"Transgenes Labor"

In Deutschland befinden sich insgesamt vier Hochsicherheitslabore für gentechnische Arbeiten im Bau oder in der Planung. Es stellt sich die Frage, ob es ein zusätzliches Risiko bedeutet, wenn mit Krankheitserregern gentechnisch gearbeitet wird.

Sicherheitslabore, in denen mit Krankheitserregern gearbeitet wird, waren in den letzten Monaten verstärkt in den Medien. Nicht nur, aber auch wegen der Vogelgrippe, deren Erreger im Sicherheitslabor des Friedrich-Löffler-Institutes auf der Insel Riems nachgewiesen wurde. An Mikroorganismen, die schädlich für Menschen, Nutztiere und die Umwelt sind, wird vor allem mit dem Ziel geforscht, in Zukunft Schäden verringern oder sogar vermeiden zu können. Bei dem Erreger der Vogelgrippe zum Beispiel wird mit den krankheitserregenden Keimen an der Entwicklung von Nachweisverfahren gearbeitet. Der Umgang mit solchen Keimen birgt aber nicht nur für das Laborpersonal Gefahren. Wenn durch einen Unfall Keime aus einem Labor gelangen, können sie eine Gefahr für die Menschen und die Umwelt darstellen. Um den Schutz von Menschen und Umwelt zu gewährleisten, werden in der Regel durch nationale Gesetze Sicherheitsvorkehrungen für Labore vorgeschrieben, die sich an dem Ansteckungsrisiko der Keime orientiert. International gibt es keine verbindliche Liste mit einer Einteilung von pathogenen Mikroorganismen in unterschiedliche Risikogruppen. Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) hat allerdings Sicherheitsbestimmungen für die Arbeit mit infektiösen Agenzien erarbeitet und Definitionen von vier verschiedenen Risikogruppen gegeben.(1) Deshalb ähneln sich international durchaus die Einteilungen, die durch einzelne Länder vorgenommen werden.

Geringes, mäßiges oder hohes Risiko?

Die niedrigste Risikogruppe, Einstufung oder "Biosafety Level" gilt für biologische Agenzien, die gut charakterisiert sind und ein minimales potentielles Risiko für Menschen und die Umwelt darstellen. Die Einstufungen 2 bis 4 basieren auf einer Einschätzung der Organismen gemäß eines geringen, eines mäßigen oder eines hohen Risikos für die menschliche Gesundheit, Nutztiere und die Umwelt. Auf europäischer Ebene gibt die Arbeitsschutz-Richtlinie für den Umgang mit biologischen Stoffen eine Einteilung der Krankheitserreger für den Menschen vor.(2) In Deutschland dagegen enthält die Liste risikobewerteter Spender- und Empfängerorganismen, die vor allem für gentechnische Arbeiten bestimmt ist, zusätzlich auch tierische Krankheitserreger. Für die Einstufung von Krankheitserregern, vor allem von Erregern, die auch Menschen befallen, ist zunächst vor allem die Infektiosität ausschlaggebend, das heißt die Fähigkeit eines Erregers, einen Wirt zu infizieren. Hinzu kommt die Pathogenität, also die Schwere der Krankheit. Dies ist nach der so genannten Biostoff-Verordnung (3) ausreichend für Erreger, die nicht gentechnisch verändert sind. Demgegenüber werden für die Risikoeinstufung von Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen die Eigenschaften des Empfänger- oder Ausgangsorganismus sowie des Spenderorganismus und das daraus verwendete genetische Material, das in den Empfängerorganismus eingebracht werden soll, beurteilt. Auch der Vektor, soweit einer verwendet wird, wird bewertet. Schließlich wird der aus der Tätigkeit hervorgehende gentechnisch veränderte Organismus ebenfalls einer Eigenschaftsprüfung unterzogen. Gerade aber diese Eigenschaftsprüfung des gentechnisch veränderten Organismus ist ein entscheidender Punkt: Schließlich basieren gentechnische Arbeiten nach wie vor auf dem zentralen Dogma, dass ein Gen für ein Protein codiert. Dieses einfache Additionsprinzip bedeutet, dass der Empfängerorganismus lediglich das Protein des eingefügten Gens produzieren und keine weiteren Eigenschaftsveränderungen erfahren wird. Dieses Dogma gilt allgemein als veraltet und die Notwendigkeit, dass die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen einer Anpassung bedarf, wird diskutiert. Bei gentechnischen Arbeiten mit Krankheitserregern wird dies vor allem offenkundig, wenn mit an sich schon onkogener ­ also krebsauslösender ­ DNA gearbeitet wird. Allerdings werden mögliche Auswirkungen, die onkogenes Material auf die Eigenschaft eines Empfängerorganismus haben kann, von Fall zu Fall diskutiert.

Höchstes Risiko oder höchste Sicherheit?

