Die Medien und das Wilmut-Ei

Wie man’s macht ist’s falsch. Man kann es ignorieren, und damit stillschweigend einen Affront gegen unsere werten Volksvertreter und die Gesetze tolerieren. Oder wie alle anderen darüber schreiben und damit einer ungewollten Diskussion erneut den Weg bereiten. Doch wenn schon alle drüber reden: Warum diskutiert man hierzulande kaum darüber, woher Ian Wilmut seine Eizellen bekommt?

Landauf, landab taten Politiker, Wissenschaftler, Ethiker und Ärzte unlängst ihre Empörung zur diesjährigen Vergabe des Paul-Ehrlich-Preises kund: Schließlich ging das unter anderem aus Töpfen des Gesundheitsministeriums gesponserte Preisgeld an einen Forscher, der seit kurzem "Menschen klont". Damit würde er sich in Deutschland strafbar machen. Ein "Frontalangriff auf deutsche Gesetze" titelte die Rundschau, ein "heikler Fall" hieß es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.(1) Wir selbst gehörten mit zu denen, die schon früh die Lunte rochen und damit den Tumult ins Rollen brachten. Medien sind berechenbar. Und mal ehrlich - wer will sich schon den Skandal um ein geehrtes Schaf entgehen lassen? Die Rechnung ist also aufgegangen. Hilmar Kopper (ehemals Chef der Deutschen Bank sowie Bundesbeauftragter für Auslandsinvestitionen, heute Vorsitzender des Stiftungsrates, der den Preis vergibt) und Bernhard Fleckenstein (Leiter des Instituts für klinische und molekulare Virologie an der Erlanger Universität und ebenfalls Stiftungsratsmitglied) können sich vergnügt die Hände reiben. Für ein paar Tage bestimmte die Debatte für und wider das "therapeutische Klonen" die öffentlichen Diskussionen: eine Forschung für Patienten, denen die Medizin bislang nicht helfen kann versus eine ethisch falsche Vernichtung von menschlichen Embryonen. Und als die Wogen sich fast wieder legten, rief Bundeskanzler Schröder in seiner Regierungserklärung wie beiläufig zum Forschungsklonen auf. (O-Ton: "Ich will das nur so sagen").(2)

Erklärungen gegen das Klonen

Unterdessen waren zwei internationale Ereignisse, die einen kritischen Beitrag zum Thema Klonen hätten liefern können, den Journalisten kaum ein paar müde Zeilen wert: Die UNO–Vollversammlung bekannte sich am 8. März nach jahrelangem Ringen zu einem halbherzigen Klonverbot.(3) Und das Europäische Parlament gab, nur zwei Tage später, eine Resolution gegen den Eizellenhandel und ebenfalls gegen das "Klonen von Menschen" ab.(4) Beide Dokumente sind völkerrechtlich nicht bindend, also in der Praxis von geringem politischem Gewicht. Und da die Forderungen bewusst undeutlich formuliert sind – das "therapeutische Klonen" wird gar nicht erst ausdrücklich benannt - werden sicherlich nicht alle Regierungen sie als ein umfassendes Klonverbot interpretieren. Beide Erklärungen argumentieren aber – und das ist erwähnenswert – mit der Situation von Frauen. So warnt die UN-Vollversammlung vor der "Ausbeutung von Eizellspenderinnen". Und die europäischen Abgeordneten fordern, dass "die freiwillige und unentgeltliche Spende von Eizellen gewährleistet sein muss, damit Frauen nicht zu 'Rohstofflieferanten' werden". Der menschliche Körper dürfe "nicht zur Erzielung von Gewinnen benutzt werden", heißt es zur Erklärung, besondere Aufmerksamkeit sei "schutzbedürftigen Menschen" zu gewähren, "bei denen die Gefahr besteht, dass sie Opfer von illegalem Handel werden".(5) Neu ist, dass sich die europäischen Volksvertreter im gleichen Atemzug gegen eine Finanzierung "der Embryonenforschung und der Embryostammzellenforschung" aus dem europäischen Haushalt aussprechen. Noch im letzten Jahr, als es um die Verabschiedung des sechsten europäischen Forschungsrahmenprogramms ging, konnten sich die Parlamentarier dazu nicht durchringen. Laut Peter Liese, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bioethik im Europäischen Parlament, ist diese Meinungsänderung auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum einen habe sich die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes nach der Erweiterung und nach der Europawahl geändert. So gibt es beispielsweise kaum Abgeordnete aus Malta, Polen oder der Slowakei, die verbrauchende Embryonenforschung aus dem EU-Haushalt finanzieren wollen. Zum zweiten seien viele, die dem Thema bisher eher neutral gegenüber gestanden hätten, durch aktuelle Berichte über einen "schwunghaften Handel" mit den Eizellen rumänischer Frauen aufgerüttelt worden (6) (vgl. Artikel "Biomedizinischer Grenzverkehr" von Erika Feyerabend, GID 168).

