Das ethische Aber
Unter welchen Bedingungen wäre eine Legalisierung von Eizelltransfer und Leihschwangerschaft denkbar?
Eine Legalisierung von Eizelltransfer und Leihschwangerschaft wird aktuell fast immer in einem Atemzug genannt. Dabei sind die Argumente dafür bzw. dagegen und die ethischen Fragen die aufgeworfen werden durchaus unterschiedlich. Zeit für eine differenzierte Betrachtung.

Die hormonelle Stimulation der Spender*in dauert etwa zwei Wochen. Foto: © Tamara Sánchez Pérez
Im Auftrag der Ampelkoalition hat eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin untersucht, ob und falls ja unter welchen Bedingungen eine Legalisierung der Eizell„spende“ und der „altruistischen“ Leihschwangerschaft möglich wäre.1 Die Ergebnisse der Kommission liegen seit April 2024 vor.1
Eizell„spende“ und Leihschwangerschaft sind in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz von 1990 verboten. Das Verbot von Eizell„spende“ und Leihschwangerschaft wurde seinerzeit vor allem damit begründet, „gespaltene Mutterschaft“ zu verhindern, diese würde das Kindeswohl beeinträchtigen. Diese Begründung trägt nicht mehr, da sich gezeigt hat, dass es Kindern keineswegs schadet, etwa bei alleinerziehenden oder gleichgeschlechtlichen Eltern oder in Patchwork-Familien aufzuwachsen. Als Nebeneffekt verhinderte das Embryonenschutzgesetz aber die Ausbeutung von Eizell„spender*innen“ und Leihschwangeren, was ein zentrales Problem der Angebote auf dem transnationalen, kommerzialisierten Kinderwunschmarkt ist.3
Der Kommissionsbericht hebt die Perspektive betroffener Paare hervor, die ungewollte Kinderlosigkeit als existenzielle Krise erleben und in der Inanspruchnahme von Eizell„spende“ oder Leihschwangerschaft im Ausland oft die letzte Chance sehen. Die Probleme und Belastungen, die mit dem reproduktiven Reisen verbunden sind, werden ausführlich dargestellt. Gleichzeitig wird festgehalten, dass es keinen Erfüllungsanspruch des Kinderwunsches gibt. Durch Legalisierung im Inland könnten Alternativen zu den persönlich belastenden und oft ethisch fragwürdigen Auslandsangeboten geschaffen werden. Im Unterschied zu anderen Stellungnahmen (z. B. von der Leopoldina4) würdigt der Bericht zwar ausführlich die Interessen der Kinderwunschpaare, stellt sie jedoch nicht einseitig in den Mittelpunkt. Konsequent werden auch die Rechte potenzieller Eizell„spender*innen“, Leihschwangerer und Kinder thematisiert.
In den Medien wurde teilweise behauptet, die Kommission würde die Legalisierung zumindest der Eizell„spende“ empfehlen. Das stimmt so nicht. Die Kommission kommt zwar zu dem Ergebnis, dass es aus verfassungsrechtlicher und ethischer Sicht grundsätzlich möglich ist, die Eizell„spende“ und auch die „altruistische“ Leihschwangerschaft zuzulassen; allerdings müssten dabei zwingend eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, um den Schutz der Rechte aller Beteiligten zu garantieren. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden (können), ist ein Verbot sowohl der Eizell„spende“ als auch der Leihschwangerschaft weiterhin möglich, allerdings mit anderer Begründung.
In einem weiteren Punkt unterscheidet sich der Bericht der Kommission von anderen Stellungnahmen: Eine Vorstellung von Altruismus wird als unangemessen zurückgewiesen, wenn sich diese nur auf die Motive der Eizell„spender*innen“ und Leihschwangeren bezieht, während Agenturen und Kliniken wirtschaftliche Interessen verfolgen. Wirtschaftliche und altruistische Motive von Eizell„spender*innen“ und Leihschwangeren schließen sich nämlich nicht per se aus und ohne angemessene Bezahlung würde Ausbeutung befördert. Wenn überhaupt von Altruismus gesprochen wird, sollte daher insbesondere von den beteiligten Agenturen und Kliniken „Gemeinnützigkeit“ gefordert werden.
Bedingungen für eine Zulassung der Eizellspende
Eine Eizell„spende“ kann die letzte Chance für Kinderwunschpatient*innen sein, selbst ein Kind zu bekommen. Das ist das entscheidende Argument für eine Zulassung. Damit Kinderwunschpaare selbstbestimmt und verantwortungsvoll entscheiden können, sollte ihnen eine gute, möglichst unabhängige Beratung angeboten werden. Zudem müsste bei einer Zulassung der Eizell„spende“ für den Schutz der Rechte der potenziellen Eizell„spender*in“ und der Kinder Sorge getragen werden.
Eizell„spender*innen“ müssten vor Gesundheitsschäden und vor Ausbeutung geschützt werden. Die Eizellabgabe ist mit einem invasiven, fremdnützigen medizinischen Eingriff verbunden, der mit gesundheitlichen Belastungen und Risiken für die „Spender*innen“ verbunden ist.5 Dazu gehören das Überstimulationssyndrom, das durch die hormonelle Stimulation, mit der mehrere Eizellen gleichzeitig zur Reifung gebracht werden, sowie die Eingriffsrisiken bei der Entnahme der Eizellen und deren mögliche Langzeitfolgen. Ein besonderes Problem ist die äußerst dürftige Datenlage, um mögliche Langzeitfolgen für die „Spender*innen“ – etwa für ihre eigene Fruchtbarkeit – zuverlässig abschätzen zu können.2
Mit Blick auf die Gesundheitsrisiken für die „Spender*innen“ wäre außerdem vorzuziehen, kryokonservierte Eizellen zu verwenden, die im Rahmen von „social freezing“ gewonnen wurden und von der Person, von der sie stammen, nicht mehr benötigt werden. Eine gute, unabhängige Beratung auf der Grundlage zuverlässiger Informationen für potenzielle „Spender*innen“ ist daher unabdingbar. Wenn erwogen wird, Eizellabgaben extra für eine Eizell„spende“ zu erlauben, sollten die Stimulationsrisiken durch den Einsatz neuer, schonender Stimulationsverfahren minimiert werden. Dies muss durch unabhängige Qualitätssicherung und Kontrolle sichergestellt werden. Die ärztliche Selbstkontrolle wäre dafür angesichts der wirtschaftlichen Interessen der Kinderwunschzentren nicht ausreichend.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen können Gesundheitsschädigungen durch die Eizellabgabe nicht vollständig ausgeschlossen werden. Daher müssten die Eizell„spender*innen“ durch eine private Versicherung – analog zur Proband*innenversicherung bei klinischen Versuchen – gegen Eingriffsrisiken und langfristige Gesundheitsschäden abgesichert werden. Aus Gerechtigkeitsgründen sollten mögliche Behandlungskosten bei Komplikationen nicht auf die Gesetzlichen Krankenversicherungen umgelegt werden. Außerdem könnte auf Grund europäischer Freizügigkeit kaum verhindert werden, dass etwa prekär lebende Frauen aus Osteuropa als Eizell„spender*innen“ angeworben werden, die keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung hierzulande haben.
Der Ausbeutung sollte durch „angemessene“ Bezahlung entgegnet werden. Und es sollte sichergestellt werden, dass die Zahl der Eizellabgaben pro „Spender*in“ begrenzt werden.
Mit Blick auf die Rechte der Kinder ist insbesondere die Möglichkeit, Auskunft über die Identität der „Spender*innen“ zu erhalten, entscheidend. Daher kommt hierzulande nur die nichtanonyme „Spende“ verbunden mit Register- und Auskunftspflichten in Frage. Zudem sollte der Handel mit Eizellen verboten werden, zum einen, damit keine Eizellen aus anonymen „Spenden“ importiert werden, und zum anderen, um die Gemeinnützigkeit der Angebote sicherzustellen.
Die Einhaltung dieser Bedingungen wäre aus ethischer und verfassungsrechtlicher Sicht zwingend. Dies würde aber sicherlich auch dazu führen, dass kommerzielle Angebote im Ausland – etwa in Spanien und Tschechien – günstiger wären. Es muss damit gerechnet werden, dass deutsche Kinderwunschpaare aus finanziellen Gründen oder aus Interesse an anonymen Eizell„spenden“ weiterhin für Behandlungen ins Ausland fahren.
