No Sex on the Beach
Sterile Zuchtfische sollen wilde Bestände retten
Fische sind die Tiere, bei denen die Gentechnik am weitesten fortgeschritten ist. Die US-Firma AquaBounty wartet zum Beispiel seit mittlerweile einem Jahrzehnt auf die Marktzulassung ihres gentechnisch veränderten Lachses. Dem Risiko der gentechnischen Kontamination will die Firma durch sterile Fische begegnen. Das könnte jedoch vor allem dem eigenen Geschäft dienen.
Regelmäßig argumentieren Verfechter der Aquakultur 1, dass durch Fischfarmen die Bestände wildlebender Fische in den Weltmeeren geschont werden. Offen bleibt, wie das funktionieren soll, denn unter den wichtigsten Aquakultur-Arten finden sich auch Karnivore, räuberische Arten, zu deren Aufzucht Fischmehl und Fischöl verwendet wird. Insbesondere Lachs und Shrimps sind hier zu nennen. Für deren „Herstellung” werden laut Welternährungsorganisation FAO etwa ein Drittel der globalen Fischfänge eingesetzt. Der Futterfischfang ist kaum zu steigern. Er dezimiert die Fischbestände in den Weltmeeren und greift in deren Nahrungsketten ein. Auch der vermehrte Einsatz pflanzlicher Futtermittel kann die Fangmengen nicht reduzieren, sondern bestenfalls die wachsende Fischproduktion in den Aquakulturen kompensieren. Zuchtfische stellen aber nicht nur über die Futterfischfänge, sondern auch unmittelbar eine Gefahr für Wildpopulationen dar. Millionen dieser Tiere entweichen jedes Jahr aus Aquakulturen, obwohl die Käfige immer aufwändiger werden. Diese Flüchtlinge sind zur Zeit der Geschlechtsreife größer als die Wildtiere und daher attraktiver. Das führt zu einem erhöhten Fortpflanzungserfolg - allerdings wurde in einer Langzeitstudie festgestellt, dass die Nachkommen der ausgebrochenen Tiere größtenteils nur kurz überleben. Weiterhin ist problematisch, dass die Tiere aus den Aquakulturen die Wildpopulationen auch bei der Konkurrenz um Futter und Lebensräume aus dem Feld schlagen. Schließlich werden in den Aquakulturen Krankheiten und Schädlinge „mitgezüchtet”, die sich auf Wildtiere übertragen. Diese Effekte können Wildtierbestände schnell dezimieren. Auf das Verschwinden der Wildlachse haben die Indianer-Nationen in Nordamerika seit Langem hingewiesen. Sie führen öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen die norwegische Lachsindustrie durch und haben vor Kurzem erstmalig Klage eingereicht.
Gentechnik bei aquatischen Arten weit entwickelt
Wegen der relativ niedrigen Evolutionsstufe ist Gentechnik bei aquatischen Arten (Fische, Garnelen, Muscheln und andere) einfacher einsetzbar als bei terrestrischen Tieren. Etwa drei Dutzend aquatische Arten wurden gentechnisch verändert. In der Regel wurden den Tieren mehrere Kopien eines Gens eingesetzt, das für das Wachstumshormon zuständig ist. Bei dem gv-Lachs der US-amerikanischen Firma AquaBounty stammt das neu eingefügte Gen zum Beispiel von einer anderen Lachsart. Andere Fischarten, die gentechnisch manipuliert werden, sind Karpfen, Forelle, Katzenwels, Brasse, Barsch und Kabeljau sowie Zierfischarten wie Goldfisch, Zebrafisch und der Medaka. Probleme mit der Tiergesundheit, zum Beispiel Deformierungen, treten bei der gentechnischen Veränderung regelmäßig auf.2
Schaden für Wildbestände
Im Rahmen eines von der Europäischen Union (EU) geförderten Projektes zu ökologischen Risiken der Freisetzung von gentechnisch verändertem Lachs kamen WissenschaftlerInnen zu dem Schluss, „dass der Schaden durch entwichene gv-Fische vermutlich größer ausfallen wird als durch konventionelle Zuchtfische”. Dies läge wahrscheinlich daran, dass gv-Fische sich besser als konventionelle Zuchtfische an Futter- und Temperaturbedingungen anpassten.3 Inzwischen werden auch Gefahren für die menschliche Gesundheit belegt. Im oben genannten Projekt wurde nachgewiesen, dass gv-Fische resistenter gegenüber Umweltgiften sein können, so dass sich die Giftstoffe anreichern und schließlich beim Verbraucher landen. Auch Wissenschaftler der schwedischen Universität Gothenburg empfehlen, beim Umgang mit gv-Fischen größte Vorsicht walten zu lassen. Demgegenüber drängen die Befürworter der Aquakultur-Gentechnik auf Freisetzungsversuche. Sie glauben, dass Technologien zur Sterilisierung von Fischen das Einkreuzen von aus Gehegen ausgebrochenen Zuchtfischen in Wildpopulationen verhindern können. Allerdings wird manchmal auch angeführt, die Sterilisierungstechniken hätten den Zweck, Nachzucht durch die Konkurrenz auszuschließen.4Man könne gentechnisch veränderte Fische nicht „als beeindruckende Erfindung im Labor belassen”, wie es einer der Gentechniker formulierte. Sterilität der transgenen Fische wird als Lösung angeboten. Die vorhandenen Technologien seien zwar alle nicht zuverlässig, aber man könne ja zwei unzuverlässige miteinander verbinden, „um die Prozentlücke bei der Effektivität zu füllen“.5 Derzeit gibt es zwei verschiedene technische Ansätze, um Sterilität bei den Aquakultur-Arten zu erreichen: Die Erzeugung von so genannten Monosex-Populationen, das heißt rein männlichen oder rein weiblichen Populationen, und, zweitens, die so genannten Triploidie-Techniken, bei denen die Zahl der Chromosomensätze des Genoms der Tiere - von normalerweise zwei - auf mindestens drei erhöht wird.
