Giftige Bäume
Die Risiken von Herbizidtoleranzen bei Bäumen
Wälder werden zunehmend Teil des agrar-industriellen Systems zur Produktion nachwachsender Rohstoffe. Geht es nach den GentechnikerInnen, werden Pestizide bei der Forschung und Entwicklung neuer Plantagenbäume eine immer größere Rolle spielen.
Bäume stehen schon lange auf der Liste der Gentechnik-Versuche. Genau genommen seit 1988, als die erste Pappel gentechnisch verändert wurde. Dennoch steckt die Entwicklung und vor allem die Abschätzung von Umweltrisiken noch in den Kinderschuhen. Selbst der erste dieser Bäume wäre heute erst 24 Jahre alt - jung für eine Pappel, die ja 100 bis 200 Jahre alt werden kann. Aber die Bäume, die gentechnisch verändert (gv) werden, sollen dieses Lebensalter nicht erreichen: Sie sind vor allem für den intensiven Plantagenanbau für die Produktion von Holzstoff, Pulpe und Biomasse vorgesehen und werden innerhalb von zehn Jahren geerntet. Neben verändertem Ligningehalt wird vor allem an Herbizidtoleranz und der Bildung von Bt-Toxinen geforscht. In einer Übersichtsstudie kam die Welternährungsorganisation FAO zu dem Schluss, dass das Interesse an gv-Bäumen seit den ersten gentechnischen Veränderungen von Bäumen in den späten 90er Jahren abgenommen habe. Das Ziel sei allerdings, die Lücke zwischen Waldbäumen und Feldpflanzen zu schließen.1
Herbizidtoleranz
Bei der Entwicklung von gv-Bäumen mit Herbizidtoleranz richtet sich diese vor allem auf Monsantos Wirkstoff Glyphosat, der unter dem Markennamen Roundup verkauft wird. Er wird über die grünen Blattteile von den Pflanzen aufgenommen. Herbizidtoleranz erlaubt das Ausbringen von Roundup mit Praktiken, bei denen das Herbizid mit den Blättern der Nutzpflanzen in Berührung kommen kann, ohne Probleme zu verursachen. Von hier aus ist das Szenario einfach: Baumplantagen erstrecken sich in Ländern wie Brasilien bereits jetzt als „grüne Wüsten” über riesige Areale. So steht jetzt auch das großflächige Ausbringen von Roundup per Flugzeug auf Baumplantagen bevor, wie dies beispielsweise auf den Feldern mit gv-Soja des südamerikanischen Kontinents praktiziert wird. Die Liste der gentechnisch veränderten Bäume mit Herbizidtoleranz ist dabei nicht einfach zu erfassen. Sicher ist jedoch, dass bei mehreren Pappelarten und -hybriden, bei Eucalyptus, Lärche und Kiefer an Glyphosattoleranzen und bei Pappeln und Kiefern an Toleranzen gegen den Herbizidwirkstoff Chlorosulfuron geforscht wird.2 Die Risiken von Herbizidtoleranzen bei Bäumen sind dieselben wie die von herbizidtoleranten Feldpflanzen, gehen aber über diese hinaus: negative Effekte des Herbizids selber auf Organsimen auf der Plantage und in deren Umgebung, Veränderung der Bodenstruktur durch den Verzicht auf manuelle Bodenbearbeitung et cetera. Bereits jetzt ist der wichtigste Grund für Bodenerosion in Baumplantagen nicht das Pflügen oder andere Bodenbearbeitung, sondern die Herbizidanwendungen, die die schützende Pflanzenschicht entfernen und den Boden schutzlos den Erosionskräften von Wind und Regen aussetzen. Kahlschlag durch Ernte verstärkt diese Effekte noch.3 Ein Photo aus chinesischen Pappelplantagen zeigt dies deutlich: „Keine Bodenvegetation” titelt ein deutscher Wissenschaftler zwei seiner Photos. Und, wie der Waldexperte Chris Lang bemerkt: „Er hat Recht. Dort wächst überhaupt nichts außer Blumen. Der Boden sieht hart, trocken und unfruchtbar aus. Ein extremeres Beispiel, um den Unterschied zwischen Plantagen und Wäldern deutlich zu machen, ist kaum vorstellbar.”4 Herbizidtolerante Bäume werden diesen Trend nur verstärken.
