Jenseits von Hype und Dystopie - Das GeN zu den Gefahren geklonter Stammzellen
(Berlin, 17. Mai 2013) In dieser Woche gab ein US-Forschungsteam aus Oregon bekannt, aus geklonten menschlichen Embryonen erstmals Stammzelllinien gewonnen zu haben.* Das Gen-ethische Netzwerk arbeitet seit vielen Jahren kritisch zu diesem Thema und nimmt den Medienhype um die Berichte aus Oregon zum Anlass, einmal mehr auf drei problematische Aspekte der Klonforschung hinzuweisen - und zwar im Hier und Jetzt.
Siehe auch ein Interview mit GeN-Mitarbeiterin Susanne Schultz für die TV-Sendung nano hier.
Die problematischen Aspekte betreffen die Klonforschung
... als Katalysator für die Kommerzialisierung von Körpermaterialien
... als fehlgeleitete Investition in der Gesundheitsforschung
... als Fluchtpunkt vielfältiger Grenzverschiebungen in der Reproduktionsmedizin
„Neben der weiter nötigen Forderung nach einem Klonverbot weltweit braucht es zivilgesellschaftlichen Protest gegen Eizellvermarktung und gegen eine fehlgeleitete Gesundheitsforschung“, so Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk „und nicht das wohlige Schaudern um Science-Fiction-Visionen, die niemals möglich sein werden.“
Zu den drei Punkten:
Erstens ist zu erwarten, dass neue Märkte für Eizellen entstehen und der Trend in Richtung Kommerzialisierung von Körpermaterialien gestärkt wird, sollten wieder mehr Teams in der Stammzellforschung weltweit auf den Zug der Klonforschung aufspringen. Die Gewinnung von Eizellen ist mit enormen gesundheitlichen Belastungen und mit dem Risiko eines gefährlichen Hyperstimulationssyndroms als Folge der Hormonbehandlung verbunden; Frauen sind dazu prinzipiell nur bereit, wenn sie bezahlt werden. Auch in Oregon bekamen die Frauen im Alter zwischen 23 und 31 Jahren Geld für die von ihnen gewonnenen Eizellen. Grundlage für die Klonforschung ist eine Reproduktionsmedizin, die die gesetzlichen Bedingungen und die Infrastruktur für den Zugriff auf die Eizellen ermöglicht: Auch in vielen europäischen Ländern ist hier der Verkauf von Eizellen schon üblich, wenn auch unter dem Deckmantel von „Spende“ und „Entschädigung“. Und auch in Deutschland gibt es derzeit eine starke Lobby, die sich dafür einsetzt, bei reproduktionsmedizinischen Behandlungen auf die Eizellen Dritter zugreifen zu können. Im Zusammenhang mit der Klonforschung stellt sich also einmal mehr die Frage, ob wir - gerade in Zeiten der extremer Krisensituationen in Südeuropa - vorantreiben wollen, dass Frauen in Finanznöten ihre Gesundheit für Paare mit Kinderwunsch oder eben für die Klonforschung riskieren.
Zweitens hinterfragt das Gen-ethische Netzwerk die Nützlichkeit der Grundlagenforschung an geklonten Stammzellen. Schließlich ist der Begriff des „therapeutischen Klonens“ ein Werbebegriff der Forschungslobby: Noch nicht einmal die embryonale Stammzellforschung, deren therapeutische Potenziale nun schon seit 15 Jahren gepredigt werden, hat bisher eine einzige Therapie auf den Markt gebracht. Ein als sensationell gefeierter Versuch zur Behandlung von Rückenmarksverletzungen der Firma Geron wurde abgebrochen. Nur ein einziger klinischer Versuch der Firma ACT zur Behandlung von Augenkrankheiten verlief teilweise erfolgreich - mit sehr wenigen Versuchspersonen. Auch bei den in den letzten Jahren als Alternative zum Klonen gefeierten „rückprogrammierten“ Körperzellen, den sogenannten IPS, befürchten Forscher ein hohes Tumorrisiko. Welche Eigenschaften die aktuellen geklonten Stammzelllinien haben, ist noch völliges Neuland. Das Gen-ethische Netzwerk hinterfragt eine Forschung, die vor allem von Marktkräften in der Biotech-Branche und spekulativen Investitionen vorangetrieben wird. Hier wird eine High-Tech Medizin angestrebt, die - sollte sie überhaupt jemals funktionieren - so kostspielig sein wird, dass sie sich nur wenige werden leisten können. Angesichts einer weltweit extrem ungleichen Gesundheitsversorgung halten wir solche Ansätze geradezu für zynisch, und allemal für unnötig.
Drittens sehen wir das Klonen von Menschen zwar nicht als derzeit reale Gefahr an, wie es manche Medien glauben machen wollen, wohl aber als möglichen Fluchtpunkt langfristiger Grenzverschiebungen. Sollten sich nun wieder mehr Teams international mit dieser Variante der Stammzellforschung beschäftigen - etwa wenn sich die IPS als Flop herausstellen -, dann werden wir uns an diese Forschung gewöhnen. Und dann stellt sich auch die Frage, welche schrittweisen Zugeständnisse uns die Märkte und Gesetzgeber nach und nach in Richtung des sogenannten reproduktiven Klonens abverlangen werden - also des Austragens genetisch mit lebenden Menschen identischer Babys. In den USA ist das reproduktive Klonen bisher nicht verboten. In Deutschland steht zwar das Embryonenschutzgesetz dagegen, aber gerade in den letzten Jahren haben wir diverse gesetzliche „Anpassungen“ erlebt, wenn die Forschungslobby oder die Reproduktionsmedizin genug Druck gemacht haben - siehe Stammzelllinienimporte oder Präimplantationsdiagnostik. Wir wenden uns zwar gegen die Dystopien des Klons im Sinne der persönlichen Kopie. Gleich aussehende Menschen wären immer noch völlig verschieden sozialisierte und gesellschaftlich geprägte Individuen. Aber: Dass das Aussehen eines Menschen in die Bestellkataloge der Reproduktionsmedizin aufgenommen wird, ist an sich auch in Europa schon nichts Neues: Eizellen und Spermien via Katalog gibt es ja schon. Die Grenzverschiebungen in Richtung Klonen laufen in diesem Sinne bereits - nämlich als Kommerzialisierung von Körperteilen und Differenzierung von genetischen Eigenschaften je nach Geldbeutel.
* (download, pdf-Dokument, 3 MB, direkter Link)
Informationen auf der Website des Gen-ethischen Netzwerkes
www.gen-ethisches-netzwerk.de unter den Stichworten der Suchfunktion: Eizellen, Klonen, Klonforschung, IPS, Stammzellforschung
z.B. hier: www.gen-ethisches-netzwerk.de/node/2565
Hintergrundinformationen u.a.:
2009: Ohne Bezahlung? Eizellen für die Forschung: www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/198/schultz/ohn…
Kontakt:
Susanne Schultz susanne.schultz@gen-ethisches-netzwerk.de Gen-ethisches Netzwerk e.V. Biopolitik, Humangenetik, Medizin Brunnenstr. 4 10119 Berlin www.gen-ethisches-netzwerk.de Kampagne DNA Sammelwut stoppen: www.fingerwegvonmeinerDNA.de
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