Schweiz: Gentechnikfrei!
Die Schweizer Bevölkerung hat sich per Volksentscheid für ein fünfjähriges Gentechnik-Moratorium in der Landwirtschaft ausgesprochen. Bis zum November 2010 ist somit der kommerzielle Anbau gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen, der Import von gv-Saatgut und die Einfuhr sowie die landwirtschaftliche Nutzung transgener Tiere in der Schweiz verboten.
Die Volksinitiative "für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft" (Gentechfrei-Initiative) wurde am 27. November mit deutlicher Mehrheit - 55,7 Prozent der abgegebenen Stimmen - angenommen. Auch alle 26 Kantone des Landes sprachen sich für das Moratorium aus. Ein bemerkenswerter Erfolg angesichts der Tatsache, dass es erst das 15. Volksbegehren ist, das in der Schweiz seit Einführung des Initiativrechts im Jahre 1891 angenommen wurde. Die Initiative war im September 2003 eingereicht worden, nachdem es nicht gelungen war, das Moratorium in das im März 2003 verabschiedete Gesetz über die Gentechnikfreiheit im außerhumanen Bereich zu verankern. Vom Nationalrat war das Volksbegehren im Juni 2005 mit knapper Mehrheit abgelehnt worden, nachdem zuvor schon der Bundesrat und der Ständerat ihr Votum gegen die Initiative abgegeben hatten.
Vorreiterrolle für die Schweiz
Die Initiatoren des Moratoriums - ein Bündnis von Umwelt-, Verbraucher- und Landwirtschaftsorganisationen, unterstützt von ParlamentarierInnen - haben nun die schweizerischen Bundesbehörden aufgefordert, dem Volkswillen in der Agrar- und Handelspolitik Rechnung zu tragen und die Agrar- und Handelspolitik in den nächsten fünf Jahren auf Gentechnikfreiheit auszurichten. Die Schweiz solle in der Produktion gentechnikfreier Lebensmittel und in der Züchtung von gentechnikfreiem Saatgut eine Vorreiterrolle anstreben. In diesem Sinne dürften auf internationaler Ebene keine Abkommen abgeschlossen werden, die die gentechnikfreie Landwirtschaft gefährden könnten. Grüne und Sozialdemokratische Partei begrüßten das Ergebnis, sie sehen darin eine Stärkung der ökologischen Landwirtschaft, eine Chance für die Schweizer Landwirtschaft, die sich im europäischen Markt behaupten müsse. Der Präsident der Schweizerischen Volkspartei Ueli Maurer dagegen äußerte die Ansicht, das Moratorium bringe gar nichts, da ja ein Bewilligungsverfahren für die Freisetzung eines gentechnisch veränderten Organismus selbst schon länger als fünf Jahre dauere.
Image gefährdet?
Das Moratorium bezieht sich nicht auf den Import von gentechnisch veränderten Nahrungs- und Futtermitteln, dieser bleibt in der Schweiz weiterhin erlaubt. Auch Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen sind in Zukunft möglich, wenn die Auflagen des Schweizer Gentechnikgesetzes erfüllt sind. Trotzdem wertet die konservative Christlichdemokratische Volkspartei das Ergebnis der Volksabstimmung als "Misstrauensvotum an die Forscher" und der Präsident der wirtschaftsliberalen Freisinnig-Demokratischen Partei Fulvio Pelli sieht das Image des Forschungsstandortes Schweiz gefährdet. Im Vorfeld der Abstimmung hatte eine Gruppe von 80 Wissenschaftlern das Moratorium in einer gemeinsamen Erklärung jedoch ausdrücklich als Chance für die Forschung begrüßt.(1) Das Moratorium betreffe keineswegs die Forschung, sondern nur die landwirtschaftliche Nutzung der Gentechnik, so die Wissenschaftler. Es gebe die Möglichkeit, in dieser Zeit intensiv die Nutzen und Risiken der Gentechnik in der Landwirtschaft untersuchen zu können.
Signalwirkung
Dem Basler Appell gegen Gentechnologie ist das Moratorium nicht weitreichend genug. Trotzdem ist "die Freude über das Abstimmungsergebnis groß, lief die millionenschwere Gegenkampagne der Gentech-Lobby doch diesmal ins Leere". Die Zukunft der Gentechnik europaweit werde von der Schweiz maßgeblich mitbestimmt, deshalb sei der Erfolg der Gentechfrei-Initiative ein Signal von größter Bedeutung. "Dieses Abstimmungsergebnis steht nicht nur für die Meinung in der Schweiz, sondern verdeutlicht die Stimmung der Bevölkerung europaweit”, so Adrian Bebb, von der Organisation Friends of the Earth. "Die Bürger wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel zu sich nehmen." Auch in Deutschland ist die Mehrheit der Verbraucher - Umfragen zufolge 79 Prozent - gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel.
Fußnote:
- Erklärung von WissenschaftlerInnen für die Gentechfrei-Initiative unter www.gentechfrei.ch/pdfs/forscher_221105.pdf
Quellen:
- Basler Zeitung, 27.11.05
- FAZ, 27.11.05
- PM Basler Appell gegen Gentechnologie, 27.11.05
- International Herald Tribune, 28.11.05
Theresia Scheierling ist Redakteurin beim Gen-ethischen Informationsdienst (GID).