Zweifel an der Unbedenklichkeit

Die Bush-Regierung feiert den Spruch des WTO-Gerichtes gegen die EU. Dabei können Staaten laut Urteil Importe gentechnisch veränderter Lebensmittel verhindern.

Mitte Februar hatten die großen Gentechnikkonzerne herumposaunt, sie hätten vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO einen wichtigen Erfolg gegen die EU erzielt. Wie es aussieht, war das ziemlich übertrieben.

Ja, es ging um ein Moratorium der EU. Europa hatte beschlossen, bis auf weiteres keine gentechnisch veränderten Lebensmittel einzuführen. Dagegen hatten die USA, Kanada und Argentinien geklagt. Nachdem das Schiedsgericht ein Urteil gesprochen hatte, feierten US-Regierung und Biotechnologiekonzerne einen großen Sieg und warnten andere Staaten, sich der Einfuhr von Gennahrungsmitteln in den Weg zu stellen. Inzwischen wurde uns das Urteil zugespielt, das eigentlich geheimgehalten werden sollte. Es stellte sich heraus, dass die USA keinesfalls auf der ganzen Linie gewonnen, sondern vielmehr in wichtigen Punkten verloren haben. Tatsächlich hat die WTO Ländern das Recht zugebilligt, Genimporte zu verhindern. Voraussetzung ist, dass man die Zweifel an der Unbedenklichkeit wissenschaftlich untermauern kann.

Allerdings ist das EU-Moratorium 2004 ausgelaufen. Welche Bedeutung hat da dieses Urteil noch?

Letztendlich ging es nicht so sehr um die EU, sondern um die Entwicklungsländer. Die USA hatten gesehen, was in Europa passierte und wollten nicht, dass andere Staaten dem Beispiel der EU folgen. Es ging darum, diese von Einfuhr- und Anbauverboten abzuhalten, indem man die EU vor das WTO-Gericht zitierte. Nun hat dieses aber gesagt, dass gentechnisch veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel verboten werden können, wenn die jeweiligen Regierungen gute Argumente vorbringen. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was die US-Regierung gerade über das WTO-Urteil verbreitet.

Wird das Urteil also ein neues Einfuhrverbot der EU einfacher machen?

Ja, auf jeden Fall. Aber es gibt auch einige EU-Staaten, wie Deutschland, die nach dem Ende des Moratoriums Einfuhrverbote aufrechtgehalten haben. Diesen Staaten hat das WTO-Schiedsgericht ins Stammbuch geschrieben, dass sie einerseits das Recht dazu haben, andererseits aber sorgfältiger vorgehen, das heißt besser begründen müssen. In Deutschland ist zum Beispiel der Bt-Mais von Syngenta verboten. Der enthält ein Gen, mit dem die Pflanze ein starkes Insektizid produziert. Über dessen Sicherheit gibt es so viele wissenschaftlich begründbare Zweifel, dass ein Verbot ohne weiteres aufrechtzuerhalten sein müßte. Davon abgesehen bleibt festzuhalten, dass die WTO eine Handelsorganisation ist und damit eigentlich nicht die richtige Institution, um solche Streitfragen, in denen es um die menschliche Gesundheit und verschiedene Umweltaspekte geht, zu entscheiden.

Welche gentechnisch veränderten Produkte werden denn von EU-Ländern importiert?

In der Nahrungsmittelindustrie gibt es nur ganz wenig Importe. Kaum einer der großen Lebensmittelkonzerne oder der Einzelhandelsketten verwendet gentechnisch veränderte Organismen. Anders sieht es bei Futtermitteln aus. Das hat vor allem damit zu tun, dass es dort keine Kennzeichnungspflicht gibt. Wenn zum Beispiel die Hühner mit argentinischem Gensoja gefüttert werden, bekommen die Verbraucher das nicht mit. Deshalb gibt es in dem Sektor keinen Druck auf die Nahrungsmittelproduzenten.

Welche Aussichten sehen Sie für die EU, nachdem das Moratorium nicht verlängert wurde und es nun in Deutschland eine Regierung gibt, die sich für die Biotechnologie-Industrie ins Zeug legt?

Die politische Landschaft hat sich sicherlich geändert. Aber auf der anderen Seite sind zum Beispiel die neuen EU-Mitglieder praktisch alle gegen Gentechnik. Polen ist gentechnikfrei, und in jeder Region gibt es dort lokale Verbote. Ungarn hat zum Beispiel Monsantos Genmais verboten. Es gibt also weiter eine starke Opposition gegen Gentechnik unter den EU-Ländern, auch wenn sich das Lager etwas anders zusammensetzt. Außerdem ist die öffentliche Meinung, das zeigen alle Umfragen, nach wie vor gegen Gentechnik.

Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Wolfgang Pomreh

Erschienen in
GID-Ausgabe
175
vom April 2006
Seite 65

Adrian Bebb ist Gentechnik-Experte beim internationalen Umweltschutz-Netzwerk Friends of the Earth (Freunde der Erde), das in Deutschland durch den Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) vertreten ist.

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