EPF: Geheimniskrämerei und Interessenkonflikte

Seit Januar 2003 gibt sich das Europäische Patientenforum (EPF) als legitimer Dachverband der europäischen Patientenorganisationen in Brüssel aus. Als solcher wird sie zukünftig auch einen Vertreter in den Aufsichtsrat der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA schicken, die unter anderem für die Zulassung gentechnisch hergestellter Präparate zuständig ist. Das europäische Netzwerk Health Action International (HAI) hat die Organisation und ihre Finanzierungsquellen genauer unter die Lupe genommen. Im Folgenden eine Dokumentation des Berichts.

Zu Recht fühlte sich die Europäische Kommission genötigt, Patienten in Diskussionen und Entscheidungen über europäische Gesundheitspolitik mit einzubeziehen. Dabei hat sie es vorgezogen, mit einer einzigen übergeordneten europäischen Organisation zu verhandeln, als mit einer großen Vielzahl unterschiedlicher Patienten-Interessengruppen. Erst kürzlich hat die Kommission auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Nicht-Regierungsorganisationen und Lobbyisten ihre Finanzierungsquellen offen legen: Als der Kommissar Siim Kallas im März 2005 seine "Europäische Initiative für Transparenz" startete, bezeichnete er eine solche Offenlegung als "eine unerlässliche Voraussetzung für die Integrität und die Glaubwürdigkeit unserer politischen Institutionen".(1) Aber das Europäische Patientenforum (EPF), dessen Einrichtung eigens von der Kommission unterstützt wurde und das zum Haupt-Ansprechpartner geworden ist, wenn es um die Einbeziehung von Patientengruppen geht, ist geradezu ein Vorzeigemodell für Geheimhaltung und Interessenkonflikte. Die Reputation der EU hängt davon ab, eindeutige Regeln für Transparenz anzulegen. Ihre Politik wird von der umfassenderen Einbeziehung der Zivilgesellschaft profitieren, die durch eine solche klare Transparenz-Politik ermöglicht wird.

Ursprung und Struktur des EPF

Das EPF wurde offiziell im Januar 2003 gegründet und definiert sich selbst als "eine Antwort auf die (zu jener Zeit) geäußerten Wünsche der Europäischen Kommission und anderer Institutionen der EU nach einer übergeordneten europäischen Patientenvertretung, die angesprochen und konsultiert werden kann, wenn es in den Diskussionen der europäischen Gesundheitspolitik um Patienteninteressen geht".(2) Das EPF entstand aus einem Treffen der Kommission mit verschiedenen Patientengruppen sowie der Europäischen Verbraucherunion und der Europäischen Allianz für öffentliche Gesundheit (EPHA European Public Health Alliance) am 18. Juli 2002. Was damals als "Europäische Patienten-Plattform" oder "Europäisches Patientenforum" im Protokoll des Treffens bezeichnet wurde, war eigentlich nur eine Absichtserklärung von neun unterzeichnenden Gruppen, die damit ihrem Wunsch nach einer europa-weiten Patientenorganisation Ausdruck verliehen. Auf der Basis einer derart begrenzten und informellen Übereinkunft wurde wenig später für die Europäische Patientenplattform/das Europäische Patientenforum ein vermeintlich legitimer Anspruch als die Vertretungsorganisation der europäischen Patienten formuliert. So nahm beispielsweise Rodney Elgie, erster Präsident des EPF bis Juni 2005, auf Einladung des Rates vom Juni 2002 am "Reflexionsprozess auf höchster Ebene über Patientenmobilität und Entwicklungen der Gesundheitsfürsorge in der EU" teil. Die Haltung der Kommission gegenüber dem EFP scheint von Anfang an davon geprägt gewesen zu sein, dass nach außen die Einbeziehung von Patienten demonstriert werden musste – dabei war es offenbar gleichgültig, ob die einbezogenen Gruppen tatsächlich repräsentativ und rechenschaftspflichtig gegenüber Patienteninteressen waren.
Laut der Verfassung des EPF sind die Ziele dieser Organisation unter anderem:
- Ein offenes und die unterschiedlichen Patientengruppen einschließendes Patientenforum zu fördern, das dem Informations- und Meinungsaustausch aller pan-europäischen Patientenverbände über die Gesundheitspolitik der EU und alle anderen für Patienten relevanten EU-Initiativen dienen soll;
- die Sicht von Patienten als Beteiligte in der Diskussion um die europäische Gesundheitspolitik zu Gehör zu bringen durch eine breite, wirklich repräsentative und unabhängige Patientengruppe;
- zum selbstverständlichen ersten Ansprechpartner der Europäischen Kommission und anderer Europäischer Institutionen zu werden, wenn die Meinung von Patienten und/oder der Rat von Patientengruppen gesucht wird.(3)

Mangel an Transparenz

Dreizehn Patientengruppen benennt das EPF auf seiner Webseite als Mitglieder. Viele der größten Europäischen Patientenorganisationen sind dort nicht zu finden, wie die Organisationen von Patienten mit Herzerkrankungen, Diabetes, Schlaganfall, sowie die meisten Gruppen von Patienten mit Krebserkrankungen. Die Verfassung des EPF betont, "das Forum soll so transparent, demokratisch und offen wie möglich sein". Die internen Regeln schließen auch einen Hinweis auf die Notwendigkeit zur Transparenz ein: Europäische Patientenorganisationen sollten ihre Finanzierungsquellen offen legen und prinzipiell ihre Konten zugänglich machen.(4) Aber das EPF selbst sowie sechs seiner Mitglieder geben keine Details über ihre Finanzierungsquellen bekannt. Andere informieren zwar über Firmen, die ihre Arbeit unterstützen, sagen aber - abgesehen von der European Organisation for Rare Diseases (EURORDIS) – nichts über die genauen Summen, die sie von der Industrie erhalten haben, oder darüber, welchen Anteil diese Gelder an ihrer Finanzierung haben. Das European Network of (ex-)Users and Survivors of Psychiatry ist das einzige Mitglied der EPF, das erklärt, keine Gelder aus der Industrie zu erhalten. Dass das EPF Unabhängigkeit für sich beansprucht, ist ebenso wenig nachvollziehbar, wie seine Behauptung, transparent und repräsentativ zu sein. In den Jahren 2003 und 2004 gelang es dem Forum nicht, eine Förderung der Kommission zu erhalten, offensichtlich, weil es den Hinweis der Kommission nicht berücksichtigte, dass eine Kernfinanzierung nicht bewilligt werden könne. Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass die Pharma-Industrie einen Großteil der Arbeit des EPF finanziert oder anderweitig unterstützt. Die Schwierigkeiten, solche Verbindungen aufzuklären, sind ein starkes Argument für die Notwendigkeit verpflichtender Transparenz-Regeln.

Pharmafirmen unterstützen das EPF

Zwei Vertreter des EPF, Annette Dumas und Don Marquis, haben in der ersten Hälfte dieses Jahres eine Reihe von Interviews mit Schlüsselpersonen der europäischen Gesundheitspolitik geführt. Darin ging es um die Frage, wie das EPF sein Profil verbessern könne und wie es auf eine sichere Finanzierungsbasis gestellt werden könne. Diese Befragungen wurde von Baxter Healthcare – einem großen US-amerikanischen Pharmaunternehmen – sowie durch eine Zuwendung der European Coalition of Positive People (5), einem Mitglied des EPF, finanziert. Frau Dumas, ehemalige Mitarbeiterin des Pharmaunternehmens Merck, Sharp and Dohme, ist die offizielle Lobbyistin des EFP beim Europäischen Parlament.(6) Auf der Internetseite der EPF wird Frau Dumas nicht erwähnt; sie ist weder eine Patientin noch eine Vertreterin einer der Mitgliedsorganisationen des EPF. Das EPF erhält Werbe- und andere Dienstleistungen von Weber Shandwick, eine Werbefirma, die nach eigenen Aussagen eine "Europäische Gesundheits-Praxis" betreibt, die einen "strategischen, integrativen Ansatz der Public Relations im Bereich Gesundheitsversorgung in Europa" für "Unternehmen jeder Größe – von globalen multinationalen Firmen bis zu innovativen Biotech-Unternehmen" anbietet.(13) Das Treffen der Jahreshauptversammlung des EPF am 24. Juni 2005 wurde in den Büroräumen der Brüsseler Niederlassung von Weber Shandwick abgehalten. Im Dezember 2004 organisierte Weber Shandwick die Vorstellung der Interessengruppe für Patienten des EU-Parlaments. Die Einladungen für diese Veranstaltung wurden von Grainne Crowlez, die als Hauptberaterin für Medikamente und Gesundheitsversorgung bei Weber Shandwick arbeitet "im Auftrag des Präsidenten des EPF" verschickt. Diese Interessengruppe, deren Sekretariat vom EPF gestellt wird, "soll die Aufgabe erfüllen, Europa-Parlamentarier zu ereichen und Initiativen für sie zu entwickeln, die die Patientensicht zu Gesundheitsfragen und Europäischen Politikentwicklungen reflektieren".(14) Die Vernetzung von Patientengruppen und Pharmaunternehmen scheint eine übliche Praxis in Weber Shandwicks PR - und Lobbying-Aktivitäten zu sein.(15) Weber Shandwick war auch beteiligt an der Öffentlichkeitsarbeit für den ersten von zwei Berichten "The informed Patient" herausgegeben vom Centre for Advancing Health Information, das vom Pharmamulti Johnson & Johnson eingerichtet wurde.(16) Die Kontaktperson für eine Veranstaltung im Europäischen Parlament zur Vorstellung dieses ersten Berichts war Christine Marking, die Direktorin der Abteilung Gesundheit und Arzneimittel bei Weber Shandwick.(17) Frau Marking ist seitdem Koordinatorin des Centre for Health, Ethics and Society (CHES), das ebenfalls von Johnson & Johnson finanziell unterstützt wurde und wird.(18) Frau Markings Rolle für die Autoren der besagten Berichte wird als "unschätzbare Unterstützung" beschrieben. Im Gegenzug empfehlen diese Berichte, dem EPF eine zentrale Rolle in der Gesundheitsinformation für die Öffentlichkeit zuzuweisen.(19) Die Gefahr besteht, das die Europäische Kommission zu viel Vertrauen in diese Struktur sich gegenseitig befürwortender industriegeförderter Akteure setzt.

