Wind? Verboten!

Kontaminationen in Feld und Flur werden wohl in Zukunft hingenommen werden müssen, wenn es nach den Proponenten gentechnisch veränderter Pflanzen geht. Auch die Ergebnisse von Anbauversuchen aus dem letzten Jahr sorgen nicht dafür, dass GVO zu den Akten gelegt werden. Über Probleme jenseits von Abstandsdiskussionen schweigt sich die Wissenschaft weitgehend aus.

WissenschaftlerInnen sind sich gerne ihrer Sache sicher. Erst vor etwas mehr als zwei Jahren hat der Verein Innoplanta (1) auf seinem Herbstforum 2004 den Pflanzenforscher W. Eberhard Weber aus Halle an der Saale vortragen lassen, dass der Abstand zwischen transgenen und konventionellen Maisfeldern nicht mehr als 20 Meter betragen muss. Das reiche, um die Koexistenz zu sichern. Schaut man auf die Ergebnisse dieses Jahres, dann muss das Ergebnis heißen: 20 Meter reichen, um die Kontamination zu sichern. Bei den Versuchen mit Körnermais, 2005 in Bayern durchgeführt, wurde zum Beispiel in der Hauptwindrichtung nach 20 Metern Abstand noch bis zu acht Prozent Verunreinigung mit dem gentechnisch veränderten Material gefunden.(2)

50 plus 25 Meter?

Inge Broer, Professorin an der Uni Rostock, fällt nach der Präsentation der Ergebnisse in Bayern aus dem vergangenen Jahr nichs Besseres ein als: "Ein wichtiges Ergebnis war, dass wir 2005 einen starken Windeffekt hatten, so dass wir nicht mehr die Ergebnisse über alle Himmelsrichtungen mitteln konnten wie 2004, sondern die Himmelrichtungen separat betrachten mussten." Eine andere Weisheit von Frau Broer: "Auf Grund unserer Ergebnisse können wir ganz klar sagen: Ein Abstand von 50 Metern mit einer beliebigen anderen Feldfrucht ist ausreichend, wenn man den angrenzenden Maisstreifen von 25 Metern zusammen mit dem gentechnisch veränderten Mais verwertet und entsprechend kennzeichnet."(3) Abgesehen davon, dass dies alles ist, nur keine klare Aussage. Hier wird vor allem deutlich, wie sehr sich Frau Broer streckt, die Möglichkeit der so genannten Koexistenz zu beschwören. Denn tatsächlich meint sie: Halten Sie einen Abstand von mindestens 75 Metern ein. Doch scheint auch das nicht wirklich auszureichen, denn ein empfohlener Abstand sollte einem Landwirt auch dann eine Sicherheit geben, wenn nicht alle äußeren Parameter so eingestellt werden können, wie es diese Art von Wissenschaft gerne hätte. Sprich, die Ernte nicht beliebig gemischt werden kann, weil zum Beispiel die Fläche mit gv-Mais nicht in der Mitte eines großen Schlages des gleichen Bewirtschafters liegt, sondern in der Nähe ein Nachbar seine Felder bewirtschaftet.

Oder 50 Meter?

Einer der Wissenschaftler, die in der deutschen Debatte um den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft äußerst präsent sind, ist Joachim Schiemann vom Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit der Biologischen Bundesanstalt in Biologische Bundesanstalt in Braunschweig. Auf die Frage, wie groß die Abstände zwischen Maisfeldern sein müssten, um die Auskreuzung auf ein akzeptabeles Niveau zu reduzieren, antwortete er: "Die Literatur, die wir studiert haben legt nahe, dass 20 bis 25 Metern genug sein werden. Neuere Ergebnisse aus Deutschland legen allerdings nahe, dass, abhängig von den Windverhältnissen, die Abstände größer sein müssen. Dies könnten etwa 50 Meter sein."(4)

Oder 150 Meter?

