Das Argument mit den Betroffenen
In der Debatte um die so genannte regenerative Medizin und speziell die embryonale Stammzellforschung wird die Situation von Patienten oft als "Trumpfargument" gegen ethische Bedenken angeführt. Als paradigmatisch gilt dabei die Perspektive und Behandlung von Parkinson-Patienten. In den seltensten Fällen kommen diese jedoch selbst zu Wort. Was bedeutet eine solche "Vereinnahmung" im bioethischen Diskurs für die Betroffenen?
Das Potential der regenerativen Medizin für neue Therapiemöglichkeiten bisher unheilbarer Krankheiten wie Morbus Parkinson war in den letzten Jahren Mittelpunkt einer sowohl unter Experten als auch öffentlich geführten kontroversen ethischen Debatte. Mir geht es hier darum, die ethische Perspektive auf dieses therapeutische Potential an einem konkreten Beispiel zu untersuchen.(1) Die Patientengruppe der von Parkinson Betroffenen eignet sich insbesondere deshalb für eine solche Untersuchung, weil es sich dabei um eine relativ große Gruppe handelt, die proportional zur veränderten Altersstruktur der Bevölkerung wächst, und für die bislang keine zufriedenstellende Therapie verfügbar ist. Zugleich ist Parkinson eine Krankheit, die aufgrund ihrer Struktur, dass nämlich im Wesentlichen eine klar definierte Zellart (dopaminerge Neuronen) in einem relativ eng zu umreißenden Areal im Gehirn (Substantia nigra) betroffen ist, auch schon als paradigmatisch für andere Zellersatztherapien (fetale Hirngewebetransplantation, xenozelluläre Transplantation) galt. So kann man auf Erfahrungen mit Behandlungsansätzen zurückgreifen, die für die Entwicklung einer Therapie auf der Basis der Stammzellforschung relevant sind.
Regenerative Medizin im Diskurs
Die regenerative Medizin beruht im Wesentlichen auf der Hoffnung, die Vielseitigkeit humaner Stammzellen dazu nutzen zu können, zerstörtes Gewebe zu ersetzen, teilweise oder vollständig wiederherzustellen sowie die Entwicklung funktionsfähiger Organe möglich zu machen. Dabei werden verschiedene Ansätze verfolgt: Es werden Zellen unterschiedlicher Herkunft und Art verwendet: embryonale Stammzellen, adulte Stammzellen, gentechnisch veränderte Stammzellen, durch Forschungsklonen (2) erzeugte Stammzellen; außerdem differieren die Methoden der Anwendung. So werden bei der Entwicklung einer Therapie für die Parkinson-Krankheit einerseits vor- oder ausdifferenzierte Zellen transplantiert, andererseits undifferenzierte Zellen appliziert, die zu den Stellen im Körper wandern sollen, wo sie gebraucht werden, um sich dort zu differenzieren; eine weitere Methode ist die Stimulation körpereigener Stammzellen zur Selbstregenerierung. Es geht hier also um ein medizinisches Konzept, das in einem weiten Sinn die Möglichkeiten des Körpers zur Selbstheilung zu nutzen hofft. Allerdings wäre es ein Miss-verständnis, daraus zu schließen, es handle sich dabei um eine Anregung der natürlichen Selbstheilungskräfte. In der Tat sind höchst komplexe technische Verfahren dazu notwendig, die Potenz der Stammzellen nutzbar zu machen. Eine Etablierung der regenerativen Medizin ist also auf eine breit angelegte Stammzellforschung angewiesen, deren Stellenwert wiederum wesentlich vom Konnex der Grundlagenforschung zum therapeutischen Anwendungspotential der regenerativen Medizin bestimmt wird: Nur im Rekurs auf Letzteres wird das Tabu eines ethisch so sensiblen Bereichs wie der Embryonenforschung disponibel. So ist es nötig, nicht nur embryonale und adulte Stammzellforschung einander gegenüberzustellen, auch wenn dies aufgrund der Herkunftsproblematik embryonaler Stammzellen, eventuell auch aufgrund deren Potenz, unerlässlich bleibt, sondern für eine ethische