Schlüsselrolle bei der Kommission

Es ist dem EPF gelungen, eine bedeutende Rolle in zentralen Arenen der EU einzunehmen. Es war ein Mitglied des Organisations-Komitees der Konferenz Patient Safety - Making it happen - The European Perspective, die unter der Schirmherrschaft der Luxemburger EU-Präsidentschaft und der Europäischen Kommission am 4.-5. April 2005 stattfand. Und ein Mitglied des Exekutivkomitees des EPF, Jean Georges, der gleichzeitig die European Federation of Neurological Associations (EFNA) vertritt, steht an erster Stelle von vier Patientenvertretern, die von der Kommission für zwei Stellen im Management-Vorstand der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) vorgeschlagen wurden.(20) Die EMEA koordiniert die Evaluierung und Überwachung von Medizinprodukten in der Europäischen Union. An zweiter Stelle wird François Houyez von EURORDIS vorgeschlagen. Das EPF, EFNA und EURORDIS gehören auch zu den acht Gruppen, die in der gemeinsamen Arbeitsgruppe von CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) und EMEA mit Patienten- und Verbrauchervertretern beteiligt sind. Zu deren weiteren Mitgliedern zählt auch die zu 99 Prozent industriefinanzierte International Alliance of Patients Organisations.

Transparenz-Kriterien nur auf dem Papier

Eigentlich ist das EPF einer ganzen Reihe von Auflagen verpflichtet, die der Transparenz dienen sollen. Die EMEA hat Kriterien entwickelt, die Patienten- und Verbraucherorganisationen, die in den Prozess der Arzneimittelüberwachung involviert sind, erfüllen müssen. Diese gelten insbesondere für solche Gruppen, die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind, aber auch für solche, die nur gelegentlich als Experten hinzugezogen werden. (...) Rein formal werden diese Kriterien erst in Kraft treten, wenn der Management-Vorstand sie beschlossen hat, die wissenschaftlichen Komitees der EMEA haben ihnen aber schon zugestimmt, ebenso wie die Arbeitsgruppe selbst.