Bei der Präsentation der Ergebnisse von bayerischen Untersuchungen zu den notwendigen Abständen zwischen gentechnisch veränderten und konventionellen Maisfeldern dringen die Empfehlungen dann auch langsam in Sphären vor, die zumindest ansatzweise realistisch erscheinen: Der Landwirtschaftsminister des Freistaates Josef Miller (CSU) hatte bereits im Juni dieses Jahres seine Empfehlung für den einzuhaltenden Abstand zwischen transgenem und konventionellem Mais auf 150 Meter hochgeschraubt, wenn Körnermais geerntet werden soll.( 4a) Verbunden mit dieser korrigierten Empfehlung ist auch die Konsequenz, dass der Freistaat seinen Nachbarn einen Ausgleich für gegebenenfalls auftretende Verunreinigungen anbietet. Es kommen durch die veränderte Einschätzung neu vom diesjährigen Versuchsanbau mit gv-Mais Betroffene hinzu. So entspricht die Empfehlung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums denen von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU). Nach allem, was aus dessen Hause an die Öffentlichkeit dringt (zum Beispiel der von Greenpeace veröffentlichte Entwurf des Eckpunktepapiers zum neuen Gentechnikgesetz), wird Seehofer ebenso für einen Abstand von 150 Metern plädieren.

Oder 900 Meter?

Diese Reihe lässt sich durchaus noch fortsetzen. Der Gentechnik-Konzern Monsanto zum Beispiel rät der Landwirten, die transgenen Monsanto-Mais anbauen, zu ihren Nachbarn aus der Biobranche einen Abstand von 300 Metern einzuhalten. Der Konzern gibt vor, dies liege an einer fehlenden Regelung mit den dann Betroffenen nach Art des so genannten Märka-Modells (siehe Kasten). Andere an der Diskussion Beteiligte scheuen sich nicht, Entfernungen von bis zu 1.000 Metern zu fordern. Josef Wüest vom Schweizerischen Bauernverband zum Beispiel stellte auf einer Tagung in der Schweiz 900 Meter zur Diskussion, "im gegenwärtig unsicheren Umfeld" eine hohe "Sicherheitskomponente" berücksichtigend.(5)

Nur Abstand?

Ausgeklammert bleibt bei dieser Diskussion, dass Abstandsregeln bei weitem nicht alles sind. Das mag daran liegen, dass sich die so genannte Koexistenz-Diskussionen in Deutschland (und Europa) derzeit in erster Linie um den Anbau von gv-Mais drehen. Es kann aber auch sein, dass sich die Anhänger der Technologie taub stellen, wenn es um die Forderungen von KritikerInnen und anderen geht, den gesamten Warenfluss zu berücksichtigen. Die Entwickler verschiedener Modelle gehen von Schritten in einem "gefährdeten" Warenfluss aus.(6) Demnach werden unterschieden (in Klammern die mögliche Quelle einer Verunreinigung): Saatbettvorbereitung (Samenbanken im Boden aus der Vorkultur, Samen via Stroh und Hofdünger, Samen-Verschleppung durch Maschinen), Aussaat (Vermischung in der Sämaschine, verunreinigtes Saatgut), Wachstum und Pflegemaßnahmen (Pollen von gv-Pflanzen in der Nachbarschadft, von verwilderten gv-Pflanzen oder verwandten Arten, Verschleppung durch Maschinen, Samen via Stroh und Hofdünger), Ernte (Vermischung in der Erntemaschine), Nacherntemaßnahmen (Samenbanken im Boden aus der Vorkultur), Lagerung und Verarbeitung und Transport (Vermischung bei der Lagerung, bei der Verarbeitung oder beim Transport). Besonders die mögliche Quelle von Verunreinigungen durch Maschinen wurde in der hiesigen Diskussion, wie auch in der Forschung schwer vernachlässigt. Der Artikel von Mute Schimpf in diesem Heft zeigt das anschaulich.

Recht auf 0,9 Prozent Kontamination?

Ein zentraler Streitpunkt in der aktuellen Debatte aber ist: Wofür stehen die Grenzwerte, die mit all diesen wohlfeilen Maßnahmen eingehalten werden sollen? Sind es Obergrenzen der Kontamination, mit dem Recht auf vollständige Ausschöpfung? Der Grenzwert von 0,9 Prozent (7) zum Beispiel findet im Moment - aus der Perspektive der Politik (respektive der EU-Kommission) - Anwendung bei Lebensmitteln (zum Beispiel im Supermarktregal), aber auch bei der Ernte auf dem Feld oder bei den Rohstoffen und Produkten aller weiteren Verarbeitungsschritte. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Verarbeiter oft niedrigere Grenzwerte ansetzen, um sich im Produktionsprozess Spielraum nach oben freizuhalten, da sich verschiedene Verunreinigungen aufaddieren können.

Zufällig - oder doch nicht zufällig?

Die Passage der entsprechenden EU-Verordnung, in der der Grenzwert steht, lautet, die Verordnung gelte für solche Lebensmittel "mit einem Anteil, der nicht höher ist als 0,9 Prozent der einzelnen Lebensmittelzutaten oder des Lebensmittels, wenn es aus einer einzigen Zutat besteht, vorausgesetzt, dieser Anteil ist zufällig oder technisch nicht zu vermeiden." (Entsprechendes gilt für Futtermittel.) Was aber "zufällig oder technisch nicht zu vermeiden" genau bedeutet, ist nur insofern erklärt, als dass Unternehmer "geeignete Schritte" unternommen haben müssen, das Vorhandensein derartiger (gentechnisch veränderter) Materialien zu vermeiden. Benny Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft vertritt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Ökologie & Landbau die Ansicht, dass der "GVO-Anbau in der Nachbarschaft (...) weder zufällig noch unvermeidbar" ist.(8) Er weist damit von den diversen Schritten der Lebensmittelverarbeitung wieder zurück auf die Anbausituation auf dem Acker und zugleich zeigt er zugleich, wie der Artikel 26a in der EU-Freisetzungsrichtlinie zu verstehen sein kann, in dem es heißt, die "Mitgliedstaaten können die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern."(9)

Oder doch kein Anbau?

In Zweifelsfällen kann dies nur heißen, dass der Anbau nicht stattfinden darf und die Maßnahmen auf die Vermeidung von GVO-Verunreinigungen zielen und nicht auf irgendeinen Grenzwert.

  1. Der Verein Innoplanta aus Sachsen Anhalt hat sich der Förderung der Pflanzen-Biotechnologie verschrieben. Derzeit ist er aktiv in der Suche nach prominenten Paten für die spärlichen Felder mit gentechnisch verändertem Mais.
  2. Die Ergebnisse der Versuche in Bayern lassen sich nicht auf Silomais übertragen, da nach einem Auskreuzungsereignis nur die Maiskörner der empfangenden Pflanze gentechnisch verändert sind. Der Pollen der transgenen Pflanze bestäubt die konventionellen Blüten. Aus den befruchteten Blüten entsteht das "kontaminierte" Maiskorn, bei dem jede Zelle gentechnisch veränderte DNA enthält. Bei Körnermais werden - wie der Name schon andeutet - nur die Maiskörner geerntet. Dagegen wird bei der Silomais-Ernte die ganze Pflanze geerntet. Die kontaminierten Maiskörner werden mit dem "konventionellen" Rest der Pflanzen gemeinsam geerntet und sorgen so für einen Verdünnungseffekt. Nach Angaben von Miller muss bei gleicher Einkreuzung in Körnermais mit einem etwa doppelt so hohen Gehalt an vorhandener gentechnisch veränderter DNA gerechnet werden.
  3. Beide Zitate v Frau Broer im Netz unter: www.transgen.de/anbau_deutschland/forschung_koexi…
  4. Siehe: www.coextra.org 4a. Bericht zum Erprobungsanbau 2005. Staatsminister Josef Miller anlässlich des Besuchs der Landtagsausschüsse "Umwelt und Verbraucherschutz" sowie "Landwirtschaft und Forsten" am 28. Juni 2006 in Freising.
  5. Josef Wüest: Koexistenz aus Sicht der Bauern. In: Karin Nowack: Produktion mit und ohne Gentechnik - Rahmenbedingungen und Umsetzung der Koexistenz und Warenflusstrennung. Tagungsband zur gleichnamigen Tagung vom 1. September 2004 in Bern, im Netz unter: www.fibl.ch.
  6. Das hier dargestellte Beispiel wurde abgeändert und erweitert nach einem Vortrags-Mauskript von Markus Hardegger vom Bundesamt für Landwirtschaft in der Schweiz. Markus Hardegger, Bundesamt für Landwirtschaft (Schweiz): Stand der Warenflusstrennung im Agrarbereich: Futtermittel, Saatgut, Koexistenz. (BLW). In: Karin Nowack: Produktion mit und ohne Gentechnik - Rahmenbedingungen und Umsetzung der Koexistenz und Warenflusstrennung. Tagungsband zur gleichnamigen Tagung vom 1. September 2004 in Bern, im Netz unter: www.fibl.ch.
  7. Der Grenzwert steht in der EU-Verordnung über gentechnisch veränderte Futtermittel und Lebensmittel 2003/1829.
  8. Haerlin, Benny: Koexistenz: Agro-Gentechnik durch die Hintertür. Ökologie & Landbau 4/2006
  9. EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18, Artikel 26a "Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO"

Märka-Modell

Der vorwiegend im brandenburgischen tätige Landhandel "Märkische Kraftfutter" (Märka) hat bereits im Winter 2004/2005 mit dem Gentech-Konzern Monsato ein Übereinkommen zum Aufkauf von möglicherweise verunreinigten Maisernten getroffen. Demnach können sich Nachbarn von gv-Mais anbauenden Landwirten an die Märka wenden, die ihnen ihre Ernten (nur Körnermais!) zu marktüblichen Preisen abkauft. Nach eigenen Angaben testet die Märka die Lieferungen, kennzeichnet sie gegebenenfalls als gentechnisch verändert und führt sie im Anschluss der Verwertung als Futtermittel zu. Es wird von Seiten Monsantos und Märkas davon ausgegangen, dass es in Nachbarschlägen von gv-Mais durch Auskreuzung zwar zu Verunreinigungen kommen kann, diese aber unter dem gesetzlichen Kennzeichnungs-Grenzwert von 0,9 Prozent bleiben. Mit dieser Maßnahme, die auch für die jetzt gerade abgeschlossene Wachstumsperiode angeboten wurde und im nächsten Jahr fortgeführt werden soll, nehmen die beiden Unternehmen den gv-Mais anbauenden Landwirten de facto das Haftungsrisiko ab, das sie durch das gültige deutsche Gentechnikgesetz der früheren rot-grünen Regierung tragen müssten. Die Beteiligten verkaufen ihr Modell als Koexistenz-Maßnahme. Doch ist es schwer vorstellbar, dass hier ein tragbares Konzept präsentiert wird, das auch Bestand haben kann, wenn es mehr Anbau geben sollte. Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass es sich eigentlich um eine Strategie zur Markteinführung der gentechnisch veränderten Sorten handelt. In diesem Jahr wurde zudem bekannt, dass sich Gentech-Landwirte in ihrem Vertrag mit dem Saatguthändler verpflichten, die Adressen ihrer Nachbarn (bis zu einer Entfernung von 100 Metern) weiterzugeben und diese Informationen (wie alle anderen Informationen auch) an Monsanto weitergegeben werden dürfen. Nichtsdestotrotz fand dieses Modell seinen Weg in den Entwurf für ein Eckpunktepapier des Seehofeer-Ministeriums, der im Frühsommer von Greenpeace veröffentlicht wurde. Im Ministerium hofft man wohl, dass Vereinbarungen dieser Art eine Änderung der derzeitigen Haftungsregeln im Gentechnikgesetz überflüssig machen. Das Ministerium wäre den Vorwurf los, durch strikte Haftungsregeln den Einsatz der Gentechnik zu verhindern, müsste aber nicht - wohlmöglich auf Kosten der Steuerzahler - selber mit rechtlich zweifelhaften eigenen Ideen in die Bütt. (pau) Siehe zum Märka-Modell im Netz: www.monsanto.de/newspresse/pressemitteilungen.php www.transgen.de/pdf/erprobungsanbau/2005-01-14_ma… www.transgen.de/anbau_deutschland/forschung_koexi…

Erschienen in
GID-Ausgabe
178
vom Oktober 2006
Seite 21 - 24

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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Untersuchungen zur “Koexistenz”:

Aktuell werden in Deutschland zwei Untersuchungen im größeren Stil beschrieben: Die eine wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verwaltet und finanziert. Der zweite geht von dem Biotech-Förderverein Innoplanta (Sachsen Anhalt) aus. Beide veröffentlichten bisher ihre (Zwischen-)Ergebnisse, soweit vorhanden, über das Internet-Portal www.transgen.de. New case studies on the co-existence of GM and non-GM crops in European agriculture. A. Messean, F. Angevin, M. Gómez-Barbero, K. Menrad, E. Rodríguez-Cerezo. Technical Report Series - Institute for Prospective Technology Studies, 2006. ISBN: 92-79-01231-2 Bericht zum Erprobungsanbau 2005. Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten. Staatsminister Josef Miller anlässlich des Besuchs der Landtagsausschüsse "Umwelt und Verbraucherschutz" sowie "Landwirtschaft und Forsten" am 28. Juni 2006 in Freising. Maize and biodiversity: effects of transgenic maize in Mexico. Commission for Environmental Cooperation of North America. Report of the Secretariat according to Article 13 of the NAAEC. 31 August 2004. Scenarios for co-existence of genetically modified, conventional and organic crops in European agriculture - A synthesis report prepared by Anne-Katrin Bock, Karine Lheureux, Monique Libeau-Dulos, Hans Nilsagård, Emilio Rodriguez-Cerezo (IPTS - JRC) in May 2002

Berichte zur “Koexistenz”:

Contaminate or legislate? European Commission policy on "coexistence”. Friends of the Earth Europe Position Paper, April 2006. Impossible Coexistence - Seven Years of GMOs have contaminated organic and conventional maize: an examination of the cases of Catalonia and Aragon. Jordi Cipriano, Juan-Felipe Carrasco Marc Arbós. Assemblea Pagesa Catalunya, Greenpeace, Plataforma Transgénics Fora! 2006 Contaminating the Wild? Gene Flow from Experimental Field Trials of Genetically Engineered Crops to Related Wild Plants. Doug Gurian-Sherman, Ph.D.. Center for Food Safety, Washington, D.C., 2006 Bleibt in Deutschland bei zunehmendem Einsatz der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion die Wahlfreiheit auf GVO-unbelastete Nahrung erhalten? Julia Meier, Dr. Alex Beck, Ruth Brauner, Dr. Robert Hermanowski, Rolf Mäder, Karin Nowack, Dr. Beatrix Tappeser, Dr. Klaus-Peter Wilbois. Im Auftrag des BUND. (pau)

Rechtliches zur "Koexistenz":

Die Verordnung 2003/1829 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel

Darin wird der Grenzwert von 0,9 Prozent festgesetzt, der Anwendung findet auf die Verunreinigung von konventionellen Lebens- und Futtermitteln. Ab einem GVO-Gehalt von 0,9 Prozent muss ein Lebens- oder Futtermittel als genetisch verändert gekennzeichnet werden. Der Grenzwert gilt nur, wenn es sich um zufällige und technisch nicht zu vermeidende Anteile handelt. Entsprechende geeignete Schritte zur Vermeidung der Anwesenheit von derartigen Materialien (GVO) müssen von den Unternehmen (Großhändler, Verarbeiter ...) gegenüber den zuständigen Behörden nachgewiesen werden. Was eine geeignete Maßnahme ist,wird nicht beschrieben.

Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt

Um den Grenzwert von 0,9 Prozent in Lebensmitteln und Futtermitteln zu ermöglichen, hat die Europäische Union die Freisetzungsrichtlinie um den Artikel 26a ergänzt: Dieser behandelt "Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO". Demnach können "Die Mitgliedstaaten (...) die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern." Was eine geeignete Maßnahme in diesem Zusammenhang sein könnte, regelt die EU bisher nicht in rechtlich bindender Form. Es gibt von ihr so genannte Leitlinien, ansonsten zieht sich Europa - insbesondere die EU-Kommission - auf den Standpunkt zurück, dass die Mitgliedsstaaten diesen Bereich regeln sollen. Die Landwirtschaften in Europa seien zu unterschiedlich, als dass Maßnahmen in Brüssel entwickelt werden sollten. Zudem wird in der Freisetzungsrichtlinie die Einrichtung eines Registers über die Orte der Freisetzungen gefordert. Dieses wird auch zu den Koexistenz-Maßnahmen gezählt, da es eine Voraussetzung für die Absprache zwischen Landwirten ermöglicht.

Leitlinien der Europäischen Kommission für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen (23.07.2003)

Die EU-Kommission wertet die Frage der Koexistenz als rein wirtschaftliches Problem. Sicherheitserwägungen spielen in ihrer Logik an dieser Stelle keine Rolle. Grundsätzlich sollten die Landwirte in der Phase der Einführung der Gentechnik in einer Region die Verantwortung für die Durchführung der Koexistenz-Maßnahmen tragen. Die zu bedenkenden Maßnahmen, die in den Leitlinien beschrieben werden, gelten bis zur ersten Sammelstelle von Ernteprodukten, also nicht in der gesamten Verarbeitungskette.

Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Deutschland)

Das Gentechnikgesetz nimmt insofern zur Frage der "Koexistenz" Stellung, als dass im "Zweck des Gesetzes" (Artikel 1) beschrieben wird, dass ebendieser darin besteht, "die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können". Zudem regelt das Gentechnikgesetz die Details für das Standortregister, das von der EU-Freisetzungsrichtlinie gefordert wird. Das Gentechnikgesetz verpflichtet den Anbauer von GVO, als auch die Firmen, die gentechnisch veränderte Sorten auf den Markt bringen, zu der Koexistenzfähigkeit. So müssen die Firmen zum Beispiel ihrem Saatgut Regeln beilegen, die das Nebeneinander von gv-Saatgut und nicht-gv-Saaten zu ermöglichen. Diese können durch eine gute fachliche Praxis ergänzt werden. Lässt sich das Nebeneinander nicht gewährleisten, kann die Zulassung für einen GVO hinfällig werden.

Gute fachliche Praxis für den Anbau von GVO

Die gute fachliche Praxis (gfP) gibt es noch nicht. Es wird erwartet, dass dort unter anderem die einzuhaltenden Abstände für verschiedene gentechnisch veränderte Nutzpflanzen zu den nicht-gv-Varianten beschrieben werden. Anbau von gv-Sorten ist auch ohne die gfP möglich, die Firmen müssen ihrerseits Regeln an ihre Kunden weitergeben, um das Nebeneinander möglich zu machen.

Gute fachliche Praxis für den Anbau von GVO - Monsanto

Der Gentechnikkonzern Monsanto hat seine Variante der Anbauregeln für GVO im Internet veröffentlicht. Unter anderem wird den Anbauern von gv-Mais empfohlen, zu Nachbarn einen Abstand von 20 Metern einzuhalten. Was nicht im Netz steht. Zu Nachbarn, die nach den Regeln des biologischen Landbaus arbeiten, empfiehlt Monsanto bei Körnermais einen Abstand von 300 Metern. Siehe auch den Kasten zum so genannten Märka-Modell in diesem Heft (S. 22). (pau)