Bt-Bäume
Raupen auf Bäumen sind ein Beispiel für die Komplexität der Ökosystembeziehungen zwischen Bäumen und Tieren. Im Frühjahr, wenn die Bäume ausschlagen, schlüpfen auch die Raupen von Schmetterlingen, zum Beispiel die des Frostspanners. Gleichzeitig suchen Kohlmeisen für ihre frischgeschlüpften Jungen Futter und finden mit der Menge an Raupen einen gut gedeckten Tisch. In den letzten Jahren ist dieses System jedoch aus der Balance geraten. Inzwischen schlagen die Bäume etwa zwei Wochen früher aus - genug, um weitreichende Probleme zu verursachen. Nach dem Winter beginnt es früher warm zu werden, und wenn jetzt die jungen Kohlmeisen schlüpfen, beginnen die Raupen bereits damit, sich zu verpuppen. Den Kohlmeisen fehlt das Futter. Insekten als Fraßfeinde sind ein bekanntes Problem in der Forstwirtschaft, und vor allem das Diversifizieren des Bestandes wird als Lösung des Problems gesehen. Doch was in Wald und Forst funktioniert, ist keine Lösung für die Monokulturen des Plantagenanbaus. Da scheint die Entwicklung von gentechnisch veränderten Bäumen, die selbst ein Insektengift produzieren, genau das Richtige zu sein. Berichte über Bt-Bäume kommen zur Zeit vor allem aus China, wo bereits 2002 Bt-Pappeln für den kommerziellen Anbau zugelassen wurden. Sie bilden ein Insektengift aus dem bodenlebenden Bakterium Bacillus thuringiensis. 2004 war von 1,4 Millionen im Freiland angepflanzten Bt-Pappeln die Rede.5 Wie hoch die Zahl inzwischen ist oder wo die Bäume überhaupt angebaut werden, ist unklar, insbesondere da es Berichten zufolge möglich ist, Bt-Pappeln in chinesischen Gartencentern zu kaufen.
Wege der Risikoabschätzung umstritten
Bereits bei Bt-Feldpflanzen wie Mais ist umstritten, was Teil der Risikoabschätzung sein muss. Zum Beispiel fehlt es an Basisdaten, mit denen mögliche Umwelteffekte des Anbaus von Bt-Pflanzen festgestellt werden könnten. Auf einem Maisfeld werden in der Regel alle Schmetterlinge als Schädlinge angesehen, da es dort außer der Maispflanze kaum andere Pflanzen gibt. Dass Schmetterlinge außerhalb des Feldes geschädigt werden könnten, wird zwar grundsätzlich anerkannt, aber es gibt Uneinigkeit darüber, wie weit vom Feldrand solche Effekte überhaupt untersucht werden sollten, welche Schmetterlingsarten sich hier finden, und ob Erkenntnisse zur Empflindlichkeit gegen Bt-Gifte von einer Schmetterlingsart auf die andere übertragen werden können. Unklar ist auch der Umgang mit Fraßfeinden wie zum Beispiel der Florfliege: Sollen indirekte Effekte auf Nahrungsnetze mit in die Betrachtungen einbezogen werden? Was ist mit der Abgabe von Bt-Toxinen in den Boden? Wie viel Bt-Toxin bleibt nach der Ernte auf dem Feld zurück und wie schnell wird es abgebaut? All’ diese Fragen ergeben sich bereits bei dem Versuch, ein Feld in einer Anbausaison von April bis September zu beurteilen. Bei Bt-Bäumen vervielfachen sich diese Fragen erheblich. Bäume bieten Lebensraum und Nahrung für eine viel größere Zahl von Organismen; sie bilden eine Symbiose mit Mykkorhiza-Pilzen im Boden. Die Frage, wo und wie eine ernst gemeinte Risikoabschätzung überhaupt anfangen soll, ist noch völlig offen.6 Dabei müssen nicht nur viel längere Zeiträume berücksichtigt werden, sondern auch größere geographische Ausbreitungen. Bäume verbreiten sich vegetativ über Schösslinge und sexuell über Pollen und Samen, über kilometerweite Entfernungen - und vor allem Pappeln bilden dabei auch Hybride über mehrere Arten, so dass sich eine gentechnische Veränderung durchaus von Europa bis Asien ausbreiten kann. Ein wichtiger Faktor zur Risikoabschätzung ist darüber hinaus die Frage, ob die gentechnische Veränderung stabil ist. Bereits 1998 und 2005 war deutlich geworden, dass dies bei den chinesischen Pappeln nicht immer der Fall ist: „Einige der Pflanzen zeigten Störungen in der Chlorophyllbiosynthese [...], andere wiesen nach zwei Jahren Fraßschäden von Insekten auf, die bis dahin keine bedeutenden Schäden verursacht hatten. Besonders interessant im Zusammenhang mit der Stabilität der Genexpression ist aber die Beobachtung, dass sich ‚mit zunehmendem Alter [...] Veränderungen an Blättern und Rinde’ zeigten.”7 Photos der China-Reise eines BFH-Wissenschaftlers zeigen „die bereits 1998 in der Baumschule beobachtete gelegentliche Veränderung der Rindenstruktur”.8 In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass das Ziel, den Ligningehalt des Holzes mit gentechnischen Methoden zu senken (um dessen Verarbeitung zu erleichtern), die Anfälligkeit für Fraßschädlinge erhöht, da das Lignin vor ebendiesen schützt.