Unter die Risikogruppe 4 fallen ausschließlich Viren. Neben dem Ebola-Erreger und dem des Lassa-Fiebers ist darunter zum Beispiel auch der Erreger der Maul-und-Klauenseuche. Dies alles sind Viren, bei denen ein kurzer Kontakt zu Erkrankten oder zu infektiösem Material für eine Infektion genügt. Das HI-Virus, das die Immunschwäche AIDS auslöst, wurde nicht in die höchste, sondern in die Risikogruppe 3 eingeordnet. Grund hierfür ist, dass das HI-Virus nur bestimmte Körperzellen befällt und außerhalb des Körpers nicht lange überlebensfähig ist. Während eine Einstufung eines Organismus in die Risikogruppe 1, also zu den Organismen, die nach dem Stand des Wissens kein Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellen, noch nachvollziehbar erscheint, wird die Unterscheidung zwischen einem geringen und einem mäßigen Risiko, den ein Organismus birgt, nicht mit Kriterien belegt.

Gut für Überraschungen

Wichtig neben dieser Einstufung ist aber, ob durch die gentechnischen Arbeiten die Krankheitserreger abgeschwächt werden oder möglicherweise das Gegenteil bewirkt wird. Abgeschwächte Erreger finden beispielsweise in Impfstoffen Anwendung. Aber gentechnische Arbeiten können auch so aussehen, dass dem HI-Virus in bestimmten Zellkulturen andere Hüllproteine angeboten werden. Das Virus nimmt diese andere Proteinausstattung an und erhält so die Fähigkeit, ein weiteres Spektrum an Zellen zu befallen. Damit können Virus-Partikel, die solchen gentechnisch veränderten Zelllinien entstammen, infektiöser oder stabiler werden. Die Frage nach dem Umgang mit gentechnisch veränderten Viren und deren unbekanntem Potential stellt sich generell. Und die Arbeit mit Viren kann durchaus Überraschungen beinhalten: Im Februar 2001 beobachtete eine australische Arbeitsgruppe unerwartete Eigenschaftsveränderungen eines gentechnisch veränderten Pockenvirus (Ectromelia Virus). In das Virus war das Gen für den Stoff Interleukin 4, der in der menschlichen Immunantwort eine Rolle spielt, eingebracht worden. Eigentliches Ziel des Versuches sollte sein, Mäuse unfruchtbar zu machen. Über noch unbekannte Mechanismen unterdrückte das Virus die zellspezifische Immunreaktion, so dass sowohl Mäuse, die gegen Pocken geimpft waren, als auch Mäuse, die bisher eine genetisch bedingte Resistenz gegen murine (bei Mäusen vorkommende) Pocken gezeigt hatten, mit tödlichen Folgen an dem Pockenvirus erkrankten. Bei Viren kommt für eine Risikobewertung erschwerend hinzu, dass es bei einer Infektion in der Regel keine direkten Therapiemöglichkeiten gibt. Gegebenenfalls kann ein vorbeugender Schutz über eine Impfung erzielt werden. Diese Impfmöglichkeiten sind aber nicht bei allen Viren gegeben. Darüber hinaus muss auch gefragt werden, inwieweit bei gentechnisch veränderten Viren ein vorhandener Impfschutz beziehungsweise eine Impfmöglichkeit aufgrund der Veränderungen überhaupt noch wirkt.

Biologische Sicherheitsmaßnahmen

Der Gefährlichkeit dieser Arbeiten mit den krankheitserregenden Organismen wird auf zweierlei Art und Weise begegnet: Neben baulichen Vorkehrungen in den Laboren kommen auch so genannte Sicherheitsstämme der Mikroorganismen (in der Regel Bakterien) zum Einsatz. Diese werden als ungefährlich eingestuft, vor allem weil ihre Vermehrung außerhalb der gentechnischen Anlagen als nicht möglich eingeschätzt wird. In diese Organismen werden zum Beispiel die zu untersuchenden DNA-Abschnitte von sehr gefährlichen Organismen eingesetzt, um deren Risikopotential zu mindern. Diese Maßnahme kann auch dazu führen, dass die Anforderungen an die Anlagen, in denen die Arbeiten durchgeführt werden sollen, um eine Sicherheitsstufe gesenkt werden.

