Untersuchungen ohne Eigenschaften

Nach jahrelanger Verzögerung kommt die von der rot-grünen Regierung in den Koalitionsvereinbarungen von 1998 bereits angekündigte Gesetzgebung zur Gendiagnostik in Schwung. Im Herbst letzten Jahres gelangte ein Arbeitsentwurf des Gesundheitsministeriums für ein "Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen" an die Öffentlichkeit. Dieses Gendiagnostikgesetz soll den Einsatz von Genanalysen regeln und unter anderem verhindern, dass jemand aufgrund seiner genetischen Konstitution diskriminiert wird.

Niemand darf wegen seiner genetischen Eigenschaften oder der genetischen Eigenschaften einer anderen Person, wegen der Vornahme oder Nichtvornahme einer genetischen Untersuchung oder Analyse bei sich oder einer anderen Person oder wegen des Ergebnisses einer solchen Untersuchung oder Analyse benachteiligt werden", heißt es in Paragraph 4 des Arbeitsentwurfes für ein Gendiagnostik-Gesetz. Dieser Grundsatz eines Diskriminierungsverbots ist zweifellos richtig, doch zeichnet sich seine Umsetzung durch ein doppeltes Problem aus. Zum einen gibt es zahlreiche Mängel in Einzelfragen, die in der bisherigen Debatte zu Recht kritisiert wurden. So bleibt etwa offen, ob das Diskriminierungsverbot bei Beschäftigungsverhältnissen auch für Beamte gilt und wie genau der Schutz genetischer Daten in Einzelfall gewährleistet wird.(1) Zum anderen weist der Entwurf aber auch prinzipielle Probleme auf. Unklar sind nicht nur Einzelheiten, sondern Grundsätzliches: Was ist genetische Diskriminierung und wie unterscheidet sie sich von nicht-genetischer Diskriminierung? [siehe Kasten 1: Die wechselhafte Geschichte des PKU-Tests]

Ein Kontinuum von Diskriminierungspraktiken

In der wissenschaftlichen Literatur wird unter genetischer Diskriminierung eine Ungleichbehandlung aufgrund vermuteter oder tatsächlicher genetischer Besonderheiten verstanden. Dabei wird eine Diskriminierung aufgrund genetischer Faktoren strikt von einer Ungleichbehandlung auf der Basis von Krankheit und Behinderung getrennt. In der Regel wird jedoch Erstere als moralisch und rechtlich problematischer angesehen als Letztere. Dadurch entsteht die Gefahr, dass das spezielle Unwerturteil und die rechtlich herausgehobene Praxis genetischer Diskriminierung alle nicht-genetischen Formen von Diskriminierung als akzeptabel erscheinen lässt. Werden Behinderte und Kranke in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen regelmäßig gegenüber Gesunden diskriminiert, so scheint dies in dem Maße legitim, in dem ein besonderer Schutz für Menschen existiert, die von Praktiken genetischer Diskriminierung betroffen sind. Statt genetische Diskriminierung als integralen Bestandteil eines allgemeinen Kontinuums von Diskriminierungspraktiken zu begreifen, soll sie eine spezifische Zäsur markieren, die konzeptionell und normativ von anderen Formen der Benachteiligung zu trennen sei.(2) Die unterschiedliche rechtliche Einschätzung und Bewertung illustrieren zwei ähnlich gelagerte Fälle, die fast zeitgleich im selben Bundesland stattfanden. Der erste Rechtsstreit fand kürzlich ein breites Medienecho und sorgte im In- und Ausland für erhebliches Aufsehen. Einer Lehrerin wurde im August 2003 die Einstellung als Beamtin auf Probe in den hessischen Schuldienst verweigert. Die junge Frau hatte auf Nachfrage der Amtsärztin angegeben, dass ihr Vater an Morbus Huntington, einer unheilbaren neurodegenerativen Erkrankung, leide. Das amtsärztliche Gutachten kam zwar zu dem Ergebnis, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine gesundheitliche Eignung der Bewerberin vorliege. Die Verbeamtung wurde dennoch mit der Begründung abgelehnt, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die Frau in Zukunft erkranken werde und es damit zu häufigen Dienst- unfähigkeitszeiten und letztendlich zum Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit komme. Die Bewerberin klagte gegen diese Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt auf Einstellung in den Schuldienst als Beamtin auf Probe. Das Gericht gab ihr weitgehend recht und verpflichtete das beklagte Land, sie umgehend in das Beamtenverhältnis zu berufen.(3) Zur gleichen Zeit fand ein anderer Fall wesentlich weniger öffentliche Aufmerksamkeit. Ein 29jähriger Mann wurde ebenfalls in Hessen aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen, da er nach Ansicht seines Dienstherrn mit 120 kg Körpergewicht gesundheitlich nicht für eine Laufbahn in der allgemeinen Verwaltung geeignet sei. Auch in diesem Fall reichte der Betroffene Klage gegen die Entscheidung ein. Das Verwaltungsgericht Frankfurt bestätigte jedoch in seinem Urteilsspruch, dass die Entlassung rechtmäßig sei, da der Dienstherr dem Risiko vorbeugen dürfe, für spätere dauerhafte Gesundheitsschäden aufkommen zu müssen.(4) Obwohl der Bewerber also ebenfalls nicht erkrankt war und völlig unsicher ist, ob und in welcher Weise sein erhöhtes Körpergewicht in Zukunft zu dauerhaften Gesundheitsschäden führt, wurde er rechtlich behandelt, als sei er bereits dienstunfähig.

