10 Jahre gv-Soja
Das Jahr 2005 wird von der Gentech-Industrie als das zehnte Jahr des Anbaus gentechnisch veränderter Nutzpflanzen angesehen. Ein Grund zum Feiern?
Als 1996 das erste gentechnisch veränderte (gv) Soja in den USA angebaut wurde, war zwei Jahre zuvor bereits die "Flavr Savr" Tomate von der Firma Calgene eingeführt und bald wieder vom Markt genommen worden. Die Tomaten entsprachen so gar nicht den Vorstellungen der Konsumentinnen und Konsumenten - sie waren weder qualitativ besser, noch billiger oder gesünder. Vertrauenswürdige Zungen behaupten, sie hätten schlecht geschmeckt. So ist es möglicherweise symptomatisch, dass das Anbau-Jubiläum nicht mit diesem unrühmlichen Ursprung zusammengebracht werden sollte, und entsprechend erst jetzt gefeiert wird. Zehn Jahre nachdem transgenes Soja erstmals kommerziell angebaut worden ist - die am weitesten verbreitete transgene Pflanze. Sie wird praktisch ausschließlich als herbizidtolerante Sorte kultiviert.
Neue Probleme
Doch nach nunmehr zehn Jahren Anbau scheinen die transgenen Pflanzen mehr Probleme geschaffen denn gelöst zu haben. Das lässt sich gerade auch am gv-Soja-Anbau dokumentieren: Direkt und indirekt trägt der Anbau gentechnisch veränderter Sorten zur zunehmenden Gefährdung der Artenvielfalt bei. Indirekte Wirkungen können zum Beispiel in Argentinien beobachtet werden, wo der sich stark ausbreitende Anbau von gv-Soja dem tropischen Regenwald den Garaus bereitet. Der Anbau von GVO trägt zur radikalen Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft bei, mit fatalen Folgen.
Mehr Pestizide
Der Einsatz von Pestiziden nimmt beim Anbau der transgenen Sojabohne über die Jahre zu, statt abzunehmen. Das haben die Untersuchungen von Charles Bennbrook am Beispiel der US-amerikanischen Landwirtschaft wiederholt gezeigt.(1) Auch die häufiger werdenden Patentstreitigkeiten lassen sich am Beispiel der gv-Sojabohne anschaulich verdeutlichen: Argentinien ist neben den USA und Brasilien das größte Soja-Exportland der Welt. Es gibt in dem südamerikanischen Land aber kein Gesetz, mit dem die Sorten- und besonders Patentrechte durchgesetzt werden können. So greift der Gentechnik-Konzern Monsanto nach jahrelangem erfolglosen Lobbying in Argentinien zu anderen Strategien: Die Aufschläge sollen in den Import-Ländern eingetrieben werden - ein Winkelzug, der weltweit bisher beispiellos ist. Überall auf der Welt müssen Kontaminationen konventioneller oder ökologischer Produkte beklagt werden: Saatgut, Ernten, prozessierte Waren, nichts kann als sicher gelten - die Agrarkonzerne scheinen strikt die Strategie "erst kontaminieren, dann legalisieren" zu verfolgen - eben auch bei Soja. Der Kontaminationsbericht 2005 von GeneWatch UK und Greenpeace International (2) führt alleine bei Soja 26 dokumentierte Fälle auf - nur die Spitze eines Eisberges, wenn zum Beispiel die langjährigen illegalen Freisetzungen in Südamerika berücksichtigt werden.
Wer feiert mit?
Der zunehmende Widerstand von Verbraucherinnen und Verbrauchern, Bäuerinnen und Bauern, die sich einzeln oder gemeinsam gegen die Verbreitung der Gentechnik einsetzen ist zudem nicht ohne Wirkung und lässt die Feierlichkeiten womöglich zu einer Veranstaltung der KonzernvertreterInnen werden. Seit der Einführung der neuen Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel in der EU im April 2004 (3) unternehmen die Lebensmittel-Hersteller alles, um eine Kennzeichnung ihrer Produkte als "gentechnisch verändert" zu verhindern. Was fehlt zum Fest? Zweierlei: Eine Kennzeichnung von Produkten wie Eier, Fleisch oder Milch ist dringend vonnöten, wenn die Tiere zuvor mit gentechnisch veränderten Organismen gefüttert worden sind. Letzteres ist für die nähere Zukunft zentral, denn nur so können Verbraucherinnen und Verbraucher über ihren Einkaufskorb mitentscheiden. Zudem wird nur eine solche Kennzeichnung der Tatsache gerecht, dass - abgesicherten Schätzungen zufolge - etwa 80 Prozent der transgenen Ernten in die Futtertröge dieser Welt wandern. Außerdem müssen Verursacher (Gentech-Bauern und -Konzerne) bei der Finanzierung der zahllosen Untersuchungen und für die festgestellten Kontaminationen umfassend zur Kasse gebeten werden.
Fußnoten
- Die Arbeiten von Charles Bennbrook finden sich im Internet unter: http://biotech-info.net.
- GM Contamination Report 2005. Im Internet unter: www.greenpeace.org/raw/content/international/pres….
- Diese traten im April 2004 in Kraft. Es hat sich in Bezug auf gv-Soja ein entscheidender Punkt geändert: Die Kennzeichnungspflicht gilt auch für solche GVO-Anteile, die im Endprodukt nicht mehr nachweisbar sind, so eben auch für (Soja-) Öle und Fette oder Zucker, bei denen Enzyme und DNA-Elemente durch die Raffinierung und Filterung in der Regel nicht mehr auffindbar sind.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.
Olga Bartkowska absolviert ein Freiwilliges ökologisches Jahr beim Gen-ethischen Netzwerk.