Bestäubungsverbot

Die Bienen sind schuld. Und wenn nicht die Bienen, dann sind es die Imker. Wenn es um Koexistenz und Kontamination von gentechnikfreier Landwirtschaft geht, dann werden die sonst wegen der Bestäubung beliebten Insekten zum Problem. Die Wochenzeitung "Die Zeit" widmete sich diesem Thema und die Autorin kam zu einem Schluss, der nicht von allen geteilt wird, zum Beispiel nicht von einem Berufsimker. Ein nicht veröffentlichter Leserbrief.

Eigentlich war ich froh, dass das Thema "Imkerei und Gentechnik" von der Zeit aufgegriffen wurde.(1) Leider stellte sich meine Freude als verfrüht heraus, denn Frau Bettina Gartner war wohl mit der Komplexität der Zusammenhänge etwas überfordert. Nachdem sich Minister Seehofer vor wenigen Wochen mit Mitarbeitern seines Ministeriums die Position der Imkerverbände genau angehört hatte, attestierte er uns, daß es sich hier nicht um "Fundamentalopposition" handele, sondern unsere Bedenken sachlich wohl begründet zu sein scheinen. Frau Gartner scheint bei Ihren Recherchen zu einem anderen Schluss gekommen zu sein. [...] So schließt sie, dass wegen der wenigen Anbauflächen kein Handlungsbedarf vorliege. Nun gehen wir davon aus, dass das Gentechnikgesetz nicht gemacht wird, um den gelegentlichen Erprobungsanbau zu regeln, sondern um einen großflächigen kommerziellen Anbau zu ermöglichen. Die EU versprach dem Erzeuger Koexistenz und dem Verbraucher Wahlfreiheit. Ohne Honigkennzeichnung gibt es keine Wahlfreiheit für unsere Kunden und als Erzeuger sind wir vogelfrei. Als Imkerverbände können wir jedoch keine Honig-Kennzeichnung fordern, solange wir mit den bei unseren Produkten besonders hohen Analysekosten allein gelassen werden. Das Versprechen von Wahlfreiheit und Koexistenz war die Grundlage für die Aufhebung des Gentechnik-Moratoriums. Warum wird es aber im Falle des Honigs nicht eingelöst und warum sollen die Nichtanwender auf den Kosten sitzen bleiben? Andere Bienenprodukte wie zum Beispiel Pollen (2) unterliegen bereits der Kennzeichnungspflicht. Die Analysekosten übersteigen hier schon heute den Wert einer Charge.

Maispollen nur Medizinbälle?

Mit einer einfachen Google-Recherche hätte Frau Gartner leicht herausfinden können, dass die Geschichte mit Maispollen als "Medizinbällen" zwar anschaulich klingt, aber sachlich falsch ist. Nach einer aktuellen Studie der schweizerischen Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux (3) ist der Maispollen der von den Bienen meistgesammelte Pollen in unserer Kulturlandschaft. Die Ausführungen über den geringen Pollenanteil im Honig sind ebenso schlecht recherchiert. Pollen ist ein wesentlicher Bestandteil des Honigs. Wenn er fehlt, darf das Produkt nicht als Honig gehandelt werden. Viele der gesundheitlichen Vorteile des Honigs lassen sich auf den Pollenanteil zurückführen. Für Gentechnikanalysen spielt nur der Pollen eine Rolle, da der Nektaranteil des Honigs keine Gene enthält. Für unsere Existenz ist relevant, dass der Lebensmittelhandel im Gegensatz zur Politik die Wünsche der Verbraucher berücksichtigt und daher Zertifikate der Gentechnikfreiheit von uns Imkern verlangt. Die Aufforderung der Autorin, man könne ja mit Hilfe des Standortregisters vor der Gentechnik flüchten, ist unbedacht und kurzsichtig. Wenn wir Imker diesen Vorschlag umsetzen würden, hätten die Nachbarn des Gen-Landwirts in einem weiten Umkreis keine Bestäubung ihrer Kulturen mehr. Schade, dass Frau Gartner sich nicht die Zeit genommen hat, die Problematik wirklich zu verstehen. Schade auch, daß Wissenschaftler und Behördenvertreter sich wider besseres Wissen am Kleinreden des Problems beteiligen.
Der hier abgedruckte Text ist ein Leserbrief an "Die Zeit", der jedoch nicht abgedruckt wurde.
Kontakt: DBIB e.V, Tutzinger Straße 10, 82402 Seeshaupt, Telefon: 0176 - 203 69 201, Telefax und Voicemail: 089 - 92 185 666, walter.haefeker@berufsimker.de, www.berufsimker.de.

  1. "Dreck im Stock" von Bettina Gartner, Die Zeit, Ausgabe Nr. 45/2006 vom 2.11.; im Internet unter: www.zeit.de/2006/45/N-Honig.
  2. Pollen ist zum Beispiel insofern ein eigenständiges Produkt, als dass er für den Menschen ein funktionelles Nahrungsmittel ist, dem viele therapeutische Wirkungen nachgesagt werden.
  3. Frau Gartner schrieb: "Die Körner sind nämlich nahrhafte Eiweißbomben und ein hervorragendes Futter für Larven und junge Arbeiterinnen. Für die Herstellung von Honig verwendet die Biene den Pollen indes nicht." Und weiter: "Der Anteil von Pollen im Honig - und damit der mögliche ‚Gen-Dreck’ - ist allerdings gering. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg geht von 0,01 Prozent aus." Die Studie "Pollenernährung und Volksentwicklung von Honigbienen"findet sich im Internet unter: www.alp.admin.ch >>> Themen >>> Imkerei
Erschienen in
GID-Ausgabe
180
vom Januar 2007
Seite 47

Walter Haefeker ist Mitglied im Vorstand des Deutschen Berufs und Erwerbs Imkerbundes e.V. DBIB (www.berufsimker.de) und Vize-Präsident der European Professional Beekeepers Association (www.professional-beekeepers.eu).

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