Probleme der Unterscheidung

Die Beispielfälle illustrieren einen allgemeinen Entwicklungstrend: Gesetzgebung und Rechtsprechung konzentrieren sich offenbar eher auf die "Herkunft" von Informationen als auf deren Inhalt. Allerdings taugt die Unterscheidung zwischen genetischen und nicht-genetischen Informationen nicht als Basis einer rechtlichen Differenzierung. Erstens ist nicht nachvollziehbar, warum etwa der Einsatz von biochemischen Verfahren, die Rückschlüsse auf genetische Dispositionen ermöglichen, für diskriminatorische Zwecke erlaubt, der Einsatz von DNA-Tests, die zum selben Ergebnis kommen, hingegen verboten sein soll. Daher erscheint nicht nur wenig praktikabel, sondern auch unfair, einer Versicherungsgesellschaft die Verwertung einer genetischen Analyse für eine komplexe Erkrankung zu untersagen, während zulässig sein soll, die Ergebnisse eines nicht-genetischen Tests für dieselbe Krankheit heranzuziehen. Dieses Vorgehen führt im Ergebnis zu einer Rechtslage, in der Menschen mit positiven genetischen Diagnosen mehr Schutz vor Diskriminierung und Datenmissbrauch genießen als solche, deren Untersuchungsbefund sich auf nicht-genetische Nachweisverfahren stützt.(5) Zweitens bleibt unverständlich, warum es institutionellen Akteuren wie Versicherungen oder Arbeitgebern verboten sein soll, eine Quelle genetischer Information ­ Genanalysen ­ zu nutzen, während es ihnen erlaubt ist, andere Formen genetischen Wissens heranzuziehen. So ist es nach dem Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gendiagnostikgesetz einer Versicherungsgesellschaft untersagt, von einer Frau mit einem positiven Ergebnis eines Gentests auf Brustkrebs eine höhere Versicherungsprämie zu verlangen, während dies zulässig sein soll gegenüber einer Frau, die es vorzog, keinen genetischen Test zu machen, in deren Familie aber bereits mehrere Frauen an Brustkrebs erkrankt sind. Durch dieses asymmetrische Entscheidungsprinzip wird nicht nur das Gebot der Fairness verletzt, es ist darüber hinaus zu befürchten, dass durch eine solche Regelung Menschen dazu gedrängt werden, sich genetischen Analysen zu unterziehen, auch wenn sie dies zunächst gar nicht wollten ­ etwa um Versicherungen (zu Standardkonditionen) zu erhalten. Drittens dürfte die zunehmende Entdeckung genetischer Faktoren für die Krankheitsgenese eine Abgrenzung zwischen genetischen und nicht-genetischen Leiden in Zukunft immer schwieriger machen. Auf den oben angeführten konkreten Fall bezogen, könnte man etwa eine Reihe von Forschungsarbeiten anführen, die eine genetische Komponente von Fettsucht nachzuweisen versuchen.(6) Wie würde das Urteil auffallen, wenn der Bewerber glaubhaft machen könnte, dass eine bestimmte genetische Disposition für sein Übergewicht (mit-)verantwortlich ist? Hätten wir es dann mit einer genetischen Diskriminierung zu tun, deren Betroffene einen besonderen Schutz genießen?

Genetischer Essentialismus

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Unterscheidung genetisch/nicht-genetisch die übergeordnete Frage ausblendet, in welcher Weise (prädiktive) medizinische Informationen allgemein eingesetzt werden, um Menschen zu kategorisieren, ihnen Charakteristika und Merkmale zuzuschreiben und sie von bestimmten Leistungen auszuschließen. Das Gesetz zum Schutz vor genetischer Diskriminierung ist zumindest zum Teil von der Vorstellung getragen, dass Gene die menschliche Existenz in fundamentaler Weise prägen und sie den Kern der Persönlichkeit ausmachen. Dieser genetische Essentialismus kommt in der Begründung des Entwurfs des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gendiagnostikgesetz klar zum Ausdruck. Jeder Form einer genetischen Diskriminierung ­ so heißt es dort ­ sei entgegenzutreten: "Denn die genetischen Eigenschaften sind dem Menschen ,in die Wiege gelegt' und daher von diesem nicht zu verantworten".(7) Diese Forderung scheint zunächst plausibel, ist aber bei genauerem Hinsehen wenig überzeugend. Dahinter verbirgt sich die Idee eines genetischen Programms, das für die Entwicklung und Identität der Individuen "verantwortlich" ist und deren Handlungsmöglichkeiten zugleich konstituiert und beschränkt. Es ist die Annahme einer besonderen Wirkmächtigkeit und Autonomie genetischer Faktoren, die deren privilegierten rechtlichen Status begründet. Prinzipiell existieren viele nicht-genetische Faktoren, die sich ebenso der individuellen Kontrolle entziehen, ohne eine spezifische Schutzwürdigkeit reklamieren zu können. Es ist keineswegs einsichtig, warum eine Person, deren erhöhtes Erkrankungsrisiko etwa für eine bestimmte Krebsform auf genetische Faktoren zurückgeht, einen größeren Schutz genießen soll als jemand, bei dem die gesundheitliche Gefährdung von Umweltfaktoren wie schlechten Arbeitsbedingungen oder verschmutzter Luft ausgeht. Sollte nicht auch dieser Betroffenenkreis wirksam geschützt werden? [siehe Kasten 2: … Nur Träume?]