Vorbild China?
Neben Umweltrisiken von Bt-Bäumen stellt sich auch die Frage nach der Art von Landwirtschaft, in der sie angebaut werden. In China sollen die gv-Pappeln zehn Jahre lang angebaut, dann geerntet und neu gepflanzt werden. Dabei handelt es sich um Monokulturen aus „zehntausendfach vervielfältigten, genetisch identischen Stecklingen”, die intensiv bewirtschaftet, bewässert und gedüngt werden - und in denen gleichzeitig keine Bodenvegetation existiert: exzellente Voraussetzungen für die Ausbreitung von Schädlingen. Diese verfehlte Anbaupolitik liegt nicht nur in der Verantwortlichkeit von China. Wie im GID bereits 2005 berichtet 9, arbeitet das ehemalige Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung der BFH mit chinesischen Wissenschaftlern zusammen. So wurden unter anderem verschiedene Linien auch in den Laboren in Deutschland untersucht. Diese Kooperation ist aus der Darstellung der Forschungstätigkeiten des Institutes nicht direkt ersichtlich, da sich dort vor allem Forschung zur Sterilität von Bäumen findet. Künstliche Sterilität ist ein wichtiger Faktor in der Entwicklung von gv-Bäumen. Da viele Bäume zweihäusig sind, vegetativ als Stecklinge für den Plantagenanbau vermehrt werden und sowieso keine Früchte bilden sollen, wird Sterilität als Sicherheitsfaktor gesehen, wie zum Beispiel auch Wissenschaftler der damaligen BFH nach ihrer China-Reise in einem Gespräch betonten, das auf der Internet-Plattform biosicherheit.de dokumentiert ist.10 Doch gentechnisch bedingte Sterilität ist kein sicherer Schutz: Wie jede gentechnische Veränderung kann auch diese im Laufe der Zeit verloren gehen, eine Gefahr, die bei langlebigen Bäumen naturgemäß höher ist als bei einjährigen Feldpflanzen. Vor allem aber stellt sich die Frage, ob das die Bäume sind, die wir in Zukunft wollen: Bäume, die keine Pollen und Früchte produzieren, die nur Biomasse auf ansonsten leeren Feldern sind?
- 1FAO (2004): Preliminary review of biotechnology in forestry, including genetic modification. Forest Genetic Resources Working Papers, Dezember 2004.
- 2Siehe Fußnote 1.
- 3Canadian Biotechnology Action Network, EcoNexus et al. (2008): Potential Ecological and Social Impacts of Genetically Engineered Trees. Commentary on UNEP/CBD/SBSTTA/13/INF/6 paper. Im Netz unter: www.econexus.info/pdf/CBD_SBSSTA13_commentary.pdf.
- 4Lang, Chris (2004): China: Genetically modified madness. WRM Bulletin 85, August 2004. www.grain.org/research/contamination.cfm?id=175.
- 5Lang, Chris (2005): Gv-Bäume: keine Lösung zum Klimawandel. Gen-ethischer Informationsdienst (GID) 168, Seiten 21 bis 24. www.gen-ethisches-netzwerk.de/GID168_Lang ; siehe auch Fußnote 1.
- 6Steinbrecher & Lorch (2008): Genetically engineered trees & risk assessment. Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. www.econexus.info/pdf/GE-Tree_FGS_2008.pdf.
- 7Potthof, Christof (2005): Der Staat treibt's voran. Gen-ethischer Informationsdienst (GID) 171, Seiten 11 bis 13. www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/171/thema/potth….
- 8BFH = Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft; heute aufgegangen in dem „Johann Heinrich von Thünen-Institut” als Teil der Ressortforschung unter dem Dach des Bundeslandwirtschaftsminsteriums; im Netz unter: www.vti.bund.de. Dietrich Ewald vom damaligen BFH beschreibt seine Erfahrungen und seine Kooperation zur Entwicklung von gv-Pappeln. Im Netz unter: www.biosicherheit.de/de/gehoelze/pappel/325.doku…. „Bilder der Chinareise 2004 finden sich noch im Internet-Archiv der ehemaligen BFH: http://web.archive.org/web/20050306051619/http://…. Besonders interessant sind die Folien 26 (Veränderung der Rindenstruktur) und 28 (Keine Bodenvegetation).
- 9Siehe Fußnote 7.
- 10Siehe Fußnote 8.
Antje Lorch ist freiberufliche Beraterin im Bereich Agro-Gentechnik. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Gen-ethischen Netzwerk e.V. Zu ihren Veröffentlichungen siehe www.ifrik.org.