Bedingungen für eine Legalisierung der Leihschwangerschaft
Die Kommission schließt auch die Möglichkeit einer Legalisierung der „altruistischen“ Leihschwangerschaft nicht aus, sieht hierbei aber erhebliche ethische und rechtliche Herausforderungen. Der Bericht beschränkt sich seinem Auftrag gemäß auf „altruistische Leihmutterschaft“ und unterscheidet dabei zwischen bereits bestehenden persönlichen Nahbeziehungen (z. B. gute Freundin oder Schwester wird Leihmutter) und für den Zweck der Familiengründung gestifteten persönlichen Beziehungen (ggf. vermittelt über eine gemeinnützige Agentur).
Der Bericht würdigt die besondere Situation der Schwangerschaft in mehrfacher Hinsicht: Erstens ist die Schwangerschaft als unersetzbare, leibliche Beziehung zwischen Leihschwangerer und Kind zu verstehen, die nach der Geburt nicht einfach endet und mit komplexen Verantwortlichkeiten zwischen Leihschwangerer, Kind und künftigen sozialen Eltern verbunden ist. Ein Verständnis von Leihschwangerschaft als reine Dienstleistung ist damit ausgeschlossen. Zweitens ist die besondere seelische und körperliche Involviertheit der Schwangeren mit Blick auf den Schutz ihrer Gesundheit und ihrer Autonomie zu berücksichtigen. Ein Verständnis von Leihschwangerschaft als „normale Arbeit“ ist damit ebenfalls ausgeschlossen. Dessen ungeachtet müsste die Leihschwangere für ihren Einsatz angemessen finanziell entschädigt werden.
Die Rechte der Leihschwangeren umfassen die Selbstbestimmung über ihren Körper während der gesamten Schwangerschaft. Verträge, die ihr bestimmte Untersuchungen, Lebensweisen oder gar den Abbruch der Schwangerschaft, sollte der Fötus eine chronische Erkrankung oder Behinderung haben, aufzwingen, können daher nicht zulässig sein. Außerdem muss Leihschwangeren das Recht zugestanden werden, sich innerhalb einer gewissen Frist nach der Geburt gegen die Abgabe des Kindes zu entscheiden. Gleichzeitig muss zum Schutz des Kindeswohls eine klare familienrechtliche Zuordnung des Kindes garantiert sein. Das Kinderwunschpaar müsste sich daher vertraglich dazu verpflichten, bedingungslos die Sorgepflichten für das Kind nach der Geburt zu übernehmen. Außerdem sollten dem Kind nicht nur der Anspruch auf Kenntnis der Umstände seiner Entstehung, sondern auch Kontakt- und Umgangsrechte mit seiner Leihschwangeren zugestanden werden. Im besten Fall blieben die persönliche Verbindung zwischen Kinderwunschpaar, Leihschwangerer und Kind nach der Geburt erhalten, und es würden schon im Vorfeld Umgangsrechte sowie Regelungen für Konfliktfälle vereinbart. Für queere Elternschaft birgt dies durchaus Chancen in Richtung Anerkennung von Co-Parenting-Modellen, während die kommerzielle Leihschwangerschaft als ethisch und verfassungsrechtlich unzulässig ausgeschlossen wäre.
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Die Kommission arbeitete in zwei Gruppen. Arbeitsgruppe I beschäftigte sich mit der Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs und Arbeitsgruppe II mit einer möglichen Legalisierung der Eizell„spende“ und der „altruistischen Leihmutterschaft“. Vgl. Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP 2021-2025, S.116, online: www.kurzlinks.de/gid271-la. [Letzter Zugriff: 04.10.2024]
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Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (2024). Online: www.kurzlinks.de/gid271-lb. [Letzter Zugriff: 04.10.2024]
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Stellungnahme des feministischen Netzwerks gegen reproduktive Ausbeutung (fem*ini) (2021). Online: www.gen-ethisches-netzwerk.de/stellungnahmen/juni…. [Letzter Zugriff: 04.10.2024]
- 4
Vgl. Leopoldina (2019): Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. Für eine zeitgemäße Gesetzgebung. Stellungnahme. Online: www.kurzlinks.de/gid271-lc. [Letzter Zugriff: 04.10.2024]
- 5
Bartram, I./Stüwe, T. (2022): Gutachten: Medizinische Risiken der Eizellspende. Online: www.shop.gen-ethisches-netzwerk.de [Letzter Zugriff: 04.10.2024]
- 2
Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF) (2023): Stellungnahme der Gynäkolog*innen im AKF. Online: www.kurzlinks.de/gid271-ld. [Letzter Zugriff: 04.10.2024]
Dr. Dr. Sigrid Graumann ist Professorin für Ethik an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum.