Das andere Monsanto: Röntgenbild von Syngenta
Syngenta überschwemmt Argentinien mit GVO und Pestiziden
In Argentinien überschwemmt der Agrochemie-Konzern Syngenta die Felder mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und Pestiziden, die in anderen Teilen der Welt verboten sind. Gleichzeitig fördert er eine Vermarktung, die das Wort „Nachhaltigkeit“ missbraucht.

Baumwolle ist eine der 61 in Argentinien zugelassenen transgenen Pflanzen und eine Hauptkultur des Rohstoffmodells. Foto: Pixabay.
Syngenta/China hat das weltweit größte Unternehmen für biologische Pflanzenschutzmittel, Valagro, übernommen. In einer Kampagne stellt sich Syngenta als Akteur dar, der die Landwirtschaft der Zukunft anführen wird. Aber angesichts der realen Praktiken schmilzt diese „grüne“ Werbung schnell dahin: In Argentinien überschwemmt Syngenta die Felder mit transgenen Produkten und hochgefährlichen Pestiziden wie Atrazin, Glyphosat und Paraquat. Während sie über Nachhaltigkeit sprechen, vermarkten sie Substanzen, die in anderen Teilen der Welt verboten sind und die nur in verarmte Länder exportiert werden.
Übernahme von Valagro
Vier Konzerne bearbeiten den globalen Markt für landwirtschaftliche Betriebsmittel. Die Syngenta-Gruppe ist eine von ihnen. Die anderen drei sind Bayer – der Konzern, der Monsanto gekauft hat –, Corteva – das Ergebnis der Fusion zwischen Dow und Dupont – und BASF. In Argentinien entfallen 55 % des Marktes auf Syngenta, Bayer, BASF, Corteva und das US-amerikanische Chemieunternehmen FMC. Syngenta ist ein transnationaler Konzern mit Hauptsitz in der Schweiz, der zuletzt für rund 43 Milliarden Dollar von ChemChina (China National Chemical Corp) übernommen wurde. Es ist der weltweit zweitgrößte Hersteller von GVO, Agrochemikalien und kommerziellem Saatgut. Im Januar fusionierte ChemChina mit dem chinesischen Unternehmen Sinochem zur brandneuen Syngenta-Gruppe.
Am 8. Oktober 2020 kündigte der Konzern die Übernahme von Valagro an – mit dem Ziel, sich in der Entwicklung eines Marktes für biologische Produkte zu positionieren. Der Markt für diese Produkte dürfte sich in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. „Die Kraft der Natur nutzen, um innovative und effektive Lösungen in der Pflanzenernährung und -pflege anzubieten“, heißt es auf ihrer offiziellen Website. Die Syngenta-Gruppe berichtet zudem, dass ihr Umsatz im dritten Quartal 2020 in Lateinamerika im Bereich Pflanzenschutz um 5 %, im Bereich Chemikalien um 9 % und im Bereich Saatgut um 4 % gestiegen ist. Die Konzerne wachsen, während die Landkonzentration, also die Konzentration von Landbesitz in der Hand von wenigen, in Argentinien zunimmt und die Menschen zunehmend verdrängt.
Weltweite Führung im Bereich Agrochemikalien
Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes erzielt Syngenta einen Umsatz von rund 750 Mio. US-Dollar pro Jahr. Durch den Kauf des Saatgutzüchters Nidera Seeds im Jahr 2018 übernahm der Konzern seine Führungsposition im Bereich der Agrochemikalien mit einem Marktanteil von 20 %. Heute steht er bei Sonnenblumen an erster Stelle, bei Mais hinter DEKALB (BAYER) an zweiter Stelle und bei Sojabohnen ebenfalls an zweiter Stelle hinter dem argentinischen GDM (Don Mario). Zu den derzeit 61 in Argentinien zugelassenen transgenen Pflanzen zählen auch Mais, Soja und Baumwolle. Diese gehören zu den Hauptkulturen des argentinischen Rohstoffmodells. Syngenta besitzt neun Produkte, die für den Anbau von transgenem Mais verwendet werden; ein weiteres für transgene Sojabohnen und eins für transgene Baumwolle. Einen Rekordverbrauch an Düngemitteln gab es in Argentinien im Jahr 2019 – gegenüber dem Vorjahr ist der Verbrauch um 9 % angestiegen. Seit 2015 zeigt er einen stetig wachsenden Trend. Auch die Produktion der agrotoxischen Chemikalien ist im Jahr 2020 bisher um 13 % gestiegen, unter anderem dank gestiegener Exporte.