Deutschland vorn in Europa

In Deutschland wird die Forschung an Viren, die in die höchste Risikogruppe fallen, derzeit vorangetrieben: Insgesamt befinden sich vier S4-Labore im Bau oder in der Planung. Bisher gibt es erst zwei Labore der höchsten Sicherheitsstufe, in Marburg und Hamburg, die aber bisher nicht für gentechnische Arbeiten zugelassen waren. Das erste neue S4-Labor in Deutschland, das sich im Bau befindet, gehört zur Phillips-Universität in Marburg. Das andere im Bau befindliche S4-Labor, das ab Ende 2006 das bundesweit größte S4-Labor werden soll, entsteht am Robert Koch-Institut in Berlin. Auch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und das Friedrich Löffler-Institut auf der Insel Riems planen jeweils ein S4-Labor. Damit setzt sich Deutschland europaweit an die Spitze der Virenforschung. In Frankreich, Schweden und Italien arbeitet je ein Labor in der höchsten Sicherheitsstufe, Großbritannien unterhält drei Labore, wovon sich eines noch im Bau befindet. Ob diese Labore auch die Genehmigung besitzen, gentechnisch zu arbeiten, darüber finden sich unterschiedliche Angaben. In den S4-Laboren kann an Viren, die Ebola oder das Lassa-Fieber auslösen, gearbeitet werden. Die Anforderungen an diese Labore sind entsprechend hoch: Nach der Gentechnik-Sicherheitsverordnung muss in S4-Laboren ein Unterdruck herrschen. Druckveränderungen müssen einen akustischen Alarm auslösen. Die Labore sind nur über eine dreikammerige Schleuse betretbar. Personen, die in einem S4-Labor arbeiten, müssen in einem permanenten Kontakt mit jemandem außerhalb des Labors stehen. Es muss einen Notfallplan geben, um das Austreten vermehrungsfähigen biologischen Materials aus der gentechnischen Anlage zu verhindern. Doch natürlich sind auch Labore der Stufe S4 trotzdem nicht vor Unfällen gefeit. Allerdings ist angesichts der recht hohen Überwachung ein größerer Unfall eher durch von außen einwirkende Kräfte wie einen Flugzeugabsturz oder Anschläge zu befürchten. Kommt es zu einem unbeabsichtigten Entweichen von Keimen in die Umwelt, kann man davon ausgehen, dass das Überleben etwa in Aerosolen in der Regel mit der Zeit und damit der Entfernung abnimmt. Damit stellt sich generell die Frage, ob gentechnische Anlagen, die mit Humanpathogenen arbeiten, in der direkten Nachbarschaft von Wohnbebauung zulässig sind und gebaut werden sollten oder ob abgelegene Orte wie die Insel Riems vorgezogen werden sollten. Solche Überlegungen, ob Sicherheitslabore in der Nähe von Siedlungen gebaut werden sollten, gelten aber nicht nur für gentechnische Sicherheitslabore der Stufe 4 sondern durchaus auch der Stufe 3. Bisher ist weltweit noch kein Unfall bekannt geworden, bei dem die Zivilbevölkerung nachweislich durch gentechnisch veränderte Keime betroffen war. Dennoch ist Vorsorge im Umgang mit biologischen Agenzien besonders wichtig, weil diese in der Lage sind, sich ­ im Fall von Viren in ihrem Wirt - zu vermehren und weiter zu entwickeln.

Fußnoten

  1. Laboratory Biosafety Manual der WHO, Genf 2004: www.whqlibdoc.who.int/publications/2004/924154650….
  2. EU-Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit. Im Netz unter: www.europa.eu.int/eur-lex/lex/RECH_naturel.do
  3. Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, zuletzt geändert am 23.12.04; im Netz unter: www.gesetze-im-internet.de/biostoffv/index.html.
Erschienen in
GID-Ausgabe
177
vom August 2006
Seite 30 - 32

Katja Moch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Öko-Institut, Freiburg (Breisgau), beschäftigt sich mit der Technikfolgenabschätzung neuer Technologien, insbesondere der Anwendung der Gentechnik im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion.

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Kaum Ahnung

Am Center for Disease Control in Marburg an der Lahn wurden verschiedene Kombinationen des in letzter Zeit zu trauriger Berühmtheit gekommenen H5N1-Vogelgrippevirus mit dem Menschengrippevirus H3N2 getestet. Der Versuch zielt auf ein Szenario, dass sich der bisher nur selten auf den Menschen übertragene und dann tödliche Vogelvirus mit einem gewöhnlichen Grippevirus des Menschen zu einer gefährlichen Zeitbombe verbindet. Doch die Forscher waren überrascht: Die Frettchen, an denen die neuen Kombinationen ausprobiert wurden, da sie in ähnlicher Weise an Grippe erkranken wie Menschen, niesten nicht einmal leise, wie die Süddeutsche Zeitung zu berichten wußte. Auch seien keine Argenossen in Nachbarkäfigen angesteckt worden. Die getesteten Mixturen erwiesen sich allerdings als viel schwächer als der normale H3N2-Virus, was zunächst beruhigend ist, allerdings wurde hier, wie der Influenza-Experte Hans-Dieter Klenk vom Institut für Virologie der Universität Marburg bestätigte, nur ein Bruchteil der möglichen Gen-Kombinationen zwischen den beiden Viren getestet. (al/pau) Quelle: Süddeutsche Zeitung, 03.08.06