Gentechnik ist keine Lösung!

Aufhebung des Verbotes von GVO in Kenia

Dürren und globale Krisen verschärfen die Nahrungsmittelsituation in Kenia. Als Reaktion entschied die Regierung das langjährige Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen aufzuheben. Die Autorin sieht darin eine Gefahr für lokale Sorten, die Unabhängigkeit der Bäuer*innen und die Ernährungssicherheit.

Zu sehen ist eine Frau an einem Marktstand, umgeben von vielen unterschiedlichen Früchten.

So läuft es in Kenia nicht überall: In einigen Bezirken gibt es zwar reichlich Nahrungsmittel, diese können aber aufgrund schlechter Straßen und fehlender Absatzmärkte nicht verteilt werden. Foto: Gemeinfrei auf pixabay.com.

Kenia hat – wie viele Länder des Globalen Südens – mit diversen Problemen zu kämpfen, die Hunger und Mangelernährung begünstigen. Trotz der Hoffnung, dass Kenia die Folgen der Covid-19-Pandemie überwinden würde, beeinträchtigen der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise den Agrarsektor weiterhin. Die weltweite Inflation und der Anstieg der Preise für Treibstoff, Düngemittel und Lebensmittel haben die Situation der Kleinbäuer*innen, die 80 Prozent der kenianischen Landwirt*innen ausmachen, weiter verschärft.

Kenia befindet sich derzeit in einer Hungerkrise, nachdem fünf Regenzeiten in Folge ausgefallen sind und eine extreme Dürre herrschte. Erschwerend kommt hinzu, dass in Kenia in 84 Prozent des Landes ein trockenes bis halbtrockenes Klima herrscht, während die restlichen 16 Prozent seit mehr als drei Jahren von anhaltenden Regenperioden betroffen sind. Des Weiteren hat das Land mit neuen Schadinsekten zu kämpfen, wie der Wüstenheuschrecke und dem Herbst-Heerwurm. Jüngste Prognosen der Regierung besagen, dass Kenia bis 2030 nur die Hälfte seiner Bevölkerung ernähren können wird. Der Welthungerindex 2022 positioniert Kenia auf Platz 94 von 136.1 Er verdeutlicht die akute Dringlichkeit sofortigen Handelns, um eine neue und dauerhafte Grundlage für die Ernährungssicherheit im Land zu schaffen.

Gentechnik als vermeintliche Lösung

Im September 2021 rief die kenianische Regierung den nationalen Dürre-Notstand aus. Im Oktober 2022 entschied die Regierung die Aufhebung des Verbots gentechnisch veränderter Organismen (GVO). Darauffolgend wurde das laufende Düngemittel-Subventionsprogramm in Kenia eingeführt, um die Ernährungsengpässe zu verringern und sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Das Argument: Die Abhängigkeit von der regenabhängigen Landwirtschaft soll verringert werden.2 Nachdem die Opposition die Regierung verklagt hat, wird die Aufhebung des GVO-Verbots nun in Gerichtsverfahren verhandelt. Ein Urteil steht noch aus. Ist die mögliche Aufhebung des Verbots von GVO die Lösung für die Ernährungssituation in Kenia? Meine eindeutige Antwort lautet nein! GVO sind keine Lösung für die Ernährungskrise und können sogar einen Rückschlag für diese bedeuten.

Einheimisches Saatgut als kulturelle Tradition

Zuallererst ist Kenia ein Land mit sehr vielfältigem und widerstandsfähigem einheimischem Saatgut, das auch unter wechselnden Klimabedingungen gut gedeiht. Die Probleme Kenias sind vielmehr die Klimakrise, die übermäßige Abhängigkeit der Landwirtschaft von Pflanzenschutzmitteln, die hohen Kosten für landwirtschaftliche Betriebsmittel, Schadinsekten und eine schlechte Infrastruktur. Letztere ist besonders relevant. So gibt es in einigen Bezirken zwar reichlich Nahrungsmittel, die aber aufgrund schlechter Straßen und fehlender Absatzmärkte nicht verteilt werden können. Ein Beispiel ist der Bezirk Nyandarua, in dem ein Überschuss an Nahrungsmitteln auf den Farmen verdirbt. Im Jahr 2022 gab es im Bezirk Baringo einen Überschuss an Tomaten, aber da es keine Abnehmer*innen gab, fraßen Kühe die faulenden Tomaten.

