Rezension: Das Globale Genom
Das globale Genom
Eugene Thackers "Global Genome" will erst einmal gelesen und verdaut sein. Der Professor für Kulturwissenschaften versucht auf gut vierhundert Seiten, die Beziehungen zwischen biologischen Paradigmen und den oft als Globalisierung bezeichneten Formen einer weltweit vernetzten Produktion, Verteilung und Konsumption in ihren (bio)politischen Dimensionen zu analysieren. So zeichnet er zum Beispiel das Verhältnis der Informationstechnologien zur Produktion biologischer Wahrheiten nach; Bioinformatik ist danach die technologische Voraussetzung, mit der aus der Biologie überhaupt erst Produkte mit Warencharakter gemacht werden: Durch Kodierung (das "encoding") entsteht "rekombinantes Kapital". Interessant ist auch der mittlere Teil des Buches zur Zirkulation biologischer Informationen ("recoding"), etwa die Untersuchung des Konzepts der "nationalen Sicherheit" und seiner Transformation zu einer globalen "biologischen Sicherheit". So bestechend klar die Analyse an vielen Stellen ist. Der holistische Anspruch führt dazu, dass Thacker - und damit steht er wahrlich nicht allein - die Wirkmächtigkeit der analysierten Prozesse und Verhältnisse überschätzt und sie nicht immer zu realen Entwicklungen in Bezieh-ung setzt: Die projektierten Perspektiven des isländischen Biobankprojektes wie auch des Human Genome Diversity Project beispielsweise, an denen er Konturen eines "Biorassismus" und "Biokolonialismus" ausmacht, wurden nicht verwirklicht. Dass Thacker es versäumt, dieses Scheitern in die Analyse einzubeziehen, ist umso bedauerlicher, als er an Möglichkeiten von Gegenbewegung besonders interessiert ist; ein ganzes Kapitel widmet er Strategien der Kritik. Trotz dieser Schwächen ist das Buch denen zu empfehlen, die an einer gesellschaftskritischen Analyse der biomedizinischen Forschung und Entwicklung interessiert sind. Konzentriertes Lesen ist allerdings erforderlich!
Eugene Thacker: The globale genome. Biotechnology, politics, and culture. MIT Press 2005, Cambridge (Massachusetts), 464 Seiten, 20,58 Euro, ISBN 0-26270-116-2
Uta Wagenmann war Mitarbeiterin des GeN und GeN-Vorstandsmitglied.