Der Kampf gegen die Zulassung von Bt Brinjal

Doch keine gv-Auberginen in Indien?

Am 9. Februar hat der indische Umweltminister Jairam Ramesh ein Moratorium gegen die Freisetzung von gentechnisch veränderten Auberginen ausgesprochen. Der Streit um die erste Freisetzung einer gentechnisch veränderten Nahrungspflanze auf dem indischen Subkontinent geht damit in die nächste Runde.

Die indische Zulassungbehörde Genetic Engineering Approval Committee (GEAC) hatte am 14. Oktober 2009 grünes Licht für die Kommerzialisierung von gentechnisch veränderten Auberginen gegeben. Diese Sorte von Brinjal, wie die Auberginen in Indien auch genannt werden, wurde von „Mahyco-Monsanto Biotech“, einem Joint Venture des indischen Saatgutunternehmens Maharashtra Hybrid und des US-Konzerns Monsanto, entwickelt. Sie produziert ein Insektengift des bodenlebenden Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt). Die Zulassung von Bt Brinjal wäre die erste für eine gentechnisch veränderte Nahrungspflanze auf dem indischen Subkontinent.1 Diese umstrittene Entscheidung hat in Indien einen intensiven gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Diskurs ausgelöst.

Zweifel an der Zulassung

VertreterInnen der Zivilgesellschaft kritisierten zum Beispiel, dass das GEAC für seine Entscheidung die neuesten wissenschaftlichen Studien nicht berücksichtigt habe. So hatte der französische Wissenschaftler Gilles-Eric Seralini vom „Committee for Independent Research and Information on Genetic Engineering“ (CRIIGEN) Anfang 2009 die erste unabhängige Überprüfung der von Monsanto-Mahyco beim GEAC eingereichten Toxizitätstests durchgeführt. Dabei war er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nutzung von Bt Brinjal ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit von Menschen und Tieren bedeute und Bt Brinjal nicht zum Verzehr geeignet sei. Bei seiner Überprüfung der eingereichten Dossiers hatte er signifikante Unterschiede zwischen Versuchstieren, an die Bt Brinjal verfüttert wurde, und solchen, die gentechikfreien Brinjal gefressen hatten, festgestellt. Zum Beispiel geht aus dem Datenmaterial von Monsanto-Mahyco hervor, dass in den Gruppen unterschiedliche Gewichte der Leber sowie signifikante Unterschiede im Blutbild gefunden wurden. Diese werden von dem Unternehmen aber als „biologisch irrelevant“ eingestuft.2 Ein weiterer zentraler Kritikpunkt an der Zulassung durch das GEAC entzündete sich an den kommerziellen Verflechtungen einzelner Komitee-Mitglieder mit den Industriekonzernen im landwirtschaftlichen Sektor, die starke Zweifel an der Unabhängigkeit des GEAC aufkommen ließen. So erhält beispielsweise Dr. Mathura Rai, Direktor des „Indian Institute of Vegetable Research“ (IIVR), Gelder von USAID im Rahmen des „Agricultural Biotechnology Support Project II“ (ABSPII), dessen Ziel es unter anderem ist, „Mahyco bei der Zulassung seiner Technologie zu unterstützen“.3 Andere Komitee-Mitglieder berichteten, dass sie massiv unter Druck gesetzt worden seien, grünes Licht für Bt Brin­jal zu geben. Der Vorsitzende des Expertenkomitees des GEAC, Prof. Arjula Reddy, hat nach eigenen Angaben regelmäßig Anrufe des Landwirtschaftsministers und der Industrie erhalten, in denen er aufgefordert worden sei, den Zulassungsprozess zu beschleunigen und sich nicht über fehlende Sicherheitsstudien zu sorgen.4

