Praxistest Gentechnikfreiheit

Erfahrungen eines Freiburger Tofu-Herstellers

Koexistenz und Kontamination. Zwei Schlagworte in der Diskussion um die Agro-Gentechnik, die seit einem Jahrzehnt die Gemüter der Bio-Branche bewegen. