Genetischer Datenschutz in Gefahr
Ein britischer Gesetzesentwurf beinhaltet die deutliche Verschlechterung des Schutzes von genetischen Daten
In Großbritannien soll ein neues Datenschutzgesetz beschlossen werden, dass den Schutz genetischer Daten von britischen Bürger*innen deutlich verschlechtern wird. Eine Erinnerung daran, dass Datenschutzgesetze nicht in Stein gemeißelt sind und politische Versprechen gebrochen werden können
Die UK Biobank speichert die Daten und Bioproben von 500.000 Menschen.
Das geplante „Data Protection and Digital Information“-Gesetz wird derzeit im britischen Parlament diskutiert. Kritiker*innen bemängeln, dass genetischen Daten wie sonstige personenbezogene Daten behandelt werden sollen. Dies würde bedeuten, dass für genetische Daten, die „zum Zeitpunkt der Verarbeitung“ nicht identifizierbar sind, keine Schutzmaßnahmen mehr gelten würden, obwohl solche Daten aufgrund der wachsenden Datenbanken in Zukunft wahrscheinlich identifizierbar sein werden. DNA-Daten sind schließlich hochindividuell und – wenn mehr als nur eine Handvoll genetischer Marker bestimmt wurden – niemals vollständig anonymisierbar. Zudem soll der Begriff der „informierten Einwilligung“ so neu definiert werden, dass genetische Informationen für Forschungszwecke verwendet werden können, denen die Betroffenen nicht zugestimmt haben – auch durch kommerzielle Unternehmen. Das Gesetz soll außerdem den routinemäßigen Zugang zu allen existenten genetischen Datenbanken durch Polizeibehörden erlauben. Dies untergräbt die Grundlage, auf der bisherige Proband*innen von Forschungsdatenbanken zugestimmt haben, ihre DNA für Projekte wie UK Biobank zur Verfügung zu stellen und widerspricht den Bedingungen, unter denen Kund*innen Gentests von privaten Unternehmen erworben haben.
Der Gesetzesentwurf ist komplex und verwirrend formuliert und ermöglicht es der Regierung, künftige Änderungen vorzunehmen, die den bestehenden Datenschutz noch weiter aufweichen könnten. Er erlaubt auch die Weitergabe genetischer Informationen ins Ausland, sofern dort die gleichen niedrigen Datenschutzstandards gelten, die für Großbritannien vorgesehen sind. Wenn der Gesetzesentwurf verabschiedet wird, verlieren alle britischen Einwohner*innen die Kontrolle darüber, wie ihre genetischen Informationen weitergegeben und verwendet werden. Dadurch könnte ein „Überwachungsstaat“ entstehen, in dem jede*r Einzelne und ihre*seine Verwandten anhand von DNA verfolgt werden können. Ihre genetischen Informationen könnten im Ausland kommerziell genutzt werden und ständen dem Missbrauch durch ausländische Staaten zur Verfügung.
Die britische Regierung hat es versäumt, die Bürger*innen über den Gesetzesentwurf zu informieren. Gegenwärtig sind die genetischen Daten von einer halben Million Menschen in der UK Biobank gespeichert: Ihnen wurde versprochen, dass die Polizei keinen Zugang zu ihren genetischen Informationen haben würde. Im Jahr 2024 soll ein umstrittenes Pilotprojekt zur Sequenzierung von Neugeborenen gestartet werden. Auch eine neue Biobank für Erwachsene mit dem Namen „Our Future Health“ hat mit der Rekrutierung von fünf Millionen Teilnehmenden begonnen, um genetische Risikovorhersagen für häufige Krankheiten zu erstellen (obwohl wissenschaftliche Bedenken über die Qualität dieser Vorhersagen bestehen).
Auch EU-Bürger*innen werden von der geplanten Gesetzesänderung betroffen sein. Dies liegt an einem Angemessenheitsbeschluss der EU zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), nach dem Daten, die an das Vereinigte Königreich gesendet werden, so behandelt werden, als ob die dortigen Datenschutzstandards denjenigen der DSGVO gleichwertig wären. Wird dieser Beschluss nicht widerrufen, sind personenbezogene Daten, einschließlich genetischer Informationen, die aus der EU nach Großbritannien übermittelt oder von EU-Bürger*innen dort erhoben werden, nicht sicher. Wird der Angemessenheitsbeschluss hingegen widerrufen, könnte dies negative Auswirkungen auf die wissenschaftliche Forschung, den Informationsaustausch und eine Vielzahl von Unternehmen haben, die für ihre Tätigkeit darauf angewiesen sind.
Die britische NGO GeneWatch UK setzt sich dafür ein, dass diese gefährlichen Änderungen zurückgenommen werden. Weitere Informationen finden Sie auf der GeneWatch UK-Website. Auf der Webseite My DNA, My Family, My Rights informiert die NGO britische Bürger*innen zudem allgemein über ihre Rechte in Bezug auf Gendatenschutz.
Helen Wallace ist Geschäftsführerin von GeneWatch UK; die gemeinnützige und regierungsunabhängige Organisation aus Großbritannien setzt sich unter anderem dafür ein, dass genetische Forschungen und Technologien den Interessen der Allgemeinheit dienen.
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