Wetterauer Erklärung
Kongress geGEN - für gentechnikfreie Landwirtschaft (29.9. - 2.10.1995): Der Kongress verabschiedete die Wetterauer Erklärung. Die Unterzeichnenden fordern hierin - eine gentechnikfreie Landwirtschaft und den Stopp der Freisetzungen, - das Verbot der Patentierung von Leben und erkennen erteilte Patente nicht an, - gentechnikfreie Nahrung und das allgemeine Recht der Bevölkerung auf Information.
Wetterauer Erklärung
Mit der Gentechnik ist es möglich geworden, artübergreifend Erbsubstanz neu zusammenzustellen und neuartige Lebewesen zu schaffen. Leben soll durch diese Technik konstruierbar gemacht werden. Es wird damit entwertet und zur Ware gemacht. Dies zeigt sich besonders an den Auseinandersetzungen um Eigentumsrechte und Patentierung. Diese Entwicklung macht auch vor dem Menschen nicht halt. Wir wollen so weder mit uns noch mit der Natur umgehen. Gentechnologie ist eine Sackgasse. Wir wollen einen respektvollen, würdigen Umgang mit der Natur und den Menschen.
Unsere Vorstellung eines Lebens und Wirtschaftens im Einklang mit der Natur kommt ohne die Gentechnologie aus. Die ökologischen, gesundheitlichen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Folgen dieser Technik sind unabsehbar. Dies gilt lokal, regional, national und international.
Freigesetzte Organismen und manipulierte Erbinformationen sind nicht rückholbar und führen zu einer genetischen Umweltverschmutzung. Gentechnologie und nachhaltiges Wirtschaften schließen sich aus.
Wir sehen, daß die Gentechnologie weiter Verbreitung findet.
Wir wollen die Alternativen stärken und die Gentechnologie zurückdrängen bis hin zum Ausstieg. Wir stellen uns dabei auf eine lange politische Auseinandersetzung ein, im nationalen wie im internationalen Maßstab. Überall in der Welt gibt es Widerstand gegen Gentechnologie und wehren sich Menschen gegen die Plünderung natürlicher Ressourcen durch die Genindustrie.
Die Versprechungen der Gentechnologie werden nicht eingehalten. In der Landwirtschaft bedeutet dies:
* GROßINDUSTRIE. Schon die sog. "grüne Revolution" hat die Landwirtschaft verändert: Hochertragssorten brauchen Kunstdünger, chemischen "Pflanzenschutz" und eine hochtechnisierte Anbauweise auf großen Flächen. Heute wissen wir, daß diese Entwicklung allen geschadet hat. Die Folge: Vernichtung bäuerlicher Existenzen, Generosion, die Abhängigkeit der BäuerInnen von industriellem Saatgut, großem Maschinenpark, Krediten und ständig neuen Chemiecocktails. * Wer sich einmal auf die Verheißungen der Agroindustrie eingelassen hatte, ruinierte die Böden und befand sich zudem in den Händen der Kreditgeber und der Saatgutindustrie. Dies war vor allem für KleinbäuerInnen in den ärmeren Ländern fatal. * In den letzten Jahren haben transnationale Konzerne (Petro-, Agro- und Pharmachemie etc.) einen Großteil der Saatgutbranche aufgekauft. Damit unterliegt die Produktion von Saatgut den Interessen der Großindustrie. * Gentechnik ist hier das Mittel, die Landwirtschaft noch mehr unter den Einfluß der Konzerne zu bringen. Ein Forschungsziel der Gentechniker ist die Entwicklung von Pflanzen, die gegen Pflanzengifte des jeweiligen Multis widerstandsfähig sind. Damit kann dann das Saatgut mit zugehöriger Chemie als Paket verkauft werden. * KAPITALISIERUNG. Im Zoll- und Handelsabkommen (GATT) wurde vor allem durch die USA ein Patentrecht durchgesetzt, das Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere erfaßt. Die Patente auf Lebewesen sollen sich demnach sogar auf die Nachkommen von patentierter sog. "lebender Materie" ("living matter") erstrecken. Die Umsetzung des Abkommens in nationales Recht wird von Basisbewegungen bekämpft. Die Gentechnik ist nur dann rentabel, wenn manipulierte Organismen und Zellen Patentschutz erhalten. * Patente auf Leben wandeln ein Gemeingut, das vorher allen diente, in Ware um. Das geht soweit, daß in der Natur vorkommende unveränderte genetische Ressourcen privatisiert werden sollen. Die Industrie will sich dadurch das Wissen und die jahrhundertealte Erfahrung der bäuerlichen Landwirtschaft weltweit sowie die Vielfalt der Natur aneignen. Dies ist nichts anderes als Gen-Piraterie. * MACHBARKEITSWAHN. Die Agroindustrie behandelt Natur als feindliche Umgebung von Nutzpflanzen, deren Kapitalertrag es zu schützen gilt. Chemie und Genmanipulation sind die Rezepte, die sie anbietet. Dahinter steht die Idee, mensch könne die Natur beherrschen und so formen wie es beliebt. Andere Ansätze, die mit der Natur und nicht gegen sie arbeiten, wie die Förderung von Nützlingen, standortgerechte Anbaubedingungen und regional angepaßtes Saatgut, sind für die Industrie nicht lukrativ und werden deshalb nicht erforscht.
Auch in der öffentlichen Forschungspolitik wird auf Förderung der Gentechnik gesetzt, Alternativen werden immer weniger unterstützt. Die Forschungsmittel für "ökologischen Landbau" sind im Vergleich zur Gentechnik marginal und immer wieder vom Wegsparen bedroht. * MONOKULTUR. Die meisten Probleme der modernen Landwirtschaft gründen in ihr selbst: Monokulturen provozieren z. B. massenhaften Schädlingsbefall und in dessen Folge Ernteausfälle. * Gentechnisch manipulierte Pflanzen werden diese Probleme verstärken. * Der Versuch, Nutzpflanzen auf gentechnischem Weg resistent gegen Schädlinge oder Krankheiten zu machen, kann nur kurzfristig Erfolg haben. * Die Gentechnik bekämpft nicht die Ursachen. Sie verschärft die vorhandenen Probleme. * DOMINANZKULTUR. Gentechnik ist ein Angriff auf noch vorhandene Alternativen zur konventionellen Landwirtschaft und die biologische Vielfalt insgesamt. Pollenflug und Samenausbreitung machen vor Pflanzen und Flächen, die noch gentechnikfrei sind, nicht halt. Die Monopolisierung der Saatgutindustrie bedroht die Produzenten von gentechnikfreiem Saatgut und die gentechnikfrei wirtschaftenden Bäuerinnen. * ARROGANZ. 80 % der VerbraucherInnen in Deutschland (laut einer repräsentativen Umfrage von Januar '95) wollen keine Gentechnik im Essen. Gesetzliche Regelungen werden einseitig auf die Interessen der Industrie zugeschnitten und entsprechen nicht dem Vorsorgeprinzip. Genehmigungsbehörden und Gerichte wischen Proteste und Einwände einfach vom Tisch und lassen die Industrie durchmarschieren. * RISIKO. Einmal in die Umwelt freigesetzt, sind gentechnisch veränderte Organismen nicht mehr rückholbar. Wenn gentechnisch manipulierte Organismen und Erbinformationen sich ausbreiten, kann das katastrophale Folgen haben. * Der Gesetzgeber hat keine umfassende Haftungsregelung getroffen. Schäden dieser Art werden bis heute von keiner Versicherung gedeckt. * GESUNDHEITSGEFAHR. Vor allem Nahrungsmittelallergiker befürchten, daß sie durch Genmanipulation gefährdet werden: Neue Inhaltsstoffe in der Nahrung können für uns alle gesundheitliche Gefahren mit sich bringen.
Die Unterzeichnenden fordern
* eine gentechnikfreie Landwirtschaft und den Stopp der Freisetzungen, * das Verbot der Patentierung von Leben und erkennen erteilte Patente nicht an, * gentechnikfreie Nahrung und das allgemeine Recht der Bevölkerung auf Information.