Bessere Luft und Weihnachtsbäume nach Maß?
Wer hierzulande von Gentechnik spricht, denkt in der Regel zuallererst an Gen-Popcorn oder anderes Geschmackvolles aus der Abteilung Frankensteinfood. Doch Gentechnik hält vergleichsweise unbeachtet von der Öffentlichkeit auch Einzug in die Forstwirtschaft. So wurde etwa auf der 9. UNO-Klimakonferenz beschlossen, dass zur Reduktion von Treibhausgasen künftig auch gentechnisch veränderte Pflanzen (GVOs) eingesetzt werden können.
Ich beurteile das sehr, sehr kritisch. Ich sehe den Vorteil nicht - weder für die Wirtschaft, noch für die Umwelt", kommentierte der österreichische Umweltminister Josef Pröll den Beschluss der 9. UNO-Klimakonferenz in Mailand im Dezember 2003. Dabei ging es um die Festlegung der Spielregeln für die praktische Umsetzung der im Kyoto-Protokoll vorgesehenen Möglichkeit, so genannte CO2-Senken, nämlich Wälder und Felder, die Kohlenstoff binden, zur Reduktion von Treibhausgasen einzusetzen. Dass dafür künftig auch genveränderte Pflanzen sorgen dürfen, war Pröll sauer aufgestoßen. Ausrichten konnte das kleine Österreich mit seinem Widerstand nicht viel. Gemäß den Mailänder Beschlüssen können künftig GVOs für Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte in Entwicklungsländern, die von Industrienationen finanziert werden, zugelassen werden.
Nicht abschätzbare Risiken
Wie groß aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Gentech-Industrie nun in finanzschwachen Entwicklungsregionen - beispielsweise mit schnell wachsenden genveränderten Bäumen - breit macht? "In Mailand wurde festgelegt, dass GVOs auch in den Gastländern erlaubt sein müssen. Von etlichen Entwicklungsländern wird das klar abgelehnt. Brasilien etwa sperrt sich. Anders sieht es in Honduras aus", erläutert der Klimaschutzexperte Dr. Helmut Hojesky vom österreichischen Umweltministerium im Telepolis-Gespräch und ergänzt: "Wir sehen grundsätzlich die Einführung von CO2-Senken mit Problemen behaftet. Für den Klimaschutz muss man primär beim Verursacher ansetzen." Ein rasches Aufforsten könne auch einen Verlust an Biodiversität bedeuten, so Hojesky. Der Einsatz von Gentech-Bäumen würde dieses Problem möglicherweise verschärfen, für die Umwelt könnten sich auch andere, noch nicht abschätzbare Risiken ergeben. Dennoch scheint die Verlockung, mittels Gentechnologie Umweltsünden auszubügeln, groß zu sein. Bereits im Dezember 1998 erklärte der japanische Automobilhersteller Toyota gegenüber dem "Daily Yomiuri", der konzerneigenen Biotechnologie-Abteilung sei die Entwicklung eines Baumes gelungen, der gegenüber herkömmlichen Bäumen 30 Prozent mehr Schadstoffe aus Autoabgasen absorbieren beziehungsweise klären könnte. Wie weit das Projekt damals tatsächlich bereits fortgeschritten war beziehungsweise was daraus konkret geworden ist, ist nicht ganz klar. Zumindest die neueren Berichte der recht umtriebigen Toyota Biotech-Abteilung (1) erwähnen nichts mehr von diesem ursprünglich für Japan konzipierten "Luftverbesserungsprogramm". Vielmehr scheint sich Toyota in Sachen Gen-Bäumen derzeit auf Aufforstungsprojekte in Australien zu konzentrieren.
Schnelleres Wachstum mit unerwünschten Nebenwirkungen
Weltweit sind derzeit rund 150 Freisetzungen von transgenen Gehölzen bekannt, wobei die Zahl der Freisetzungsorte weitaus höher geschätzt wird als diese auf offiziellen Anträgen beruhende Größe. Allen voran führen die USA mit über hundert Freisetzungen. Besonders beliebt bei Gentechnikern ist dabei die Pappel, gefolgt von Kiefer, Fichte, Birke und Eukalyptus. Der Drang hin zu Gentech-Bäumen hat mehrere Triebfedern: Zum einen ist es die Papierindustrie. Internationale Multis wie Westvaco oder International Paper prognostizieren für die nächsten zwei Jahrzehnte einen weltweiten Anstieg des Papier- und Zellulosebedarfes um 50 Prozent, wobei schon ab 2010 das Angebot knapp werden könnte. Plantagenbäume, die mit Hilfe der Gentechnik auf schnelleres Wachstum hin getrimmt wurden, könnten hier Abhilfe leisten. Auf indonesischen Versuchsfeldern der Firma Monfori Nusantra, einem Joint-Venture der Biotech-Unternehmen Monsanto (USA) und For-Bio (Australien), wachsen bereits Eukalyptus-Bäume, die nach nur fünf Jahren statt normal zehn bis zwölf Jahren 'schlagreif' sind. Die Forstgenetiker versprechen allerdings noch mehr. Durch gentechnische Eingriffe sollen Bäume weniger Lignin produzieren. In Papierfabriken muss das Lignin mit aufwändigen chemischen Verfahren entfernt und anschließend teuer entsorgt werden. Ligninarme Bäume könnten diesen Prozess überflüssig machen. Doch wer Gentechnik in die Natur entlässt, wird manchmal von "unerwünschten Nebenwirkungen" eingeholt. Letztes Jahr beklagte der deutsche Forstgenetiker Matthias Fladung, dass bereits anderthalb Jahre zuvor das erste Versuchsgelände mit gentechnisch veränderten Pappeln in Großhansdorf bei Hamburg geräumt worden wäre, aber weiterhin Wurzelschösslinge aus dem Boden gerissen werden müssten. Bereits 1995 hätte man bei der Antragsstellung zwar auf diese Möglichkeit hingewiesen, doch dann fanden sich Schösslinge auch außerhalb der eigentlichen Versuchsfläche. Die Stabilität von genetisch veränderten Bäumen wird ganz allgemein als eines der Hauptrisiken gewertet. Und auf die Frage, ob eine Übertragung von Fremdgenen wirklich eine Gefahr für das Ökosystem wäre, müssen selbst eingefleischte Biotech-Befürworter einräumen, dass man es schlichtweg nicht weiß.