Kaum kritische Auseinandersetzungen

Umso bedauerlicher ist, dass die kritische Auseinandersetzung mit der Eizellenspende auch mit diesen Berichten endet. Kein Wort fällt über den hohen Verbrauch von Eizellen beim Forschungsklonen. Dadurch fällt unter den Tisch, dass der offiziell beklagte "Eizellenmangel", der die Kommerzialisierung von Keimzellen vorantreibt, auch in Verbindung mit ehrgeizigen Projekten der Wissenschaft zu sehen ist: Gleich zwei Forscher bekamen im letzten Jahr von der britischen Zulassungsbehörde HFEA die Lizenz zum Klonen von menschlichen Embryonen. Das Forschungsteam um Miodrag Stojkovic von der Universität von Newcastle ist an der Reproduktionsklinik "Center for Life" angesiedelt. Dadurch soll das Team nach eigenen Angaben pro Jahr Zugriff auf rund 2.000 menschliche Eizellen haben.(7) Sie stammen "von Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung oder einem gynäkologischen Routineeingriff, wie zum Beispiel zur Entfernung der Gebärmutter oder der Eierstöcke unterziehen".(8) In einem Aufklärungsbogen werden Frauen vor der IVF-Behandlung gefragt, ob sie überschüssige Eizellen für Forschungszwecke spenden wollen. Ian Wilmut, der zweite Forscher mit einer Klonlizenz, wird für seine Forschung zur Nervenkrankheit ALS nach eigenen Schätzungen in den ersten 12 Monaten rund 400 Eizellen verbrauchen. Etwa 350 davon sollen Eizellen sein, die Paare nach einer IVF-Behandlung spenden, weil sie sich nicht für eine künstliche Befruchtung eignen. Weitere Eizellen, so geht aus einem Brief der HFEA hervor, erhält der Forscher aus Sterilisationen.(9) Dies bedeutet, dass sich die Spenderinnen einer für die Sterilisation völlig unnötigen Hormonbehandlung unterziehen. Es ist schwer vorstellbar, dass sie diese große gesundheitliche Belastung ohne jeglichen Anreiz auf sich nehmen. Im Falle von IVF-Behandlungen gibt es in Großbritannien schon seit längerem ein "Entschädigungsmodell": Frauen, die einen Teil ihrer Eizellen anderen Paaren zur Verfügung stellen, können dadurch die Kosten für die eigene Fertilitäts-Behandlung reduzieren. Die besten Eizellen für unfruchtbare Paare – oder doch lieber für die Forschung? Darüber kann man nur spekulieren. Fest steht, dass Ian Wilmut, wenn ihm tatsächlich ein derartiges Anreizmodell vorschwebt, um Eizellen zu bekommen, gegen ausgerechnet jenes Gesetz verstößt, das unter anderem die Lizenzierungsbehörde HFEA begründet hat: Das Human Fertilisation and Embryology Act besagt, es sei eine unabdingbare Voraussetzung, dass Embryonen (oder Keimzellen, die zur Herstellung von Embryonen gespendet werden) freiwillig für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden und dass SpenderInnen eine informierte Entscheidung treffen. "Aus diesem Grund", so heißt es ausdrücklich, "darf die Spende die Behandlung in keinerlei Weise beeinflussen."(10)