Demokratisierung des indischen Diskurses

Die Zulassungsentscheidung des GEAC vom Oktober 2009 hat nicht nur bei gentechnikkritischen Gruppen, sondern auch in den indischen Medien große Beachtung gefunden. Auch wenn die englischsprachigen Medien über­wiegend sehr (Gen-)technik-freundlich berichteten, so bildeten sie dennoch einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung ab: Familien begannen sich Sorgen um die Ernährung ihrer Kinder zu machen und auf den Wochenmärkten ging sogar der Umsatz mit Auberginen zurück, obwohl diese bisher nicht gentechnisch verändert sind. Diese Unsicherheit in der Bevölkerung wurde seitens der Industrie diskreditiert. Es handele sich nur um „irrationale Ängste“ und die VerbraucherInnen seien einfach nicht richtig informiert. Gegner der Gentechnik wurden als „unwissenschaftlich“ disqualifiziert. Die wissenschaftlichen Gentechnik-Befürworter sind aber ihrerseits zum Beispiel nicht bereit, ihr veraltetes Paradigma (ein Gen - eine Eigenschaft) zu hinterfragen.5 In dieser Situation haben breite Netzwerke von GentechnikkritikerInnen, wie zum Beispiel die „GM-free India Coalition“ oder „South Against Genetic Engineering“ (SAGE), neue Strategien entwickelt, um auf vielfältige Weise den demokratischen Entscheidungsprozess zu beeinflussen (siehe hierzu auch das Interview mit Dr. Devinder Sharma). Genötigt durch die große Aufmerksamkeit, die das Thema in der Öffentlichkeit erfuhr, ließ der indische Umweltminister Jairam Ramesh eine Reihe von öffentlichen Konsultationen abhalten. Im Zeitraum vom 13. Januar bis 6. Februar dieses Jahres fanden in den für die Gentechnik-Diskussion als relevant eingeschätzten Regionen sieben dieser Konsultationen statt.6 Es nahmen Industrievertreter, Wissenschaftler, Vertreter von Bauern und Konsumentenverbänden und anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen teil - insgesamt mehr als 8.000 Personen. Mit seiner Suche nach einem breiten gesellschaftlichen Diskurs macht Jairam Ramesh seinen demokratischen Anspruch deutlich: Eine Entscheidung von nationaler Tragweite kann nicht von der Wissenschaft alleine gefällt werden, sondern bedarf eines breiten Konsenses in der Bevölkerung. Naturgemäß wurde dies von der Gen­tech-freundlichen wissenschaftlichen Gemeinde anders gesehen. Sie warf dem Minister vor, Politik mit Wissenschaft zu vermischen. Offensichtlich ist dieser Fraktion nicht klar, dass eine Technik dem gesellschaftlichen Wohl zu dienen hat und somit auch der Zustimmung der Gesellschaft bedarf.7 Die Entscheidung des Ministers nach Abschluss dieser Konsultationen ist wahrlich bemerkenswert: In seinem 19-seitigen Bericht führt er aus, dass Gentechnik zwar den Gebrauch an Pestiziden reduzieren würde, organische Landwirtschaft aber vollständig ohne Pestizide auskommt.8 