Beurteilung eine Anwendungsperspektive von einer Forschungsperspektive zu unterscheiden. Da die Aussicht auf klinische Anwendung auch in der Argumentation für die Grundlagenforschung als Zielperspektive eingeführt wird, liegt der Schwerpunkt der Debatte letztlich auf dem Anwendungspotential der Stammzellen. Um dies plastisch zu machen, wird auf bestimmte Patientengruppen wie die der Parkinson-Kranken verwiesen, die von diesem Anwendungspotential profitieren könnten. Eine solche Argumentation ist nicht zu haben, ohne dass die Betonung des Potentials in dieser Form zugleich ein Versprechen impliziert, neue Behandlungsmöglichkeiten für bestimmte Krankheiten zu eröffnen. Welche Funktion diese Implikation im Diskurs hat und welche Konsequenzen sich daraus gesellschaftlich ergeben, insbesondere aber, was sie für die Betroffenen bedeutet, bleibt dabei in der Regel ausgeblendet. Vor allem um den zuletzt genannten Aspekt, die Patientenperspektive, geht es mir im Folgenden.
Patientenperspektive
Eine Patientenperspektive hat sowohl für die Medizin als auch für eine Methodik der Medizinethik und den bioethischen Diskurs Bedeutung. Zunächst gilt es, nicht nur über die Betroffenen sondern mit ihnen zu reden, da Patienten zwar keine Experten für den wissenschaftlichen Diskurs sind, wohl aber für ihre Krankheit, für die Hoffnungen und Ängste, die sich damit verbinden, für die spezifischen Bedürfnisse auch hinsichtlich neuartiger Therapien. Es geht darum, eine Position, die mit den Betroffenen argumentiert, tatsächlich mit Perspektiven von Betroffenen zu füllen, was wohl heißt, sich von einer einheitlichen Position zu verabschieden. Dabei soll die Patientenperspektive einer Expertenperspektive nicht als authentischer entgegengestellt und prinzipiell vorgezogen werden. Wichtig ist, beide ernst zu nehmen und im Diskurs immer wieder einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Ein solcher Perspektivenwechsel ermöglicht neben dem medizinischen Befund einen Eindruck vom Befinden der Patienten. Außerdem kann über Patientenerzählungen die Identitätsproblematik im Hinblick auf Gesundheit, Krankheit, Behinderung und traumatische Ereignisse, wie sie medizinische Eingriffe hier darstellen, in den Blick genommen und auch theoretisch diskutiert werden. So kann man sich der Frage annähern, was die Versprechungen, die den Patienten hinsichtlich neuer, über die Stammzellforschung angestrebter Therapien gemacht werden, für die Betroffenen bedeuten. Gleichzeitig wird durch die Identitätsfrage auch der Aspekt der Leiblichkeit, die Bedeutung des menschlichen Körpers, von Selbst- und Körperkonzepten für Beurteilungen in der Bioethik deutlich. Insbesondere zeigt sich, dass die auf dem Hintergrund der Transplantationsmedizin sich entwickelnde regenerative Medizin ein mechanistisches, instrumentelles Körperkonzept perpetuiert, das Konsequenzen für den Krankheitsbegriff hat. Ihr liegt ein Krankheitsverständnis zugrunde, das durch die Vorstellung eines linearen Zusammenhangs von Defekt, Eingriff und Wiederhergestelltsein gekennzeichnet ist. Dabei erscheint der medizinische Eingriff als eine Art Reparatur eines isolierten Bereichs. Das mechanistische, auf die Funktionalität konzentrierte Körperkonzept hat also einen Krankheitsbegriff zur Folge, der nicht auf den Menschen in seiner ganzen die Leiblichkeit einschließenden Personalität und Lebensgeschichte gerichtet ist – ein solcher wäre hermeneutisch einzuholen –, sondern von einzelnen Defekten ausgeht, die unabhängig voneinander behandelt werden können. Dies ist ein Umstand, der mit dem Phänomen der ausgeprägten Spezialisierung in Fachdisziplinen innerhalb der modernen Medizin korreliert.
Das Betroffenen-Argument
Durch die demographische Entwicklung (verlängerte Lebenserwartung insgesamt und auch der Parkinson-Patienten) ist mit einer ansteigenden Gesamtzahl an Parkinson Erkrankter zu rechnen. Entsprechend könnte daraus eine zunehmende Akzeptanz der embryonalen Stammzellforschung als Beitrag zur Entwicklung neuer Parkinson-Therapien folgen, wenn man antizipiert, dass sich die Gruppe der Patienten positiv dafür ausspricht. Letzteres wird zwar häufig postuliert, ist bislang aber nicht erwiesen, denn: "Krankheit führt nicht zwangsläufig zu einer bestimmten einheitlich positiven Einstellung allen Entwicklungen gegenüber, die möglicherweise zur Heilung führen könnten. Kranke sind wie Gesunde in der Lage, unabhängig von ihrem persönlichen Schicksal darüber nachzudenken, welche ‘Fortschritte’ im Sinne des Allgemeinwohls wünschbar sind und welche nicht."(3) Dennoch ist das Argument, eine bestimmte technische Option sei im Sinne der Betroffenen, in der Bioethik und insbesondere in der Stammzell-Debatte wirkmächtig. Das zeigt sich unter anderem darin, dass schon die rhetorische Figur die Haltung der Öffentlichkeit, aber auch der Experten und politischen Entscheidungsträger beeinflusst: Es scheint zynisch, die Hoffnung von Patienten auf Linderung oder gar Heilung zu ignorieren. Mit der gesellschaftlichen Akzeptanz bestimmter Forschungsoptionen sind wiederum Konsequenzen für das Gesundheitssystem beziehungsweise die Gesundheitspolitik verbunden, die unter gerechtigkeitstheoretischer Perspektive zu untersuchen sind. In dieser Hinsicht ist es auch sozialethisch relevant, mit den Betroffenen zu sprechen und die Potentiale der Stammzelltherapie in den Kontext vorhandener Behandlungen zu stellen. Es ist auffällig, dass das Betroffenen-Argument weit häufiger abstrakt eingesetzt wird, als dass Betroffene tatsächlich befragt werden. In seiner Allgemeinheit aber ist das Argument womöglich überhaupt erst wirksam, da ohne direktes Gegenüber, ohne konkrete Datengrundlage die angeführte Betroffenen-Position nicht disponibel ist, letztlich ein Tabu darstellt. Die an Multipler Sklerose erkrankte Ina Praetorius betont in diesem Zusammenhang: "Diesen Text kann ich nur schreiben, weil ich krank bin. (...) Gegen vieles darf man als Gesunde sein, aber nicht gegen das, was (angeblich) die (einzige) Hoffnung derer ausmacht, denen es so schlecht geht, wie es einem selbst auch jederzeit gehen könnte."(4) Dem "Trumpfargument" liegt aber eine unzulässige Verallgemeinerung zugrunde. Denn erstens ist die Gruppe der Betroffenen plural: Von einer Krankheit betroffen sind nicht nur die Personen, bei denen eine Krankheit diagnostiziert wurde. Betroffen sind auch deren Angehörige, die ebenfalls mit der Krankheit umgehen lernen müssen. Zweitens gibt es sehr unterschiedliche Krankheiten, die in der Debatte um die Stammzellforschung eine Rolle spielen. Möglicherweise ist es aber von Bedeutung, welche Krankheit konkret im Blick der Anwendungsperspektive ist. Drittens bestehen womöglich nicht nur hinsichtlich der jeweiligen Einschätzung im Kontext gegenwärtiger Therapiemöglichkeiten für die einzelnen Krankheiten Unterschiede, sondern auch auf der Ebene derer, die mit diesen Krankheiten konfrontiert sind. Mit unterschiedlichen Krankheitsbildern sind unterschiedliche Hoffnungen, Ängste, Erwartungen und Haltungen verbunden. Krankheitsbilder unterscheiden sich aber auch innerhalb der Gruppe von Patienten, bei denen die gleiche Krankheit diagnostiziert wurde. Insgesamt scheint es unwahrscheinlich, dass alle Betroffenen eine einheitliche Position bezüglich der Stammzellforschung vertreten. Sicher lassen sich gemeinsame Interessen der vielfältigen Gruppe von Betroffenen herausfiltern. Aber der jeweiligen Priorisierung von Interessen und Bedürfnissen, die bei Kranken wie Gesunden, Betroffenen wie Nicht-Betroffenen von individuellen Faktoren abhängt, die mit den einzelnen Lebensentwürfen zusammenhängen, ist damit noch nicht Rechnung getragen. Zudem sind solche allgemein formulierbaren Interessen selten expliziert und die dem Betroffenen-Argument zugrundeliegenden Prämissen nicht ausreichend untersucht. Ina Praetorius zeigt einige Vorannahmen auf, die sie der Argumentation mit "der einheitlich forschungsfreundlichen Option ‘unseres betroffenen Mitbürgers’"(5) zuordnet und hinsichtlich des Wesens von Krankheit und von kranken Menschen als fragwürdig qualifiziert: "1. Jeder Mensch will so lange und so leidensfrei leben wie möglich. 2. Jeder (...) Kranke will folglich um jeden Preis gesund werden. Der Zustand der Gesundheit ist in jedem Fall so erstrebenswert, dass die mögliche Option, krank bleiben zu wollen, nicht in Betracht gezogen werden muss. 3. Kranke sind im Gegensatz zu Gesunden nicht in der Lage, von ihrer eigenen Betroffenheit zu abstrahieren. 4. Zwischen dem Zustand der Gesundheit und dem der Krankheit lässt sich zweifelsfrei unterscheiden (...). 5. Betroffene, die von den Charakterisierungen 1-4 abweichen, sind heroische Ausnahmegestalten und als solche in allgemeinpolitischen Debatten vernachlässigbar."(6) Diese Vorannahmen, so Praetorius, mögen von vielen Betroffenen bejaht werden, womöglich sogar von der Mehrheit. Dennoch ist ihr darin Recht zu geben, dass das Mehrheitsargument keine Legitimation für die Konstruktion einer einheitlichen Betroffenen-Position sein kann. Sie sagt: "Kranksein ist ebenso vielfältig wie Gesundsein und keineswegs in jedem Moment von dem unabweisbaren Wunsch geprägt, die Krankheit loswerden zu wollen, schon gar nicht um jeden Preis, etwa um den Preis schwerer sogenannter ‘Nebenwirkungen’, die das subjektive Befinden verschlechtern oder gar lebensbedrohlich sind, oder um den Preis der Benachteiligung oder Bedrohung anderer Menschen. Es gibt Lebensziele, die über dem scheinbar einheitlichen und eindeutigen Ziel ‘Gesundheit und langes Leben’ stehen oder die zumindest mit diesem Ziel konkurrieren können."(7)
Ambivalenz auch bei den Betroffenen
Neben diesen Überlegungen sind zwei weitere Punkte zu bedenken: Erstens ist damit zu rechnen, dass die Ambivalenz bezüglich biomedizinischer Forschung, die für die Allgemeinbevölkerung wie für Experten belegt werden kann (8), als Haltung auch bei Betroffenen zu finden sein wird. Zweitens können quantitative Befragungen nur Tendenzen ausdrücken, also zeigen, dass eine bestimmte Gruppe mehrheitlich eine bestimmte Position vertritt. Im Einzelnen wird man für jede Position aus jeder Bevölkerungsgruppe sowohl Befürworter als auch Gegner, Unentschiedene und Zweifler anführen können. Das macht sozialwissenschaftliche Befunde nicht überflüssig: Es relativiert aber die Absolutheit, mit der sie häufig im Diskurs gebraucht werden. Diese Überlegungen sollen dazu beitragen, die Gefahr einer Instrumentalisierung zu verringern und eine Untersuchung der Gründe für vertretene Positionen bestimmter Gruppen als für den Diskurs fruchtbar ins Auge zu fassen. Das Argument