Zu den Kritierien gehört:

"Transparenz – die Organisation sollte ihre Einnahmen aus öffentlichen und privaten Quellen offen legen, in dem sie die Namen der öffentlichen und/oder privaten Körperschaften nennt und den Anteil deklariert, den dieser finanzielle Beitrag am Gesamtbudget der Organisation ausmacht. Jede Verbindung zu Sponsoren aus der Industrie sollte klar und deutlich erkenntlich gemacht werden. Jeder Interessenkonflikt sollte der EMEA offen gelegt werden. Bei Dachorganisationen sollte die Mitgliedsliste öffentlich zugänglich sein. Der Verweis auf Unterstützung durch private Körperschaften gilt nicht für Privatpersonen, es sei denn, aus einer solchen Verbindung resultiert ein Interessenkonflikt im obigen Sinn”.(21)
(...) Das EPF veröffentlicht bislang weder ihre Einnahmequellen, den Anteil jedes Sponsors am Gesamtbudget, seine Verbindungen zu Industrie Sponsoren noch eine vollständige Liste seiner Mitglieder. Als vorgeschlagenes Mitglied des EMEA-Management-Vorstands – die Patienten-Vertreter sollten das erste Mal an der Vorstands-Sitzung am 28 und 29 September 2005 teilnehmen – trifft auf das EPF auch der Artikel 63 der Verordnung 726/2004 zu, der festlegt, dass Mitglieder des Management-Vorstandes "auf jeder Sitzung alle spezifischen Interessen ankündigen sollen, die verstanden werden könnten als Einschränkung ihrer Unabhängigkeit in Bezug auf die Tagesordnungspunkte. Diese Erklärungen sollen öffentlich gemacht werden." In einem Brief an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, in dem das Komitee für Öffentliche Gesundheit und Verbraucherpolitik die Nominierungen der Patientenvertreter für den Vorsitz des EMEA befürwortet, merken die Unterzeichner an: "Die Kommission hat keine Informationen über die betreffenden Patientenorganisationen zur Verfügung gestellt, es fehlen Informationen über ihre Struktur und ihre Finanzierung, insbesondere über potentielle finanzielle Verbindungen zur Pharma-Industrie. Daher konnte dieser Aspekt bei der Bewertung der Kandidaten durch das Komitee nicht umfassend berücksichtigt werden. Das Komitee erwartet daher, als Bedingung für die Nominierung der Kandidaten, dass diese "versichern, dass sie, wenn sie ernannt werden, ihre Entscheidungen im Management-Board in völliger Unabhängigkeit treffen. Sie sollten außerdem zur Offenlegung aller relevanten finanziellen Interessen angehalten werden, insbesondere zur Aufdeckung aller Verbindungen ihrer Organisation mit der Pharma-Industrie.”(22)

Standard nicht erfüllt

Sowohl die EMEA als auch die Europäische Kommission scheinen sich in die schwierige Situation gebracht zu haben, dem EPF eine einflussreiche Position zuzugestehen, während die Organisation weder hinsichtlich ihrer Transparenz noch ihrer Unabhängigkeit den Standard erfüllt, den sie anstreben. (...) Auf der Seite der Kommission ist dies eine Konsequenz ihres unsprünglichen Wunsches nach einer einzigen Patientenvertretung, mit der sie arbeiten möchten. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2003 beschrieb die Kommission eine herausragende Rolle für das EPF "zur Schaffung eines Mechanismus zur Einbeziehung der Bedürfnisse von Patienten in Bezug auf Informationen und wie diese am besten befriedigt werden können" (23). In einer weiteren Stellungnahme setzte sich die Kommission dafür ein "Grundfinanzierungen für Europäische Patientengruppen bereitzustellen, damit diese unabhängig an den Debatten und Entscheidungsprozessen zu Gesundheitsthemen in der EU teilnehmen können" (24). Von den durchgeführten Aktivitäten zu dieser Empfehlung wird klar, dass mit "Europäischen Patientengruppen" das EPF gemeint war. Da die Regeln zur Grundfinanzierung nicht geändert wurden, hat die Kommission in ihrem jüngsten Vorschlag zur Gesundheits- und Konsumentenschutzstrategie erneut betont: "Patientengruppen und Nicht-Regierungs-Organisationen (NROs) im Gesundheitsbereich können aufgrund unzureichender Mittel aktuell Schwierigkeiten haben, Initiativen auf Europäischem Niveau zu entwickeln und ihre Organisationen zu stärken. (...) Die Kommission schlägt deshalb Organisationszuschüsse ebenso wie projektgebundene Mittel vor, um Grundfinanzierungen für bestimmte NROs, darunter Patientengruppen bereitzustellen, damit sie ihre Organisationskapazitäten entwickeln und sich auf eine gesicherte Grundlage stellen können."(25) Diese Empfehlung scheint von der Intention geleitet zu sein, die geltenden Finanzierungsregeln zum spezifischen Nutzen des EPF anzupassen.

