Rezension: Ein tiefer Fall

In Bremen gibt es nur eine Art von Protagonisten, die sich als Hauptfiguren für Kriminalgeschichten anbieten - oder warum erinnert mich Bernhard Kegels Dreh- und Angelpunkt, der Wissenschaftler Hermann Pauli, so an die Tatort-Kommissarin Ina Lürsen (gespielt von Sabine Postel)? Wie auch immer, Pauli, Zoologie-Professor an der Universität der Hansestadt, wird in dem neuen Roman von Bernhard Kegel ganz schön zugesetzt: Nicht nur, dass er die (erste) Leiche finden muss - und das ausgerechnet in dem Labor, das genau über seinem eigenen gelegen ist. Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Mord passierte, während er selbst sich (ein Stockwerk tiefer) einem Nickerchen hingab, anstatt an einem Aufsatz zu arbeiten. Die Ermittlungen rücken ihm auch anderweitig auf die Pelle, insbesondere, da es in diesem Fall auch um die Wissenschaft selbst geht: Vom Olymp derselben wird zu reden sein - und wenn der ins Spiel kommt wartet hinter der nächsten Ecke ja bekanntlich oft genug der tiefe Fall. Der wissenschaftliche Bogen spannt sich von der klassischen Zoologie bis zu den modischsten Ausprägungen der Lebenswissenschaften, der Synthetischen Biologie und zeichnet damit auch Konfliktlinien nach, an denen sich etwas verstaubt anmutende Systematiker und die aktuellen Helden aus Molekularbiologie und Genomforschung gegenüberstehen. Ein spannendes wie auch interessantes Buch. Dem Autor kann nicht zuletzt für sein gutes Näschen gratuliert werden: Nach Guttenberg wird das Buch gerade wegen seines sicheren Blicks in die Wissenschaftswelt bestimmt - und zurecht! - seine Leserschaft finden; Kegel wird mit den Arbeiten an „Ein tiefer Fall“ bereits begonnen haben, als derselbe des Grafen seinen dramatischen Verlauf nahm. Trittbrettfahrerei oder gar Ideenklau dürfen wir bei ihm, Kegel, also nicht erwarten...
Christof Potthof
Bernhard Kegel: Ein tiefer Fall. Mare-Verlag (2012), 512 Seiten, gebunden, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86648-165-7.

Erschienen in
GID-Ausgabe
211
vom Mai 2012
Seite 48