Paradoxien der Kritik

Die Forderung genetische Diskriminierung von anderen Diskriminierungsformen abzusetzen und sie einer besonderen Gesetzgebung zu unterwerfen, hat einen paradoxen Effekt. Das Verbot einer "Ungleichbehandlung" von Menschen mit einer "abnormen" genetischen Konstitution, verstärkt den kulturellen Glauben an die Sonderstellung genetischer Faktoren, dem doch eigentlich mit der rechtlichen Regulierung begegnet werden soll. Die Antidiskriminierungsgesetzgebung droht so jenes Problem zu verschärfen, als dessen Lösung sie sich präsentiert. Damit sind wir mit einem spezifischen Dilemma konfrontiert. Auf der einen Seite gibt es Praktiken genetischer Diskriminierung und Menschen, die unter diesen Praktiken leiden; auf der anderen Seite wird der genetischen Essentialismus durch die wissenschaftliche und rechtliche Bekräftigung einer Sonderrolle genetischer Faktoren bekräftigt und erneuert. Aus diesem Dilemma folgt jedoch keineswegs, dass gesetzliche Bestimmungen zum Schutz von Menschen mit genetischen Eigenheiten überflüssig oder gar schädlich sind. Im Gegenteil: Solange kulturelle Stereotype und historische Vorurteilsstrukturen weiterbestehen und Menschen aufgrund ihrer genetischen Eigenheiten Missachtung, Ausschluss und Stigmatisierung erleiden, ist ein gesetzlicher Schutz der Betroffenen unverzichtbar.(8) Allerdings sollte ein solcher gesetzlicher Schutz nicht darin resultieren, genetische Daten von anderen (prädiktiven) medizinischen Informationen zu isolieren. Auch deren Erhebung und Verwendung sind klar zu regeln, um Missbrauch zu verhindern. Darüber hinaus ist erforderlich, bereits Erkrankte und behinderte Menschen wirksamer vor gesellschaftlicher Diskriminierung zu schützen. Genetische Diskriminierung ist eine Erweiterung und Verlängerung bestehender Praktiken von Missachtung, Stigmatisierung und Benachteilung ­ und würde ohne diese nicht existieren. Daher muss der Schutz vor genetischer Diskriminierung ergänzt werden durch tiefer greifende institutionelle Reformen und umfassendere Regelungen. Gelegenheit dazu bietet das jetzt ebenfalls in der rot-grünen Koalition diskutierte Antidiskriminierungsgesetz.

Fußnoten

  1. Görlitzer, Klaus-Peter: Gentest-Gesetz nach Wünschen von Kassen, Forschern und Firmen. In: Bioskop, 7. Jg., Nr. 28, S. 8-9; Schwägerl, Christian: Ohne meine Beamten. In: FAZ vom 9.11.2004
  2. Siehe dazu kritisch: Wolbring, Gregor (2001): Folgen der Anwendung genetischer Diagnostik für behinderte Menschen. Berlin: Gutachten erstellt im Auftrag der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik der modernen Medizin"
  3. Frankfurter Rundschau, 3.8.2004
  4. Frankfurter Rundschau, 3.6.2004
  5. Alper, Joseph S./Beckwith, Jon (1998): Distinguishing Genetic from Nongenetic Medical Tests: Some Implications for Antidiscrimination Legislation, in: Science and Engineering Ethics 4, S. 141-150, hier: S. 147. Zimmern, Ron L.. (1999): Genetic Testing: a Conceptual Exploration, in: Journal of Medical Ethics 25, S. 151-156, hier: S. 153
  6. Shell, Ellen Ruppel (2002): The Hungry Gene. The Science of Fat and the Future of Thin. New York: Atlantic Monthly Press; Hebebrand, Johannes (2004): Mehr Übergewicht ­ mehr Krankheiten? Genetische Ursachen der Übergewichtigkeit werden erforscht, in: GenomXPress, Nr. 4, S. 19-21
  7. Bundesministerium für Gesundheit und Soziales 2004, Begründung des Entwurfs für ein Gendiagnostik-Gesetz, S. 16
  8. In diesem Punkt besteht die zentrale Differenz zu der Position von Ulrich Stockter (s. GID Nr. 167, Dezember 2004, S. 38-42), der herausstellt, dass ein Verbot genetischer Diskriminierung rechtspolitisch kontraproduktiv sei, da es dem genetischen Determinismus Vorschub leiste, den es eigentlich bekämpfen will. Zugleich ist der Autor jedoch der Auffassung, dass "Aussagen anhand von genetischen Merkmalen keine besondere Bedeutung" (S. 41) zukomme, weshalb etwa die Verwendung prädiktiver Daten im Versicherungsbereich zulässig und gerechtfertigt sei.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
168
vom Februar 2005
Seite 3 - 6

