Goldener Reis in Bangladesh?

Im Januar 2005 kündigte das Agrarministerium von Bangladesh an, die kommerzielle Zulassung von Goldenem Reis in naher Zukunft erteilen zu wollen. Diese Zulassung hat in Bangladesh zu massiven Protesten von Bauern, Organisationen der Zivilgesellschaft und Wissenschaftlern geführt, welche die Nahrungssouveränität der Bevölkerung durch diese Entwicklungen aufs Schärfste bedroht sehen.

Bangladesh ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es wird in den Medien hauptsächlich durch regelmässig wiederkehrende Überschwemmungen, Hungersnöte, Korruption und politische Instabilität wahrgenommen. Weniger bekannt ist, dass Bangladesh eines der Zentren der biologischen Vielfalt für Reis darstellt. Der Reis ist das mit Abstand bedeutendste Agrarprodukt des Landes. Gerade dieses Land, das über keine Gesetzgebung für Biosicherheit verfügt, soll jetzt Experimentierfeld für Goldenen Reis werden. Landwirtschaftsminister M.K. Anwar sagte in einem BBC-Interview, ihm seien die weltweiten Kontroversen um Gentech-Reis bekannt. Seine Regierung wende sich aber nicht gegen die Gentechnologie. "Wir werden Gentech-Reis nach angemessenen Testreihen und unter Befolgung aller nationalen und internationalen Regelungen in Bangladesh einführen."(1) Gleichzeitig verlautete vom "Bangladesh Rice Research Institute" (BRRI), dass eine lokal entwickelte Reissorte (BRRI 29) gentechnisch verändert (gv) worden sei. Diese könne Beta-Karotinoide produzieren, die im menschlichen Körper in Vitamin A umgewandelt werden. Obwohl kein Zeitrahmen genannt wurde, erwarten Regierungskreise eine baldige Zulassung.

Massiver Widerstand

In den letzten Monaten hat sich in Bangladesh massiver Widerstand gegen eine mögliche Zulassung entwickelt. Auf lokalen Veranstaltungen wurden die LandwirtInnen über die drohende Zulassung von Goldenem Reis unterrichtet. Die Technologie stösst hier auf Unverständnis und Ablehnung: "Wir haben traditionelle Reissorten, die Vitamin A enthalten", sagten Farmer aus Cox Bazar, das in Süd-Bangladesh liegt. "Darüber hinaus enthält eine Vielzahl von Obst und Gemüse Vitamin A, warum sollen wir uns da auf gentechnologische Experimente einlassen?" Und auch auf nationaler Ebene gibt es Widerstand. Auf einer Veranstaltung im "Nationalen Presse-Club" in Dhaka führte Farida Akhter von der Nichtregierungsorganisation UBINIG aus: "Goldener Reis gefährdet die Nahrungssicherheit der Menschen, da er auskreuzen wird und damit unsere traditionellen Reissorten kontaminiert."

Nayakrishi Andolon

In den 1960er Jahren sind die meisten FarmerInnen den Versprechungen der Grünen Revolution gefolgt und haben auf Hochertragssorten umgestellt. Hierdurch ging nicht nur traditionelles Saatgut, sondern auch das Wissen der Gemeinden um dieses kulturelle Erbe verloren. Als die negativen Folgen der Grünen Revolution sichtbar wurden (hoher Pestizideinsatz, nachlassende Bodenfruchtbarkeit, starke Verschuldung aufgrund externer Inputs), entwickelte sich in den Gemeinden eine wirtschaftlich tragfähige Alternative zur modernen Landwirtschaft, die so genannte "Neue Landwirtschaftsbewegung" - Nayakrishi Andolon. Nayakrishi Andolon ist mehr als ein Konzept der organischen Landwirtschaft. Sie legt besonderen Wert auf die dezentrale Erhaltung des Saatguts durch die Frauen. Daher werden Hybridsorten und Gentechnologie strikt abgelehnt. Diese Form der Landwirtschaft und die Kontrolle des Saatguts in den Händen der Frauen werden durch gentechnisch veränderten Goldenen Reis bedroht. "Dieser Schachzug der Regierung richtet sich eindeutig gegen die bäuerlichen Gemeinschaften in Bangladesh. Diese haben bewiesen, dass auf Biodiversität basierende ökologische Landwirtschaft produktiver ist, und dass es genug lokale Varietäten gibt, die Hektarerträge von 6 Tonnen und mehr erzielen."(2)