mit den Betroffenen ist außerdem in seiner Wirkung auf die Betroffenen selbst zu untersuchen; denn mit dem Argument sind zugleich Erwartungen an die Forschung verbunden, die Hoffnung erzeugen. Und es ist zu fragen, inwiefern Betroffene sich instrumentalisiert fühlen, wenn sie als Argument für eine bestimmte Position im Diskurs angeführt werden. Eine besondere Rolle spielt hier auch der Umgang der Medien mit Möglichkeiten der Forschung. Was dies für einen Betroffenen konkret bedeuten kann, soll der folgende Auszug aus einem Interview mit dem an Parkinson erkrankten Hans Zähner zeigen (9): "Wenn die Parkinson-Patienten als konkrete Nutznießer der Stammzellforschung ins Gespräch gebracht oder in den Medien sogar vorgeführt werden, sehe ich darin einen erniedrigenden Missbrauch. Die Patienten sollen hoffen und sich für die Überwindung der Widerstände gegen die Stammzellforschung einsetzen: Je höher die Erwartungen der Patienten und ihrer Angehörigen geschraubt werden, umso besser für die Stammzellforschung. Dass die Enttäuschung nachher auch entsprechend groß sein wird, kümmert die Medien wenig. Laufend werden neue Therapiemöglichkeiten in den Medien angepriesen, von neuen Medikamenten über die Tiefenhirnstimulation bis hin zur Transplantation von embryonalem Hirngewebe, was bei den Patienten zu einem Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung führt. Jeder neue Therapievorschlag wird so formuliert, dass er Hoffnungen weckt. Mit der Enttäuschung bleibt der Patient dann allein. (...) Wir Patienten fühlen uns betrogen und missbraucht. Betrogen, weil uns Hoffnungen gemacht werden von denen, die wissen könnten, ja wissen müssten, dass sie nicht erfüllbar sind. Missbraucht, weil man uns vorschiebt, um die Widerstände gegen die Stammzellforschung zu überwinden. Forschung und Medien sind in gleicher Weise an dieser Entwicklung beteiligt und man fragt sich als Patient, wo die Gründe für diese unerfreuliche Situation liegen. Ist es der Ehrgeiz der Forscher oder der Sensationshunger der Medien?" Außerdem, so Zähner, ändert sich das Verhältnis zur Krankheit, wenn mögliche Therapien im Raum stehen: "Der Patient muss lernen, mit dem Verdikt ‘unheilbar’ umzugehen, seine Krankheit als ein Stück von sich zu akzeptieren. Diese nicht einfache Aufgabe wird mit jeder neuen Therapie, die eine Heilung verspricht, hinausgeschoben. Weil diese Arbeit nicht geleistet wird, klammert man sich dann an jeden Strohhalm. (...) Die Angehörigen sind von der Krankheit des Patienten mitbetroffen – auch sie müssen lernen, einen für sie und den Patienten erträglichen Umgang mit der Krankheit zu finden. Sie sind dem Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung ebenfalls unterworfen, was den Weg zur Akzeptanz erschwert." Angesichts der doppelten Wirkmächtigkeit des Betroffenen-Arguments im Hinblick auf die Gesellschaft und auf den einzelnen Betroffenen kommt einer Auseinandersetzung mit seiner Verwendung im bioethischen Diskurs besondere Bedeutung zu. Das Argument sollte dort, wo es verwendet wird, metatheoretisch untersucht werden, was aufgrund der verschiedenen betroffenen Ebenen nur interdisziplinär zu leisten ist. Neben einer gründlichen Untersuchung der rhetorischen Funktion des Arguments und seiner empirischen Voraussetzungen und Folgen unter sozialwissenschaftlicher Perspektive sind die damit verbundenen sozial- wie individualethischen Aspekte herauszuarbeiten und in ihrer normativen Relevanz wahrzunehmen.