In der EU verboten, in Argentinien vermarktet
Ungefähr ein Drittel der Pestizide, die von den weltweit führenden Agrochemiekonzernen verkauft werden, sind als hochgefährlich eingestuft und hauptsächlich für die am wenigsten entwickelten Länder bestimmt. Allein im Jahr 2018 wurden in der Europäischen Union mehr als 81.600 Tonnen von 41 Pestiziden verboten. Die unabhängige journalistische Organisation Unearthed, erstellte im Februar 2020 einen Bericht zu diesem Thema. Demnach ist Syngenta der bei weitem größte Exporteur von verbotenen Agrochemikalien (29.307 Tonnen). „Fast die Hälfte (41%) der Hauptprodukte von BASF, Bayer, Corteva, FMC und Syngenta enthalten mindestens ein hochgefährliches Pestizid (HHP)“, sagt Unearthed. Der Umsatz dieser hochgefährlichen Produkte machte 36 % des Gesamtumsatzes dieser fünf Konzerne aus. Mehr als zwei Drittel dieser Verkäufe erfolgten in Ländern schwachen und mittleren Einkommens. Syngenta Agro S.A. vermarktet in Argentinien folgende Pestizide: Ametrin, Atrazin, Chlorothalonil, Diquat, Glyphosat, Lambdacialothrin, Paraquat, Thiamethoxam. Viele von ihnen sind Teil einer Liste von 108 hochgefährlichen Pestiziden, die nach Untersuchungen des „Pesticide Action Network und lateinamerikanischer Alternativen“ (RAP-AL) in einigen Teilen der Welt, vor allem in der Europäischen Union, verboten sind und in Argentinien frei verwendet werden dürfen.
Herbizid Atrazin
Syngenta ist heute der führende Hersteller des Herbizids Atrazin. Der Konzern vermarktet es nicht in der Schweiz, wo es seinen Sitz hat, wohl aber in Argentinien, Brasilien, Paraguay, Bolivien und Uruguay. Atrazin ist in mehr als 37 Ländern und seit fast zwei Jahrzehnten in der Europäischen Union verboten. In Argentinien ist es das am vierthäufigsten verwendete Pestizid und hat zusammen mit dem tödlichen Paraquat (in der EU seit 1989 verboten) in den letzten Jahren sein Verkaufsvolumen gesteigert. Es wird in der extensiven Produktion von Mais, Sojabohnen, Weizen sowie von Hirse und Gemüse eingesetzt. In den USA wurde die Umweltschutzbehörde (EPA) im Oktober wegen der erneuten Genehmigung von Atrazin von den Organisationen Pesticide Action Network, Beyond Pesticides, Center for Biological Diversity, Center for Food Safety and Rural Coalition verklagt. Sie prangern an, die Lobby sei einflussreicher als die Fürsorgepflicht der Behörde.
Eine Frage der Verteilung
Der argentinische Sprecher von Syngenta, Antonio Aracre, führt eine riesige Medienkampagne durch, um den Konzern als nachhaltig zu bewerben, besorgt um das „Wohlergehen der Menschheit und das Schicksal des Planeten“. Der argentinische Staat erlaubte ihm, dieses Bild zu vermitteln, als er ihm einen prominenten Platz im „Plan gegen den Hunger“ einräumte. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Produzent*innen lehnten eine Beteiligung Syngentas an der Ausarbeitung des Plans jedoch weitgehend ab. Sie weisen auf etwas Offensichtliches hin: Wirtschaftsgüter sind keine Lebensmittel. Zudem könnten diejenigen, die Teil der Ursachen seien, nicht Teil der Lösung sein. Syngenta hingegen wiederholt weiterhin einen Mythos, der verbannt schien und der die Entwicklung der Agrarkonzerne seit der gescheiterten grünen Revolution ermöglichte: dass sie diejenigen seien, die den Hunger in der Welt beenden könnten. Laut UN Welternährungsorganisation (FAO) gibt es seit 1987 keinen Mangel an Nahrungsmitteln für die Weltbevölkerung. Die Produktion von essbaren Produkten schreite seither schneller voran als die Reproduktion der Bevölkerung. Das Problem ist nicht der Mangel an Nahrungsmitteln, sondern ihre Verteilung.
In weniger als einem Jahr wurde im Namen der Beendigung des Hungers und des Auswegs aus der Krise in Argentinien der „200-Millionen-Tonnen-Plan“ lanciert (Resolution 216/2020 des argentinischen Landwirtschaftsministeriums): Die Anbauflächen sollen erweitert werden, indem sie auf Sperr- und Pufferzonen ausgeweitet werden. Die Idee der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ soll wieder aufgegriffen werden, diesmal jedoch Hand in Hand mit Agrar- oder Präzisionstechnologien. Transgener Weizen wurde genehmigt (vorbehaltlich der Genehmigung Brasiliens), und Agrarexporteuren, dem argentinischen Agrarindustrierat (CAA) und der Strategie der agroindustriellen Reaktivierung für den Export „Plan 2020-2030“ wurden Senkungen der Quellensteuer gewährt. All das sind Maßnahmen, die das Agrovergiftungsmodell vertiefen oder den Weg für seinen weiteren Verlauf ebnen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf lavaca.org. Gekürzt und aus dem Spanischen übersetzt von Pia Voelker.
Anabel Pomar ist freiberufliche Journalistin und Ökofeministin und schreibt u.a. für das argentinische Magazin Lavaca.