die Geburtenrate im Dezember geborener Frauen. Huber sieht die Gründe in den saisonalen Faktoren, die auf die Frau wirken, in den Bedingungen der embryonalen Entwicklung und dem ersten Lebensmonat der Frau. Bei Männern fiel das Ergebnis allerdings anders aus, denn die Wahrscheinlichkeit viele Kinder zu zeugen sei höher, wenn der Mann im Frühjahr geboren worden sei. Vergleiche zog Susanne Huber mit ähnlichen Studien aus Kanada und den Niederlanden, die zu ähnlichen Ergebnissen gekommen seien. (www.wissenschaft.de, 29.04.04) (mf)