Fußnoten
- Ausführlich dazu Bentele, Katrin: Ethische Aspekte der regenerativen Medizin am Beispiel von Morbus Parkinson, Tübinger Dissertation WS 2005/06, in der ich auf der Basis medizinisch-naturwissenschaftlicher Grundlagen und einer Kombination von Technikfolgenabschätzung und Sozialethik Anwendungspotential, Effektivität und Alternativlosigkeit der Stammzellforschung am Beispiel der Parkinson-Krankheit überprüfe und eine narrative Ethik in Bezug auf die handelnden Personen stark mache und unter besonderer Berücksichtigung der Betroffenenperspektive auf die Thematik anwende.
- Den Begriff "therapeutisches Klonen" vermeide ich, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei den mit dem Klonen verbundenen therapeutischen Hoffnungen um eine Option handelt, nicht um eine begründete Erwartung. Die Verwechslung von Option und Erwartung führt zu einer Intransparenz der Sprache, die eine Intransparenz der Argumentation und der medialen Berichterstattung zur Folge haben kann, welche wiederum Einfluss auf die öffentliche Debatte hat. Dem Transparenzgebot der Forschung, dem die fachliche Ebene folgt, wird über den Begriff des "Forschungsklonens am Menschen" eher entsprochen. Vgl. Mieth, Dietmar: Klonen in vitro, unveröffentlichtes Manuskript 2004; außerdem die US-Präsidialkommission 2002, die sich trotz unterschiedlicher Standpunkte hinsichtlich der Bewertung konsensuell auf die Sprachregelung "cloning-for-biomedical-research" einigte: The President’s Council on Bioethics: Human Cloning and Human Dignity. An Ethical Inquiry, Washington D.C., July 10th, 2002, Kass, Leon R.: Commentary: Stop All Cloning of Humans For Four Years, The Wall Street Journal, July 11th, 2002. Zur Sprachpolitik Mieth, Dietmar: Humanes Klonen in ethischer Sicht, in: Honnefelder, Ludger; Lanzerath, Dirk (Hrsg.): Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion. Wissenschaftliche Aspekte – ethische, rechtliche, gesellschaftliche Grenzen, Bonn 2003, S. 153-165.
- Praetorius, Ina: Die Heilung von Leiden – Das Trumpfargument und seine Widerlegung, in: Graumann, Sigrid (Hrsg.): Die Genkontroverse. Grundpositionen, Freiburg u.a., 2001, 45-51, hier S. 45.
- Praetorius, Ina: Die Heilung von Leiden, a.a.O., S. 45 (Zusätze in Klammern im Original).
- Praetorius, Ina: Die Heilung von Leiden, a.a.O., S. 49.
- Ebenda.
- Praetorius, Ina: Die Heilung von Leiden, a.a.O., S. 50.
- Barth, J.; Kufner, K.; Bengel, J.: Ein klares Jein! Einstellungen und Ambivalenzen der deutschen Allgemeinbevölkerung zur Forschung mit extrakorporalen Embryonen, in: Ethik in der Medizin 17 (2005) 2, S. 127-141.
- Vgl. Bentele, Katrin: Hoffen und Bangen. Die Versprechen der Stammzellforschung aus Sicht eines Parkinsonpatienten. Ein Interview mit Hans Zähner, in: Dietrich, Julia; Graumann, Sigrid; Haker, Hille (Hrsg.): Ethik und Unterricht. Humane Genetik?, 10 (2002), S. 71-72.
Katrin Bentele hat Germanistik und Katholische Theologie studiert und eine Dissertation zu "Ethischen Aspekten der regenerativen Medizin am Beispiel von Morbus Parkinson" verfasst. Sie ist Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Theologische Ethik unter besonderer Berücksichtigung der Gesellschaftswissenschaften der Universität Tübingen und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Moraltheologie/Sozialethik an der Universität Frankfurt a.M.