Monosex-Populationen: Profit-Garantie für Gentechnikfirmen?
Männliche Tilapien wachsen schneller als weibliche. Weibliche Forellen, Lachse und Garnelen wachsen schneller als männliche. Mit der Geschlechtsreife entwickelt das Fleisch vieler Spezies - bei einigen die Männchen, bei anderen die Weibchen - einen unerwünschten Geschmack. Wegen dieser Unterschiede wird der Ansatz der Monosex-Population genutzt. Das Geschlecht, das betriebswirtschaftlich interessanter ist, wird bevorzugt. Bei einigen aquatischen Spezies kann durch Hormonbehandlung das äußerliche, also das phänotypische Geschlecht, geändert werden. Genetisch männliche Tilapien können durch Hormone ein weibliches Erscheinungsbild erhalten. Diese genetischen Männchen, die physisch jedoch weiblich sind, werden mit normalen Männchen gekreuzt. Die Gruppe der Nachkommen ist genetisch rein männlich und wird daher im Schnitt größer als eine gemischtgeschlechtliche Gruppe. Heute sind GM-Tilapia - „genetically male“ (genetisch männlich), nicht „genetically modified“ (gentechnisch modifiziert) - als einzige nach diesem Verfahren erzeugte Monosex-Population auf dem Markt. Demgegenüber bevorzugen die Garnelen-Zuchtunternehmen für die kommerzielle Haltung sterile weibliche Monosex-Populationen. Diese lassen durch rascheres Wachstum die Erträge steigen. Sterilität sei, heißt es, „spätestens, seitdem bei Garnelen die so genannte Selektionszüchtung angewandt wird, in nie dagewesener Weise als ausfallsicherer genetischer Schutz gefragt“.6 Beachtenswert ist, dass damit der Schutz vor Nachzucht durch die Konkurrenz gemeint ist. Zudem ist von Bedeutung, dass der Nutzen für Garnelen-Farmer nicht unbedingt gegeben ist, selbst wenn Monosex-Populationen schneller wachsen. Ob sich der Einsatz der Technik am Ende rechnet, ist in erster Linie eine Frage der Preisentwicklung oder der Marktmacht. Für die so genannte Genetik-Industrie, das heißt die Großunternehmen, die mit Zucht und Vermehrung von mastfähigem Nachwuchs ihr Geld verdienen, ist der Profit dagegen garantiert. Denn „rein weibliche Populationen schützen die Genetik“.7 Das bedeutet im Klartext: Die Interessen der Genetik-Firmen sind insofern geschützt, als dass mit rein weiblichen Gruppen keine Nachkommen gezeugt werden können und die Auqakultur-Farmer immer wieder auf die Genetik-Firmen zurückkommen müssen, denn Männchen aus anderen Quellen hätten nicht die gewünschten Eigenschaften.
Triploidie: Schutz vor Nachzucht
Eine andere weit verbreitet Technik, um Sterilität von Aquakultur-Populationen zu erreichen, ist die so genannte Triploidie. Anstatt des üblichen doppelten Chromosomen-Satzes im Erbgut kann die Anzahl der Chromosomen-Sätze auf drei (oder gelegentlich mehr) erhöht werden. Triploide Tiere können sich nur selten vermehren, sie sind meist, aber nicht immer, steril. Der Grad der Sterilität ist nicht hoch genug, um die Wildpopulationen vor entwichenen Zuchttieren zu schützen, aber hoch genug, um die Kunden zu veranlassen, auch die nächste Generation bei der Genetik-Firma zu kaufen, anstatt eigene Nachzucht zu betreiben. Allerdings scheint Triploidie bislang nur bei Forellen und Austern tatsächlich nutzbar zu sein. Der Marktführer bei der Forellenzucht, die US-amerikanische Firma Troutlodge Inc., kombiniert Triploidie mit Monosex-Populationen und verkauft triploide, rein weibliche Populationen.