Akzeptanzbeschaffung für die Gentech-Branche

Sollte Bangladesh dem Goldenen Reis die Zulassung erteilen, wäre es das erste Land weltweit, das Gentech-Reis freigibt. Reis spielt eine zentrale Rolle in den Gentech-Strategien der agrochemischen Konzerne, und zwar nicht nur aus kurzfristigen ökonomischen Gründen: So soll Reis der Akzeptanzbeschaffung für die gesamte Gentech-Branche dienen. Überall in Asien finden Labor- und auch Freilandversuche mit gv-Reis statt, wobei die Hauptanwendungen in den Bereichen Herbizid-, Krankheits- und Virustoleranz liegen. Nachdem Anfang des Jahres bekannt geworden war, dass in der Volksrepublik China bereits seit mindestens zwei Jahren illegal Bt-Reis angebaut wird (3), besteht die Gefahr, dass illegale Freisetzungen auf Grund unklarer Gesetzeslagen nachträglich legalisiert werden. Die USA versuchen derzeit in der Region die Gefahren von Gentechnologie zu bagatellisieren. Auf einer Lobbyveranstaltung der US-Botschaft in Dhaka hieß es hierzu Ende August: "Biotechnologische Nahrungsmittel bedeuten geringere Gesundheitsrisiken für die Verbraucher (als konventionelle), da sie vor der Zulassung so aufwändig überprüft werden."(4) Schlechtes Image Die Bäuerinnen und Bauern in Bangladesh lassen sich hiervon jedoch nicht irreführen: Mittlerweile hat Goldener Reis bei ihnen ein so schlechtes Image, dass er sich unter diesem Namen mit Sicherheit nicht vermarkten lässt. Und ein Farmer in Tangail fügt hinzu: "Wenn die Vertreter von Syngenta in unser Dorf kommen, werden wir sie wieder hinausjagen." Auf den Dorffesten werden schon Lieder über den Konzern, den "springenden Affen", gesungen. Darin wird das Unternehmen als Heuchler verspottet.

Fußnoten

  1. BBC News / Tuesday, 18.01.05; im Netz unter: http://news.bbc.co.uk/1/hi/sci/tech/4185207.stm.
  2. Akhter, F. & Mazhar, F. (2005): Our farmers and effects of Golden Rice. In: New Age, 04.02.05.
  3. GMO Rice Sold in Central China Markets; Reuters, 14.04.05, zitiert nach GENET-news, im Netz unter: www.genet-info.org.
  4. Press Release of US Embassy, http://dhaka.usembassy.gov/utils/eprintpage.html.
  5. Greenpeace (2005): All that Glitters is not Gold: The False Hope of "Golden Rice". Im Netz unter: www.greenpeace.org/raw/content/international/pres….
Erschienen in
GID-Ausgabe
172
vom Oktober 2005
Seite 26 - 27

Karsten Wolff, Geograph und Agrarwissenschaftler, hat bis März 2010 als Berater für die südindische Organisation THANAL gearbeitet, die auch Mitglied in der Koalition für ein gentechnikfreies Indien ist.

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Goldener Reis von Syngenta

Im März hatte Syngenta in Großbritannien gemeldet, eine neue Variante von Goldenem Reis entwickelt zu haben. Deren Beta-Karotin-Gehalt soll - im Vergleich zur Originalsorte - 23-fach erhöht sein. Dies sei gelungen, indem Gene der Narzisse und von Mais in das Reisgenom integriert worden seien. Es wurde behauptet, dass somit eine Variante entwickelt worden sei, die den gesamten Tagesbedarf an Vitamin A decken könne. Diese Behauptungen wurden bereits mehrfach kritisch hinterfragt. Greenpeace - zum Beispiel - bemängelte, dass neben zu erwartenden Gesundheits- und Umweltrisiken etliche technische Probleme ungelöst seien.(5) So beziehen sich die Angaben von Syngenta nicht ausschließlich auf den Beta-Karotin-Gehalt, sondern auf eine ganze Gruppe von Karotinoiden, die zum Teil sehr viel weniger effiziente pro-Vitamin-A-Komponenten enthalten. Darüber hinaus enthält Goldener Reis unterschiedliche Arten von Beta-Karotin, welche einen unterschiedlichen Nährwert haben. Ausserdem ist die Umwandlungsrate von Beta-Karotin in Vitamin A immer noch unbekannt, ebenso wie der zu erwartende Verlust an Beta-Karotin durch Kochen und Lagerung. (Karsten Wolff)