Geheimniskrämerei und Interessenkonflikte angehen

Kommissar Kallas beschreibt das Ziel der Transparenz darin, "den langfristigen Erfolg solider, erprobter Politik zu fördern, indem man die Unterstützung der Öffentlichkeit erwirbt”.(18) Das Gefühl von Desillusionierung und Distanzierung, das sich in der europäischen Öffentlichkeit hinsichtlich der EU-Institutionen breit zu machen scheint, und das in den "Nein"-Stimmen in Frankreich und den Niederlanden seinen Ausdruck fand, hat den Bemühungen um die Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens einen zusätzlichen Impuls verliehen: Die Kultur der Geheimniskrämerei, die für Entscheidungs- und Beratungsprozesse auf EU-Ebene typisch ist, wird in Angriff genommen. Das Beispiel des EPF demonstriert die Notwendigkeit, dass einer solchen Initiative für mehr Tranzparenz klare und durchsetzbare Regeln zugrunde liegen müssen, die dafür sorgen, dass ersichtlich ist, wer sich hinter den Aktivitäten von "Patienten"gruppen, Unternehmen und Lobbyisten verbirgt. Die Kommission und die EMEA müssen die Art und Weise der Einbeziehung von Patientengruppen neu überdenken. Die Nicht-Offenlegung von Verbindungen zur Pharmaindustrie durch das EPF ist ein ernstes Problem, das gelöst werden muss. Abgesehen davon gibt es aber einen prinzipiellen Interessenkonflikt, wenn Fördergelder von Unternehmen stammen, die versuchen, Produkte an eben die Menschen zu verkaufen, die die Organisation repräsentiert. Die Interessen der Patienten und der Industrie sind nicht dieselben. Wenn die Kommission und die EMEA wirklich Patienten in Entscheidungsprozesse einbeziehen wollen, dann müssen sie Gruppen suchen, die unabhängig von einer Finanzierung durch die Pharmaindustrie sind.

Fußnoten

  1. The need for a European transparency initiative, Siim Kallas, Vizepräsident der Europäischen Kommission bei der European Foundation for Management, Nottingham Business School, 3.3.2005.
  2. www.europeanpatientsforum.org/
  3. Artikel 2, Verfassung des EPF, www.europeanpatientsforum.org
  4. Artikel 4, Verfassung des EPF, www.europeanpatientsforum.org
  5. Persönliches Gespräch, März 2005 (Treffen mit der European Public Health Alliance)
  6. Die Liste der offiziell akkreditierten Lobbyisten beim EU-Parlament ist im Internet unter: www2.europarl.eu.int/lobby/lobby.jsp?lng=en&sort=byorg &index=E
  7. www.ecpp.co.uk/upcomingconf.htm, 30. Juni, 2005
  8. Die ursprüngliche Einladung wurde an Health Action International weitergeleitet.
  9. www.efpia.org/7_patient/Programmewkshop1104.pdf, 30. Juni
  10. www.eurordis.org/article.php3?id_article=479, 30. Juni
  11. www.sourcewatch.org/index.php?title=GPC_Market_Ac…
  12. GPC International oder GPC Public Affairs, nach eigenen Aussagen "die Hauptberatungsgruppe für Öffentliche Kommunikation in Europa” hat auch zusammen mit dem CHES Veranstaltungen organisiert, zum Beispiel einen Runden Tisch zum Thema Patientenmobilität in Europa am 27. Februar 2004, siehe www.madariaga.coleurop.be/ches/documents/040227pr…
  13. www.euhealth.webershandwick.com/about.html
  14. Die Einladung von Weber Shandwick wurde HAI Europe im Original zur Verfügung gestellt.
  15. Christian Deutsch, "The Rise of PR in German Healthcare", Weber Shandwick, www.webershandwick.co.uk/outcomes/issue4/story1_p…. html. Die Internetseite von Weber Shandwick, UK, deutet daraufhin, dass Pfizer, Lilly, Serono, Schering und andere Pharmakonzerne eben so wie die International Osteoporosis Foundation und die UK Blood Pressure Association zu den Kunden der Agentur gehörden.
  16. Der erste Informed Patient Report wurde im März 2003 veröffentlicht. Der zweite – An EU Framework for Action – erschien im August 2004. Die Berichte sind verfügbar auf der Website des Judge Institue for Management (www.jims.cam.ac.uk). Johnson & Johnson finanzieren ebenfalls Patient Talk, das ‚Informed Patient Project’ des International Council of Nurses.
  17. www.amicus-cphva.org/publichealth/phephanlefeb03…
  18. http://madariaga.coleurop.be/ches/. Bei einigen Podiumsdiskussionen des CHES erscheint Christine Marking in den Teilnehmer-Listen als Vertreterin von Johnson & Johnson.
  19. S. 15, The Informed Patient: an EU Framework for Action. Beim European Health Forum Gastein im Oktober 2004 war Johnson & Johnson Sponsor und Scott Ratyan, Vize-Präsident von Johnson & Johnson, leitete einen Mittagsworkshop mit dem Titel: "Towards a health competent consumer: EU policy action for improved health information". Die drei Vortragenden waren Peter Singleton, einer der Autoren des The Informed Patient, Christine Marking und Rodney Elgie.
  20. Die Aufnahme von Patientenvertretern, Ärzten und Tierärzten in den Aufsichtsrat der EMEA erfolgte mit der Arzneimittelgesetzgebung von 2004 (Article 65, Regulation (EC) No 726/2004).
  21. EMEA/101572/2005, 15. März 2005
  22. Brief von Karl-Heinz Florenz (MEP), Vorsitzender des Komitees für Umwelt, Gesundheit und Ernährungssicherheit, an den Präsidenten des Europäischen Parlaments Josep Borrell Fontelles, April 2005
  23. Implementing Action 10.5 to Recommendation 10: Enhanced Information, Communication From The Commission To The Council, The European Parliament, The Economic And Social Committee And The Committee Of The Regions: "A Stronger European-based Pharmaceutical Industry for the Benefit of the Patient – A Call for Action”
  24. Recommendation 13, Quelle wie Fußnote 22
  25. S. 53-54, Communication From The Commission To The European Parliament, The Council, The European Economic And Social Committee And The Committee Of The Regions: "Healthier, safer, more confident citizens: a Health and Consumer protection Strategy; Proposal for a Decision Of The European Parliament And Of the Council Establishing a Programme of Community action in the Field of Health and Consumer Protection 2007-2013”
  26. "The need for a European transparency initiative”, Siim Kallas, Vize-Präsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Administration, Audit und Anti-Korruption, in einer Rede bei der European Foundation for Mamagement, Nottingham Business School, 3. März 2005

