Rezension – Brisanz der Behindertenbewegung
Die Brisanz der Behindertenbewegung zeigt sich im Spiegel der „Krüppelzeitung“, einer Zeitschrift, die zwischen 1979 bis 1985 erschien. Die vierzehn Nummern der Krüppelzeitung waren ein lebendiges und provozierendes Forum, dass maßgeblich und wichtig im politischen Selbstverständigungsprozess der Behindertenbewegung war. Das vorliegende, von zwei ehemaligen Krüppelzeitungs-Machern verfasste Buch ist nicht nur eine detaillierte Rückschau auf ihre Arbeit. Man muss sich vor Augen führen, welchen Schock es bedeutet haben muss, als Behinderte Anfang der achtziger Jahre selbst das Wort erhoben und Forderungen stellten. Nichts verdeutlicht dies besser als die Protestaktionen gegen das „Jahr der Behinderten“ unter dem Motto: „Verschaukeln und Bevormunden/Nicht mit uns!“ oder „Jedem Krüppel seinen Knüppel“. Aber auch die neu gegründete Partei „Die Grünen“ musste sich sagen lassen, dass ihr behindertenpolitisches Programm „beschämend“ war. 1983 setzte die Krüppelzeitung die Zusammenhänge zwischen Eugenik, Sterilisation und Genforschung auf die Tagesordnung, zu einem Zeitpunkt, als sich die Gentechnikkritik noch nicht wirklich formiert hatte. 1986 schloss sich die Krüppelzeitung mit der Kölner „Luftpumpe“ zur „randschau“ zusammen, die heute in ihrem 24. Jahr erscheint. Den beiden Autoren gelingt es, die sensiblen Streitthemen und die kritischen Knackpunkte der Diskussionen, die die Betroffenen Anfang der achtziger Jahre untereinander führten, in offener und ausgewogener Weise nachzuvollziehen. Im Ganzen also ein spannend geschriebenes und aufschlussreiches Buch.
Alexander v. Schwerin