Reformbedarf bei Nahrungsmittelhilfe

Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen veröffentlichte am 24. Januar dieses Jahres ihren aktuellen "Weltbericht zu Hunger und Unterernährung 2006". Damit stößt sie eine Debatte um die Durchführung von Nahrungsmittelhilfen an, die sie für dringend geboten hält.

Die Welternährungsorganisation FAO kritisiert in ihrem aktuellen Jahresbericht den Umgang der Industrienationen mit internationaler Nahrungsmittelhilfe. Die bisherige Praxis verursache in den Empfängerländern mehr Schaden als Nutzen und sei dringend reformbedürftig. Ein Drittel der für Nahrungsmittelhilfe verfügbaren Ressourcen gehe bei Verpackung, Verarbeitung und Verschiffung verloren, weil die Mittel für die humanitäre Hilfe bislang vielfach noch in den reichen Geberländern selbst erstanden würden. Damit förderten die Geberländer zuvorderst ihre eigenen Industrien. Zudem können die Hilfslieferungen die Märkte der Empfängerländer empfindlich stören oder die örtlichen Systeme zur Erzeugung von Lebensmitteln untergraben, so heißt es bei der FAO. Nur in den wenigsten Krisenlagen seien jedoch direkte Nahrungsmittelimporte notwendig. Deshalb plädiert man dort statt dessen für die Vorsorge durch eine verbesserte Wasserversorgung und Infrastruktur. Für die Ernährungssicherheit sei es angebrachter, "die Leute das Fischen zu lehren, als ihnen Fisch zu geben", sagt FAO-Generalsekretär Jacques Diouf.

US-Hilfe besonders problematisch

Besonders problematisch ist die US-Regierung, die auch heute noch an dieser veralteten, für die Empfängerländer schädlichen Art der Hilfe festhält. Während in der deutschen humanitären Hilfe inzwischen umgesteuert wurde und die Nahrungsmittel hauptsächlich vor Ort besorgt werden, kommt die Nahrungsmittelhilfe des größten Geberlands vollständig aus der eigenen Produktion. Dies kritisiert auch die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH), die die Reformforderungen der FAO unterstützt. "Die amerikanische Regierung setzt bedauerlicherweise immer noch ihre durch Subventionen erzeugten Getreideüberschüsse als Entwicklungshilfe ein", sagt DWHH-Chef Hans-Joachim Preuß. Auf der Hälfte der US-Anbauflächen wachsen bereits gentechnisch veränderte Kulturen von Soja, Mais, Baumwolle und Raps. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass mit GVO kontaminiertes Getreide auch in Krisenregionen geliefert wurde, was unter anderem eine Gefahr für das jeweilige einheimische Saatgut bedeutet. Im südlichen Afrika verweigern deshalb einige Länder bis heute US-Hilfslieferungen mit gv-Mais. Aus dieser Kontroverse zogen im vergangenen Jahr kirchliche Hilfswerke, die in der internationalen Allianz Action by Churches Together (ACT) kooperieren, die Konsequenz. Der Verbund, dem auch die Diakonische Katastrophenhilfe angehört, verpflichtete sich auf den weitgehenden Verzicht auf genveränderte Nahrungsmittelhilfe. In den neuen Richtlinien wird erklärt, dass die Organisationen sich in der Verantwortung sehen für die Sicherheit der Nahrungsmittel und für die biologische Vielfalt. Für beides sollen sich ACT-Mitglieder auch politisch einsetzen. In der humanitären Hilfe sollen gentechnikfreie Nahrungsmittel "soweit wie möglich auf lokalen, regionalen oder nationalen Märkten" eingekauft werden. Wird dennoch gentechnisches Getreide zur Verfügung gestellt, so sollen keinen ganzen Körner verteilt werden. GVO-Getreide muss vor der Auslieferung vermahlen werden, um dessen Ausbreitung zu verhindern. ACT betont dabei, dass die Empfänger durch die Geber über die Herkunft der Nahrung informiert werden müssen, damit "alle Empfänger wählen und entscheiden können, ob sie genetisch veränderte Nahrung möchten oder nicht."
Quellen: FAO urges food aid reform, Pressemitteilung der FAO, 24.01.07 Der FAO-Weltbericht zu Hunger und Unterernährung 2006 mit dem Originaltitel "The State of Food and Agriculture 2006 - Food Aid for Food Security" ist im Netz unter: ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/009/a0800e/a0800e.pdf. Welthungerhilfe begrüßt FAO-Bericht zur Nahrungsmittelhilfe, www.epo.de, 24.01.07 Kirchliche Hilfswerke wollen auf genmanipulierte Nahrungsmittelhilfe weitgehend verzichten, www.epo.de, 03.07.06 Zum Umgang mit genmanipulierten Organismen in der humanitären Hilfe, www.diakonie-katastrophenhilfe.de/174_2038_DEU_HT…

Erschienen in
GID-Ausgabe
180
vom Januar 2007
Seite 46

Ute Sprenger ist Soziologin und freie Publizistin. Sie arbeitet zudem als Beraterin, Trainerin und Gutachterin in der internationalen Zusammenarbeit und in der Technikfolgenabschätzung.

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