Thomas Lemke ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Die wechselhafte Geschichte des PKU-Tests

Dass die Unterscheidung zwischen genetischen und anderen medizinischen Tests nicht trivial und keine technische Angelegenheit ist, zeigt die Geschichte des PKU-Tests, die die Politikwissenschaftlerin Diane Paul untersucht hat (Paul 1998). PKU ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der ein Enzymdefekt verhindert, dass die Aminosäure Phenylalanin in Tyrosin umgebaut wird. Durch eine spezielle Diät im Kindesalter lässt sich diese Störung jedoch weitgehend kompensieren. Als der so genannte Guthrie-Test in den 1960er Jahren entwickelt und zur Diagnose der Krankheit bei Neugeborenen eingesetzt wurde, spielte die genetische Dimension der Krankheit keine Rolle; vielmehr wurde PKU damals als eine behandelbare Form von geistiger Behinderung betrachtet. Zudem handelt es sich bei dem Untersuchungsverfahren um einen biochemischen Test, nicht um eine Untersuchung auf DNA-Ebene. Erst wesentlich später wurde der Guthrie-Tests als genetischer Test und PKU als eine genetische Krankheit betrachtet ­ eine Charakterisierung, die unterschiedlichen Interessen gleichermaßen diente. Die Visionäre einer molekularen Medizin konnten mit dem Hinweis auf den PKU-Test zeigen, dass es Gentests mit therapeutischem Nutzen gibt. Aber auch die Kritiker von Genanalysen profitierten vom Label "genetischer Test". Im Rahmen des Humangenomprojekts wurden in den USA und anderswo Kommissionen eingesetzt, um speziell genetische Tests (im Unterschied zu anderen medizinischen Tests) zu regulieren. Da Gentests größerer technischer Sorgfalt und intensiveren rechtlichen Regelungen unterliegen als andere Untersuchungsverfahren, war die Definition des PKU-Tests als genetischer Test auch für Kritiker eines genetischen Determinismus interessant, die der zunehmenden Nutzung von Gentests skeptisch gegenüber standen. Offenbar lässt sich die Grenze zwischen genetischen und nicht-genetischen Tests also nicht technikimmanent bestimmen, sondern ist letztlich Gegenstand von wissenschaftlicher Definitionsmacht und sozialen Aushandlungsprozessen. (Thomas Lemke)
(Vgl. Paul, D.: PKU Screening. Competing Agendas, Converging Stories. in D. Paul The Politics of Heredity. Essays on Eugenics, Biomedicine, and the Nature-Nurture Debate, Albany State University of New York 1998, S. 173-186)

... Nur Träume?

"Warum sollte man nicht von einer Jagd auf heterodoxe Gene, von einer genetischen Inquisition träumen? [...] Für manche Biologen von sehr unterschiedlicher, wenn man einmal so sagen darf: philosophischer Überzeugung sind solche Träume keineswegs nur Träume. Träumt man sie indessen, so betritt man eine andere Welt, die jener besten aller Welten Aldous Huxleys durchaus benachbart ist und aus der die kranken Individuen mitsamt ihren eigenartigen Krankheiten und Ärzten entfernt sind. Man stellt sich hier das Leben einer natürlichen Bevölkerung vor gleich einer Losurne: bestellte Beamte werden von der Wissenschaft vom Leben eingesetzt, die Richtigkeit der in der Urne enthaltenen Nummern zu prüfen, bevor die Spieler sie herausfischen und ihre Karten damit zieren dürfen. Begonnen hatte dieser Traum einmal mit dem hochherzigen Wunsch, unschuldigen und ohnmächtigen Lebewesen die schreckliche Belastung zu ersparen, stellvertretend an den Irrtümern des Lebens zu tragen. An seinem Ende allerdings steht die Polizei der Gene, die beschirmt wird von der Wissenschaft der Genetiker" (George Canguilhem, Das Normale und das Pathologische, Frankfurt am Main: Ullstein 1977, S. 196).

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