Des Weiteren erwähnt Ramesh die Gefahr, dass die indische Landwirtschaft unter die Kontrolle ausländischer Konzerne geraten könne. Der Minister kritisiert in diesem Zusammenhang die Forschungsabkommen, welche indische Universitäten mit der Industrie eingegangen sind. Außerdem geht der Minister sehr hart mit der Art und Weise ins Gericht, wie das (seinem Ministerium untergeordnete!) GEAC zu seiner Zulassungsentscheidung gekommen sei. GEAC hatte sich überwiegend auf von Mahyco übermittelte Daten berufen und keine eigenen Untersuchungen vorgenommen. Ramesh weist auch da­rauf hin, dass die Standards des GEAC für den Entscheidungsprozess nicht internationalen Normen entsprechen. Ramesh kommt zu dem Schluss, dass es keinen wissenschaftlichen Konsens zu Bt Brinjal gebe. Namhafte Wissenschaftler hätten ernsthafte Bedenken geäußert, die nicht zufriedenstellend beantwortet worden seien. Der Minister vertrat zudem die Ansicht, dass es keinen zwingenden Grund für die Einführung von Bt Brinjal gebe. Auch die starke Opposition aus den Bundesstaaten und der Zivilgesellschaft sei in seine Entscheidung eingeflossen, so dass er zu der Entscheidung gekommen sei, „dass es meine Pflicht ist, einen vorsichtigen, das Vorsorgeprinzip beachtenden Weg zu gehen [...], und ich [erlasse] daher ein Moratorium auf die Freisetzung von Bt Brinjal [...], bis zu dem Zeitpunkt, an dem unabhängige wissenschaftliche Studien zur Zufriedenheit der Öffentlichkeit und der Wissenschaft die Sicherheit des Produktes unter dem Gesichtspunkt seines langfristigen Einflusses auf die mensch­liche Gesundheit und die Umwelt feststellen.“ Neben der wissenschaftlichen Kritik an Bt Brinjal und der Mobilisierung der Zivilgesellschaft hat die Haltung der Bundesstaaten einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des Ministers gehabt. Nach der indischen Verfassung haben die Bundesstaaten zwar kein Mitspracherecht bei der nationalen Zulassung von Gentech-Pflanzen, aber sie haben die volle Autonomie über ihre jeweilige Agrarpolitik. Im Zeitraum vor und während der nationalen Konsultationen hatten sich zehn Bundesstaaten offiziell gegen den Einsatz von Bt Brinal auf ihren jeweiligen Territorien ausgesprochen, und weitere Staaten hatten zumindest starke Zweifel angemeldet. Die Entscheidung von Umweltminister Ramesh, ein Moratorium auf Bt Brinjal zu verfügen, sowie der damit einhergehende Konsultationsprozess könnten weit über den aktuellen Fall hinausreichen: In Indien wurden in vergleichbaren Entscheidungsprozessen unter dem Begriff „Stakeholder“ bisher nur Wissenschaftler und Unternehmen gefasst. Die Tatsache, dass Ramesh nun andere Betroffene, insbesondere Bauern und Verbraucher, in den Dialog mit einbezogen hat, stellt einen radikalen Paradigmenwechsel im indischen Diskurs dar.