Kenia hat sich bemüht, sein einheimisches Saatgut, dass ein Symbol für das Erbe und die Kultur des Landes ist, zu bewahren und weiterzugeben. Die Einführung von gv-Saatgut wird das einheimische Saatgut verunreinigen und deren Erhalt bedrohen. Dies widerspricht der kenianischen Verfassung, die besagt, dass einheimisches Saatgut für die jetzige und künftige Generationen bewahrt werden soll. Gleichzeitig wird betont, dass Kultur die Grundlage der Nation ist. Kenianer*innen würden also ihre kulturelle Identität verlieren, denn Lebensmittel sind hier nicht nur Lebensmittel, sondern ebenso Kultur. Im Oktober 2022 veranstaltete PELUM Kenia in Zusammenarbeit mit den kenianischen Nationalmuseen und anderen Partner*innen eine große Messe für einheimisches Saatgut, auf der verschiedene Interessengruppen aus allen Teilen des Landes das vielfältige Saatgut ausstellten. Interessenvertreter*innen betonten die Notwendigkeit, einheimisches Saatgut zu bewahren.

Gefahr für kulturelle Tradition und Ernährungs­sicherheit

GVO sind eng mit multinationalen Konzernen verbunden. Diese besitzen die Rechte an den genetischen Variationen und haben die Möglichkeiten gv-Saatgut zu entwickeln und international erfolgreich zu vermarkten. Einheimisches Saatgut steht dazu in direkter Konkurrenz. Die Konzerne setzen daher vieles daran, die Bemühungen um die Bewahrung, Wertschätzung und Weitergabe von einheimischem Saatgut zu erschweren. Gv-Saatgut würde die Landwirt*innen noch abhängiger von externer Unterstützung machen, da jede*r Landwirt*in vor jeder Pflanzsaison neues Saatgut kaufen müsste und nicht auf eigenes oder das von Nachbar*innen zurückgreifen kann. Einige Kleinbäuer*innen müssten, um das nötige Geld aufzubringen, zum Beispiel Kredite aufnehmen. Das kann zeitaufwendig sein, und bei einem regengespeisten Anbausystem bedeuten, dass die Bäuer*innen die guten Anbauphasen verpassen. Dies würde sich wiederum negativ auf die Ernährungssicherheit auswirken.

In Kenia gibt es die Tradition des Saatgutsammelns. Über 80 Prozent der Landwirt*innen in Kenia wählen ihr Saatgut auf dem Feld aus und bewahren es auf. Es ist daher gut möglich, dass einige Landwirt*innen gv-Saatgut zur wieder Aussaat aufbewahren, dabei ist es, anders als traditionelles Saatgut, nicht dafür geeignet.3 Das gv-Saatgut würde in der Wiederaussaat zu einer schlechten Ernte führen, was die Ernährungslage noch weiter verschlimmern würde. Die jüngsten Maßnahmen der nationalen Regierung zur Aufhebung des GVO-Verbots und der Düngemittelsubventionen sind keine langfristigen Lösungen. Es sind stattdessen verstärkte agrarökologische Interventionen erforderlich, die ökologisch verträglicher und nachhaltiger sind und die Abhängigkeit von externen Produkten für die ohnehin schon verwundbaren Kleinbäuer*innen verringern.

Gefahr fürs Ökosystem und ökonomische Abhängigkeiten

Die allermeisten GVO werden in den Industrieländern ausschließlich für Tierfutter und die Textilindustrie verwendet. In Kenia gibt es derzeit allerdings einen Vorstoß zur Einführung von gv-Mais für den menschlichen Konsum 4 – Mais ist hier ein Grundnahrungsmittel. Bei der Ernährungssicherheit geht es nicht nur um die Menge der Lebensmittel, sondern auch um deren Qualität. Gv-Saatgut braucht häufig mehr Zusatzstoffe wie Pestizide oder Dünger als traditionelles Saatgut. Die Anwendung potenziell schädlicher Einsatzmittel trägt dazu bei, dass Lebensmittel unsicher werden, und ist somit keine Antwort auf die Frage der Ernährungssicherheit. Hingegen ist eine teure, chemieintensive Landwirtschaft ein Rezept für Hunger, da die Kleinbäuer*innen gezwungen sind, mehr Geld für den Kauf von Saatgut und chemischen Zusatzstoffen auszugeben. Die Einführung von GVO bedeutet somit lediglich eine Vereinnahmung der Landwirtschaft durch die Unternehmen, die häufig an dem Saatgut sowie an den passenden Zusatzstoffen verdienen.

Aus den Beispielen unserer afrikanischen Partnerländer, die GVO eingeführt haben, kann Kenia lernen – um nicht in die gleichen Fallen zu tappen. Südafrika und Burkina Faso sind beides Fallstudien, die zeigen, dass GVO Teil eines Landwirtschaftsmodells sind, das die Landwirt*innen in langfristige Abhängigkeiten stürzt, die biologische Vielfalt untergräbt und – durch die Förderung groß angelegter industrieller Infrastrukturen – Millionen von Menschen in mehr und nicht weniger Armut treibt. Südafrika zum Beispiel leidet selbst nach der Einführung von gv-Mais unter Ernährungsunsicherheit und kleinbäuerliche Strukturen haben abgenommen.5 Das Land ist außerdem zum größten Importeur und Anwender von Pestiziden in Subsahara-Afrika geworden. Landwirt*innen, die Bt-Baumwolle in Burkina Faso anbauen, mussten aufgrund der hohen Kosten für Saatgut und Betriebsmittel hohe Kredite aufnehmen.6 In Burkina Faso gaben daher viele Bäuer*innen den Anbau von Bt-Baumwolle auf. Die Regierung verbot sie 2016, kaum drei Jahre nach ihrer Markteinführung. Das große Problem bestand darin, dass die Bt-Baumwolle von schlechterer Qualität war und auf dem Weltmarkt abgelehnt wurde. Sind das die gleichen Probleme, die Kenia haben möchte? Ganz sicher nicht.

  • 1Welthungerhilfe (2022): Welthunger-Index – Transformation der Ernährungssysteme und lokale Governance. Online: www.kurzelinks.de/gid265-jc [letzter Zugriff: 31.03.23].
  • 2Chelangat, M. (03.10.2022): GMO food now legal in Kenya after Cabinet lifts ban. In: Nation Africa. Online: www.kurzelinks.de/gid265_da [letzter Zugriff: 14.04.23].
  • 3Anm.d.Red.: Gv-Saatgut ist meistens auch Hybrid-Saatgut, wodurch nur in der ersten Anbaugeneration gute Erträge zu erwarten sind. Außerdem ist es durch Patente und Lizenzen meistens verboten gv-Saatgut aufzubewahren und wiederzuverwerten.
  • 4Hochet-Bodin, N. (26.12.2022): Kenya looks to genetically-modified maize to combat food crisis. In: LeMonde. Online: www.kurzelinks.de/gid265-je [letzter Zugriff: 31.03.23].
  • 5Fischer, K. (2022): Why Africa’s New Green Revolution is failing – Maize as a commodity and anti-commodity in South Africa. In: Geoforum, Vol. 130, S.96-104, www.doi.org/10.1016/j.geoforum.2021.08.001.
  • 6Luna, J.K./Dowd-Uribe, B. (2020): Knowledge politics and the Bt cotton success narrative in Burkina Faso In: World Development, Vol. 136, www.doi.org/10.1016/j.worlddev.2020.105127.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
265
vom Mai 2023
Seite 13 - 14

Rosinah Mbenya ist Umweltwissenschaftlerin und Landeskoordinatorin bei Participatory Ecological Land Use Management (PELUM) in Kenia.

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