Ineffiziente Forschung

Als Fazit einer öffentlichen Anhörung hielt die HFEA zu den Risiken, die mit den Hormonbehandlungen einer Eizellenspende einhergehen, übrigens ausdrücklich in einer der von ihr verfassten Konsultationen fest: "Im Unterschied zur Samenspende ist die Eizellspende ein medizinischer und chirurgischer Eingriff, der physisch belastend, schmerzhaft und stressvoll sein kann".(11) Und auch das Europäische Parlament betont, dass "die Entnahme von Eizellen unter anderem infolge der Überstimulierung der Eierstöcke Frauen einem hohen medizinischen Risiko für das Leben und die Gesundheit aussetzt".(12) Bei der Preisverleihung an Ian Wilmut spielte die Frage keine Rolle, ob sich angesichts solcher Risiken eine derartig ineffiziente Forschung, wie sie das Forschungsklonen darstellt, lohnt. Der Frankfurter Mediziner Josef Pfeilschifter, stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul-Ehrlich-Stiftung, würdigte die Arbeit Wilmuts als "essentiellen Beitrag in der Sorge um das Wohl der Patienten", denen die Medizin heute noch nicht helfen kann. Wilmut selbst dagegen bekannte in einem Interview, der wichtigste Fortschritt, der durch das Forschungsklonen erzielt werde, sei "eine Veränderung des Denkens". Für die Therapie am Menschen sei das Verfahren dagegen entbehrlich.(13) Er selbst muss es ja wissen.

Fußnoten:

  1. FR, 15.03.2005; zitiert in Ärzte Zeitung, 15.03.2005
  2. Plenarprotokoll 15/166, Seite 15492 B
  3. General Assembly adopts United Nations declaration on human cloning, 59th General Assembly, 82nd Meeting, Press Release GA/ 10333, 08.03.2005, www.un.org/News/Press/docs/2005/ga10333.doc.htm
  4. "Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Handel mit menschlichen Eizellen", vorläufige Ausgabe, 10.03.2005. P6_TA-PROV(2005)0074; http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?SAME_LEVE…
  5. Entschließung des EP, s.o.
  6. PM Peter Liese, 10.03.2005
  7. Roger Highfield, British team takes first step to cloning human embryos, telegraph news, 20.10.2004; Report of how the HFEA made its decision to licence the creation of embryos by cell nuclear replacement, ohne Datum, www.hfea.gov.uk/Research/Policy
  8. HFEA CNR Decision Report, ohne Datum, http://www.hfea.gov.uk/Research/Policy
  9. s. Brief der Vorsitzenden der HFEA, Suzi Leather, an Josephine Quintavalle, Vorsitzende der englischen Nichtregierungsorganisation CORE, 01.03.2005
  10. HFEA, Regulation of Research on Human Embryos, ohne Datum, www.hfea.gov.uk/Research/Policy
  11. HFEA, The Regulation of Donor-assisted conception, www.hfea.gov.uk/AboutHFEA/Consultations/SeedConsu…, Feb. 2005
  12. Entschließung des EP, s.o.
  13. "Ein Hoch auf die Kopie", Interview mit Ian Wilmut, Die Zeit, 10.03.2005
Erschienen in
GID-Ausgabe
169
vom April 2005
Seite 39 - 40

Monika Feuerlein ist freie Journalistin und arbeitete mehrere Jahre lang als Redakteurin für den Gen-ethischen Informationsdienst (GID).

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