Bäuerliches Bündnis gegen Gentechnik
(aus der Märkischen Allgemeinen Zeitung, Brandenburg, 2. Februar 2012) BAD WILSNACK - Wer es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, mag es vielleicht nicht glauben: In erstaunlicher Eintracht saßen gestern Naturschützer und Landwirte beieinander – wobei auch Letztere oft weit davon entfernt sind, eine homogene Gruppe zu bilden. (Von Dorothea von Dahlen)
Experte Christoph Potthoff berichtete über die aktuelle Entwicklung im Bereich der Landwirtschaft / Südamerikanische Rinderzucht als Negativbeispiel
Im Deutschen Hof in Bad Wilsnack jedenfalls trafen sich Geschäftsführer von großen Agrargenossenschaften wie kleineren Familienbetrieben. Das Gros der Gäste gehört dem Bündnis für eine gentechnisch freie Prignitz an. Mit 36 000 Hektar gentechnikfreier Fläche stellt es den größten Zusammenschluss in Ostdeutschland dar. Wie die Initiatoren Bernd Teigner aus Gumtow und Reinhard Jung aus Lennewitz gestern stolz bekanntgaben, handelt es sich dabei reinweg um Agrarflächen. Bei der Akquise der Flächen seien ihm die Landwirte mit großer Offenheit begegnet, berichtete Jung. Egal wie jeder einzelne seinen Hof bewirtschafte, alle Mitglieder des Bündnisses treibe die gemeinsame Sorge um, dass Chemiekonzerne Patente auf Pflanzen und Tiere erwerben.
Um über neue Entwicklungen in Sachen Gentechnik aufzuklären, hatten Teigner und Jung einen Experten aus Berlin eingeladen. Christoph Potthoff gehört dem „Gen-ethischen Netzwerk“ an, das sich kritisch mit dem Einsatz von Gentechnik in der Nahrung und im landwirtschaftlichen Anbau befasst. „Er ist zwar Naturschützer, aber ein guter Mann“, stellte Jung den ihn vor. Laut Potthoff ist an den Europäischen Rat der Vorschlag herangetragen worden, den Regionen eine größere Entscheidungsbefugnis zuzubilligen, was die Zulassung von Pflanzen betrifft. Für Kritiker der Gentechnik berge dies einerseits eine Chance, größeren Einfluss auszuüben. Doch derzeit zeichne sich noch keine generelle Linie ab. Wenn die EU von Regionen spreche, seien auf Deutschland bezogen die Bundesländer gemeint und auf dieser Ebene gebe es keinen Konsens. Während sich Thüringen und auch Nordrhein-Westfalen zu gentechnikfreien Regionen zusammengeschlossen hätten, lehne Brandenburg eine Mitgliedschaft ab. Es sei zudem unklar, ob und wann darüber entschieden werde.
Während Potthoff das Verbot der genmanipulierten Maissorte Mon 810 als positives Ereignis wertete, wies er andererseits auf weniger erfreuliche Entwicklungen hin. Da die Chemiekonzerne inzwischen gentechnisch veränderte Pflanzen und Herbizide im Doppelpack anbieten würden, sinke die Hemmschwelle, Letztere in großem Ausmaß auszubringen. Insbesondere in Südamerika sei zu beobachten, dass das massenhafte Ausbringen des Wirkstoffes Glyphosat zu erheblichen Vergiftungserscheinungen bei Mensch und Tier führe. Frühgeburten und Organschäden seien die Folge.
Landwirt Ulf Oestreicher aus Abbendorf merkte kritisch an, dass es heutzutage kaum mehr möglich sei, guten Gewissens ein argentinisches Rindersteak zu essen. Schließlich müsse man befürchten, dass die Tiere mit manipuliertem Soja gefüttert würden. Potthoff nannte dies „ein Superbeispiel“ dafür, wie sich eine landwirtschaftliche Produktion zu ihrem Nachteil verändern könne. Ursprünglich habe das argentinische Steak aufgrund der guten Futterbedingungen der Rinder einen exzellenten Ruf genossen. Schließlich hätten die Tiere früher in der weite Gras- und Weidelandschaft Südamerikas grasen können. Inzwischen herrsche aufgrund der größeren Nachfrage auch ein größerer Druck, mehr Rinder aufzuziehen. Im Ergebnis würden die Tiere nicht mehr extensiv und artgerecht gehalten, sondern als Absetzer mit Soja gemästet.
Zum Abschluss flammte kurz die Debatte auf, ob das Ergebnis gentechnischer Veränderung nicht gleichzusetzen sei mit dem konventioneller Züchtungen. Andreas Kiekback aus Pritzwalk verfocht die These. Er sprach sich gegen ein generelles „Verteufeln der Gentechnik“ aus. Das einzige Risiko bestehe darin, dass ein Landwirt zahlen müsse, wenn sein Nachbar patentrechtlich geschützte Pflanzen anbaue und die Pollen das eigene Feld bestäuben.
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