Die wachsende Bedeutung von PR

"(...) Historisch gesehen haben Pharmaunternehmen in Deutschland sich auf den Arzt als Konsumenten oder Entscheidungsträger konzentriert, aber inzwischen nehmen sie zunehmend auch den Endverbraucher – den Patienten – ins Visier. Das macht Sinn, da die Patienten in Deutschland – wie überall auf der Welt – letztendlich die Entscheidung treffen, ob sie einen Arzt aufsuchen, medizinischen Rat befolgen, ein Rezept einlösen und therapeutischen Anordnungen Folge leisten. Deutschen Pharmaunternehmen ist letztendlich bewusst geworden, dass ein informierter und motivierter Patient mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit eine Behandlung suchen und auch bei ihr bleiben wird, als ein passiver, unbeteiligter Patient. (...) Wie auch in anderen europäischen Ländern ist die Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel in Deutschland verboten. Daher spielen PR-Maßnahmen einen noch wichtigere Rolle, um die Endverbraucher zu erreichen. Deutsche Pharma-Firmen haben festgestellt, dass PR-Aktivitäten die Vorteile einer Direktwerbung bieten, während sie gleichzeitig deren Nachteile umgehen: sie erziehen und informieren, ohne als offensichtliche Promotion-Aktivität daherzukommen, und sind dazu auch noch für gewöhnlich billiger als Werbemaßnahmen (...)".
(Aus der Webseite der englischen PR-Agentur Weber Shandwick, www.webershandwick.co.uk/outcomes/issue4/story1.h…; Übersetzung: mf)

Erschienen in
GID-Ausgabe
173
vom Dezember 2005
Seite 19 - 24

Health Action International (HAI) Europe engagiert sich für gesicherten Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln für alle und ihren vernünftigen Gebrauch. Das Büro in Amsterdam ist eines von vier regionalen Büros weltweit, die zusammen ein Netzwerk von über 150 Gruppen und vielen Einzelpersonen aus der kritischen Konsumentenbewegung, Gesundheits- und Entwicklungsinitiativen und –organisationen koordinieren, die in ihren jeweiligen Ländern und in gemeinsamen Projekten zu Gesundheits- und Arzneimittelthemen arbeiten.

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Aktivitäten des EPF

, die von der pharmazeutischen Industrie finanziell unterstützt wurden:
- Vom 22.-23. Juni 2005 veranstaltete das EPF eine Konferenz in Brüssel zum Thema Health Education and Compliance. Die Reisekosten und die Unterkunft wurden offensichtlich von der Firma Pfizer getragen. Auf der Website der European Coalition of Positive People, einem Mitglied des EPF, wurde darauf hingewiesen, dass "eine Teilnahme nur mit Einladung möglich sei".(7)
- Am 1. Februar 2005 organisierte das EPF einen Workshop über medizinische Biosimilarprodukte. "Die finanzielle Unterstützung dieses Treffens wurde durch einen Fortbildungs-Zuschuss von Amgen (ein Biotechnologie-Unternehmen)" gewährleistet. Die Einladungen zum Treffen wurden von Julie Cooper, Direktorin der Abteilung Public Health von Interel Public Relations & Public Affairs, versandt.(8)
- Die Konferenz "Strengthening Patient Groups in the EU: Exchange of best practice between patient groups am 26.-27. November 2004 in Brüssel wurde "vom Europäischen Patientenforum in Zusammenarbeit mit der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations organisiert".(9)
- Vom 3.-5. November 2004 organisierte das EPF zusammen mit dem EPF-Mitglied European Federation of Neurological Associations (EFNA), der Genetic Interest Group und dem European Institute of Women’s Health einen Workshop mit dem Titel Enabling Good Health for All: A Shared Responsibility, A Training Workshop for Patient Groups. Der Workshop hatte das Ziel "herauszuarbeiten, wie Patientengruppen einen Beitrag zu Prozessen im Bereich der Gesundheitsversorgung auf Ebene des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission leisten können". Nach Auskunft eines weiteren EPF-Mitglieds, der European Organisation for Rare Diseases (EURORDIS), gab es "keine Teilnahmegebühr. Unterkunft und Reisekosten werden von einem Fortbildungs-Zuschuss des Pharmaunternehmens Novartis getragen.”(10) Als Kontaktadresse für weitere Nachfragen zur Veranstaltung ist Catherine Matheijs angegeben, deren e-mail Adresse darauf hindeutet, dass sie für GPC International/GPC Public Affairs arbeitet, eine Werbeagentur, die Novartis zu ihren Kunden zählt.(11). Dies lässt vermuten, dass das Unternehmen enger an dieser Veranstaltung beteiligt war als nur an ihrer Finanzierung.(12)
(Health Action International)

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA

Bisher wird die Zulassung von Medikamenten in der EU durch drei konkurrierende Verfahren geregelt: die nationale Zulassung, die zentrale Zulassung bei der europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMEA und die gegenseitige Anerkennung durch die Mitgliedstaaten. Die Unübersichtlichkeit ist groß. Krankenkassen und Patientenorganisationen forderten daher eine Zentralisierung der Arzneimittelzulassung durch die EMEA. Auch die Beteiligung von Patienten im Aufsichtsrat der Zulassungsbehörde mit Sitz in London war damals als Mittel für mehr Transparenz gefordert worden. Ende 2004 fanden Europarat und Europäisches Parlament nach zweijährigem Ringen einen Kompromiss: Danach muss die Zulassung für Medikamente gegen bestimmte Krankheiten wie Krebs, AIDS, Diabetes oder Parkinson sowie für gentechnisch hergestellte Präparate bei der EMEA beantragt werden. Vier Jahre später wird die zentrale Zulassung auch auf Viruserkrankungen und Autoimmunerkrankungen ausgedehnt. Die Zulassung gilt für fünf Jahre und kann danach, wenn keine Bedenken vorliegen, unbefristet ausgegeben werden. Allerdings sollen die Hersteller während der ersten zwei Jahre selbst regelmäßig einen Bericht über die Unbedenklichkeit ihrer Mittel abgeben. Und diese hängen auch weiterhin nicht nur von der Ehrlichkeit der BerichterstatterInnen, sondern auch von der Meldung unerwünschter Nebenwirkungen durch die ÄrztInnen oder ApothekerInnen ab: Ein direktes Meldesystem, an das Patientinnen direkt ihre Erfahrungen weitergeben, wurde abgelehnt.
(Pharma-Brief 4-5, 2004) (mf)