Nichtheimische Gehölze als Invasoren
Im Gegensatz zu einjährigen Nutzpflanzen wie Mais oder Raps sind Bäume sehr langlebig und haben demzufolge auch einen viel nachhaltigeren Einfluss auf die Umwelt. Ralf Labes resümierte am 6. Naturschutztag (im März 2002 in Güstrow) deshalb: "Obwohl gentechnisch veränderte Bäume fast ausschließlich für den Plantagenanbau und nicht für den Waldbau gezüchtet werden, ist eine Langzeitwirkung auf naturnahe Ökosysteme nicht auszuschließen. Denn es erscheint nahezu unmöglich vorauszusagen, welche langfristigen Effekte ein genveränderter Baum in über hundert Jahren Lebenszeit auf die unzähligen Lebewesen haben könnte, die von ihm abhängen. Aus diesem Grund wird immer wieder die Notwendigkeit eines Langzeitmonitoring betont. Das wird dann mit der richtigen Erfahrung begründet, dass nichtheimischen Gehölzen als Neophyten zu sogenannten Invasoren werden können. Aber zwischen der Ersteinführung und der unerwünschten Ausbreitung dieser Baumarten liegen in der Regel Zeiträume von durchschnittlich 150 Jahren. Wir können also nicht ausschließen, dass auch gentechnisch veränderte Bäume zu Invasoren werden und große ökologische Schäden anrichten könnten."
Vom Gentech-Baum zum Gentech-Wald?
Inzwischen wird in den Gentech-Schmieden fiebrig an Sterilitätsgenen gebastelt, so dass keine Samen oder Pollen von der GV-Pflanze gebildet werden können. Experten zeigen sich allerdings skeptisch, ob das bei Bäumen funktionieren kann. Oftmals inaktivieren Pflanzen nämlich in einer Art natürlichem Abwehrmechanismus fremde DNA. "Gene silencing" heißt das in der Fachsprache. Das Risiko scheint gerade bei langlebigen Bäumen ungleich höher als bei einjährigen Gen-Pflanzen. Mit der gentechnisch gewollten Unfruchtbarkeit wäre es dann schlagartig vorbei. Angesichts derartiger Probleme scheint der GV-Einsatz zugunsten des Klimaschutzes tatsächlich fragwürdig. Wie kaum anders zu erwarten haben sich Umweltschutz-Organisationen gegen den Mailänder Beschluss ausgesprochen. Jens Karg von der österreichischen NGO Global2000 erläutert die Kritik: Valide Forschungsergebnisse, die Anlass zu Beruhigung geben könnten, liegen nicht vor. Im Gegenteil, es gibt Indizien dafür, dass die Sterilitäts-Gene, die das Ausbreiten von Gentech-Bäumen verhindern sollen, nicht stabil sind, was bedeuten würde, dass aus einem Gentech-Baum ein Gentech-Wald werden könnte.
Fußnote:
Links:
- http://www.lebensministerium.at/minister/
- http://unfccc.int/cop9/index.html
- http://www.lebensministerium.at/umwelt/
- http://www.supramics.com/climate/chapter27.html
- http://www.japantoday.com/gidx/news227283.html
- http://www.biosicherheit.de/gehoelze/54.doku.html
- http://www.um.mv-regierung.de/pages/natur6_labes…
- http://www.gene.ch/genpost/2003/Jan-Jun/msg00080…
- http://www.rrz.uni-hamburg.de/GeneTree/
- http://www.global2000.at
Brigitte Zarzer studierte, lebt und arbeitet in Wien und ist für Heise -Telepolis als Österreich-Korrespondentin tätig. Kontakt: brigitte_zarzer@yahoo.de
Global Ban on GM trees
Auf dem UN-Waldforum in Genf wurde von der Initiative People's Forest Forum - Global Ban on GM trees ein offener Brief vorgestellt, der sich gegen die Verwendung von gentechnisch veränderten Bäumen wendet. Im Speziellen sollen diese nicht als Beitrag zur Klimaverbesserung eingesetzt werden dürfen, da sie neue - ernsthafte - Gefahren mit sich bringen. Insbesondere die Auskreuzung in natürliche Wald-Bestände und der horizontale Gentransfer in Mikroorganismen werden als Gefahren angesehen. Darüber hinaus verstößt - nach Ansicht der Initiative - die Freisetzung gentechnisch veränderter Bäume gegen das in verschiedenen internationalen Rechtsakten verankerte Vorsorgeprinzip, insbesondere die Konvention über die Biologische Vielfalt sei an dieser Stelle erwähnt. (pau) Informationen zu der Initiative People's Forest Forum - Global Ban on GM trees unter: http://elonmerkki.net/forestforum