Gefängnisstrafe für Gentech-KritikerInnen?

Doch die Reaktion der politischen Klasse in Delhi und der Industrie ließ nicht lange auf sich warten: Nachdem Rameshs Entscheidung als „unwissenschaftlich“ und „gegen die nationalen Interessen“ abqualifiziert worden war, verlor die Gentech-Lobby keine Zeit, um ähnlichen Rückschlägen in der Zukunft vorzubeugen und Ramesh politisch zu demontieren. Ein neuer Gesetzentwurf sieht vor, die Zuständigkeit für die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen vom Umweltministerium auf das traditionell sehr Gentechnik-freundliche Ministerium für Wissenschaft und Technologie zu übertragen. In dem Entwurf zum „Biotechnology Regulatory Authority of India (BRAI) Bill”, welches vom Wissenschaftsministerium vorgelegt wurde, befindet sich darüber hinaus ein skandalöser Passus, der KritikerInnen der Gentechnologie mundtot machen soll: „Wer ohne wissenschaftliche Beweise die Öffentlichkeit über die Sicherheit von Organismen und Produkten irreführt, wird mit einer Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten und/oder einer Geldstrafe von bis zu 200.000 Rupees (etwa 3.300 Euro) bestraft.“9 Interessanterweise finden sich in dem Gesetzentwurf keine Definitionen dafür, was unter „wissenschaftlichen Beweisen“ zu verstehen ist. Prashant Bhushan, Anwalt am Obersten Gerichtshof, verurteilt den Gesetzentwurf daher scharf: „Das Ziel ist eindeutig, die Menschen einzuschüchtern, so dass sie sich nicht gegen die Gentechnik äußern. Selbst Journalisten, die kritische Artikel schreiben, könnten bestraft werden.“10 Der Gesetzentwurf ist ein klarer Verstoß gegen die indische Verfassung, welche die Meinungsfreiheit garantiert. Sollte der Gesetzentwurf tatsächlich in Kraft treten, können die Folgen zum jetzigen Zeitpunkt kaum überschätzt werden. Devinder Sharma kommentierte hierzu: „Wenn dieses Gesetz bereits in Kraft wäre, könnten alle KritikerInnen der Gentechnik im Gefängnis sitzen. Selbst der Umweltminister Jairam Ramesh, der die Sicherheit von gentechnisch veränderten Pflanzen in Frage gestellt hat, würde dann hinter Gittern sitzen, da er gegen das Gesetz verstoßen hätte.“11 Das Moratorium der Freisetzung von Bt Brinjal stellt also nur einen Zwischenschritt zur Verhinderung der Grünen Gentechnik in Indien dar, wenn auch einen sehr zentralen. Trotz aller Bemühungen der agrochemischen Industrie, den wichtigen indischen Markt für ihre Gentech-Produkte nicht zu verlieren, wird der eingeleitete Partizipations- und Aufklärungsprozess in der indischen Gesellschaft nicht wieder rückgängig gemacht werden können.

  • 1Seit 2002 wird in Indien Bt-Baumwolle kommerziell angebaut.
  • 2G.E. Seralini (2009): Effects on Health and Environment of transgenic (or GM) Bt-Brinjal. University of Caen, France. Siehe dazu auch das Interview mit Gilles-Eric Séralini im GID 198, Februar 2010.
  • 3Im Netz unter: www.absp2.cornell.edu.
  • 4Eine interessante Zusammenfassung der Verflechtungen der Komitee-Mitglieder mit der Industrie findet sich in dem Artikel „India´s GM scandal: Bt-Brinjal approval rigged“ von Devinder Sharma (http://devinder-sharma.blogspot.com/2009/11/india…).
  • 5Sujatha Byravan (2009): Where is the science? (www.indiatogether.org/2009/nov/agr-gmsci.htm).
  • 660 Prozent des Brinjal-Anbaus findet in den Staaten West Bengal, Orissa und Bihar statt, weswegen diese Staaten für die Konsultationen ausgewählt worden waren. Maharashtra und Gujarat (die Hauptanbaugebiete von Bt Baumwolle) und Hyderabad und Bangalore wurden ausgewählt, da dort eine Vielzahl an (Agrar-)Wissenschaftlern tätig ist. Chandigarh hat den Norden des Landes repräsentiert.
  • 7Samir Nazareth (2010): Lessons from the Bt-Brinjal consultations (http://infochangeindia.org/201002198167/Agricultu…).
  • 8Ministry of Environment and Forests (2010): Decision on Commercialisation of Bt-Brinjal (http://moef.nic.in).
  • 9Die spezifischen Produkte oder Organismen beinhalten gentechnisch veränderte Pflanzen und Organismen, Impfstoffe, Zellprodukte, Gen­therapieprodukte, Stammzellprodukte, und andere transgene Produkte.
  • 10Zitiert nach: Dinesh C. Sharma (2010): Govt. Moots Jail for GM Food Critics (http://ow.ly/18Zgg).
  • 11Devinder Sharma (2010): India seeks jail for GM food critics (http://devinder-sharma.blogspot.com/2010/02/india…).
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
199
vom Mai 2010
Seite 28 - 30

Karsten Wolff, Geograph und Agrarwissenschaftler, hat bis März 2010 als Berater für die südindische Organisation THANAL gearbeitet, die auch Mitglied in der Koalition für ein gentechnikfreies Indien ist.

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