Nicht alle Fischarten geeignet
Keine Marktaussichten bestehen dagegen für zwei wichtige Aquakultur-Arten: Lachs und Karpfen. Beide haben als triploide Tiere schlechte Wachstumsraten gezeigt. Beim Lachs traten außerdem Deformationen am Kiefer auf. Auch bei anderen Arten wuchsen triploide Exemplare schlechter als diploide. Garnelen überlebten die Triploidisierung nur in den seltensten Fällen. Darüber hinaus sind die triploiden Tiere besonders anfällig und brauchen optimale Haltungsbedingungen wie gleichmäßige Wassertemperatur oder optimale Futterzusammensetzung. Das aber führt zu hohen Produktionskosten, verursacht starke Umweltprobleme und erhöht außerdem die externen Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Dennoch wird weiter geforscht. Manche Genetiker halten Triploidie für besonders aussichtsreich bei schnellwüchsigen Arten wie Tilapia, Heilbutt oder Katzenwels.
Private Interessen, öffentlich finanziert
Obwohl die Triploidie in erster Linie im kommerziellen Interesse von Gentechnik-Firmen liegt, fördern einige Regierungen ihre Entwicklung aus öffentlichen Mitteln. Zum Beispiel optimiert die australische öffentliche Forschungseinrichtung CSIRO Triploidisierungstechniken, die bei der Garnelenart Penaeus japonicus entwickelt worden sind, für zwei andere Arten: Black Tiger Prawn (Penaeus monodon) and Pacific White Shrimp (Litopennaeus vannamei). Beide Arten sind im Südpazifik von besonderem wirtschaftlichen Interesse. Die kanadische Regierung unterstützt die Niederlassung der US-amerikanischen Firma AquaBounty im eigenen Land mit 2,9 Millionen Dollar. Dabei geht es um die Entwicklung von triploidem Lachs - womöglich in der Hoffnung, dass AquaBountys gv-Lachs dann doch zugelassen wird. Hatten einige Jahre und Forschungsförderprogramme zuvor Pierrick Haffray und Anne Marie Neeteson im Rahmen eines Workshops des Europäischen Tierzüchtungs-Projektes SEFABAR (Sustainable European Farm Animal Breeding And Reproduction) noch Forschungsbedarf bezüglich der sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen von Triploidie gesehen, muss man heute ernüchtert feststellen, dass derartige Fragestellungen gar nicht weiterverfolgt worden sind.
Weiterführende Literatur: Gura, S. (2009): Aquakultur auf globalem Expansionskurs: Neue EU- Strategie als Flankenschutz.Weltwirtschaft und Entwicklung 05/2009. Gura, S. (2009): Aquakultur, wachsendes Geschäft der Gentechnik-Konzerne. In: Buko Agrar Info 162. BUKO Agrar Koordination, Hamburg. Im Netz unter: www.bukoagrar.de > Publikationen > Buko Agrar Infos. Halweil, B. (2008): Farming fish for the future.Worldwatch Report 176, Seiten 27-31.
- 1Aquakultur wird sowohl in Käfigen im Meer oder Süßgewässern als auch in Teichen oder Behältern betrieben. Zu den wichtigsten Aquakulturarten gehören laut FAO zwei Algenarten, drei Muschelarten, fünf Karpfenarten und eine Garnelenart. Asien (China) ist der größte Produzent.
- 2Jennifer Teufel, Frank Pätzold, Christof Potthof (2002): Scientific research on transgenic fish with special focus on the biology of trout and salmon. Im Netz unter: www.uba.de > Publikationen > UBA-Texte 64/02. In Englisch mit deutscher Zusammenfassung.
- 3Studie des Centre for Aquaculture and Environmental Research in Vancouver (Kanada), im Netz unter: www.science.gu.se/english/News/News_detail/Risks_….
- 4Siehe zum Beispiel: F. Piferrer (2007): Use of Triploids to Limit the Genetic Impact of Escapees on Wild Populations – Status and Prospects. The International Symposium on Genetic Impacts from Aquaculture: Meeting the Challenge in Europe. Bergen, Norwegen, 2.-4. Juli 2007.
- 5L. Colombo (2007): Genetic Engineering in Aquaculture: Possibilities and Limitations. The International Symposium on Genetic Impacts from Aquaculture: Meeting the Challenge in Europe. Bergen, Norwegen, 2.-4. Juli 2007.
- 6M. J. Sellars, T. J. Dixon, G. J. Coman, N. P. Preston (2008): Reproductively sterile, all-female shrimp for commercial culture. In: World Aquaculture 2008 - Aquaculture for human wellbeing., Busan, Korea. Korea: World Aquaculture Society.
- 7Hein A. M. van der Steen, John Rocha, Daniel Ciobanu, Alok Deoraj, Donghuo Jiang (2004): Integration of Quantitative and Molecular Genetics - The Way Forward in Shrimp Breeding. Feira Nacional do Camarao - 3.-7- Februar 2004, Natal, Brasilien.
Dr. Susanne Gura ist freiberufliche Beraterin für internationale Agrarpolitik, insbesondere zur Biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft.