Überblick: Spurensuche
In der europäischen Debatte um die so genannte grüne Gentechnik dreht sich derzeit fast alles um die Begriffe Kontamination und Koexistenz. Letztere erscheint von der Politik beschlossen und sucht nun nach ihren Regeln. Dabei wird deutlich, der Aufwand ist praktisch nicht zu leisten und geht oft zu Lasten derer, die mit der neuen Technologie nichts am Hut haben.
Die von Proponenten der Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und gentechnikfreien Produkten steht derzeit in spezieller Art auf dem Prüfstand: Verunreinigungen von Langkornreis mit einer nicht zugelassen transgenen Sorte der Firma Bayer Cropscience sind in einer Reihe von Ländern zu beklagen. Sie finden ihren Ursprung in Freisetzungsversuchen in den USA. Antje Lorch begibt sich mit ihrem Artikel auf die Spurensuche. Dazu dokumentieren wir einen internationalen Aufruf an die Lebensmittel-Überwachungs-Behörden. Diese Spuren scheint Mute Schimpf in ihrer Arbeit über die Rolle von Maschinen-Verunreinigungn und deren Beitrag zu Kontaminationen bereits aufgespürt zu haben. Ein bisher sträflichst vernachlässigter Aspekt wird von ihr ans Licht der Öffentlickeit gebracht und zeigt: In der Praxis stellt sich die Frage nach Koexistenz anders als in einem Brüsseler Glaspalast.
Kennzeichnungsgrenzen
Soja wird zwar in Europa nur an wenigen Orten angebaut, doch wenn genauer hingeschaut wird, dann sind seine gentechnisch veränderten Varianten häufiger zu finden, als es Konsumentinnen und Konsumenten lieb sein kann. Untersuchungen von Lebensmitteln zeigen, dass die Wahlfreiheit immer häufiger eingeschränkt ist, da die Verunreinigung, wenn auch oft nur in Spuren, das heißt unterhalb der gesetzlichen Grenze für eine Kennzeichnung, bereits Realität ist. Theresia Scheierling spürt diese Spuren auf. Um die Vermeidung von Verunreinigungen geht es in dem Praxishandbuch "Bioprodukte ohne Gentechnik", das von Peter Röhrig vorgestellt wird. Der Biolandbau ist durch die Gentechnik besonders bedroht, da er gentechnikfrei bleiben muss und will, nicht zuletzt, weil seine Kundschaft daran ein spezielles Interesse hat. Doch beschränken sich viele der Erkenntnisse und Forderungen nicht auf die ökologische Landwirtschaft. Gentechnikfreiheit ist per se mit einem Aufwand verbunden, den in erster Linie die Verursacher leisten und bezahlen müssen - dafür muss der Gesetzgeber sorgen. Abstände hin - Abstände her. Neue Untersuchungen zu Abstandsregeln beim Anbau von gv-Mais zeitigten Ergebnisse, die manch einen überrascht haben dürften. Gefallen haben sie den Gentechnikverfechtern sicher nicht. Ob Wind bald verboten wird in den Anbaugebieten von gentechnisch verändertem Mais und wie sehr die Empfehlungen für besagte Abstände auseinandergehen, zeigt der Autor dieses Textes in einem weiteren Beitrag. Ergänzt wird dies durch eine Übersicht: Welche Regeln gelten und was ist der Stand bei den Untersuchungen?
Unbefriedigende Regelungen
Die Diskussion um die Koexistenz zeigt zum wiederholten Male, dass sich bei genauerem Hinschauen eher immer wieder neue Fragen auftun, als dass eine für alle befriedigende Sachlage mit der Möglichkeit einer vernünftigen Regelung die Bühne betritt. Unbefriedigend bleiben diese Regelungen aber vor allem, weil der Eindruck entsteht, Kontaminationsfälle werden von den beteiligten Unternehmen, wenn nicht gar begrüßt, so doch wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Leuchtendes Beispiel
Doch macht die internationale Bewegung für gentechnikfreie Landwirtschaft Mut. Ein leuchtendes Beispiel hierfür ist die Schweiz, wo vor einem Jahr ein Volksentscheid zu einem fünfjährigen Moratorium für die Kommerzialisierung von GVO geführt hat. Der Text der Initiative wird nun mit konkreten Inhalten gefüllt. Im Jahre 2010 soll wieder geschaut werden, was gut ist für die schweizer Landwirtschaft, wichtige Zeit, die genutzt werden kann und muss.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.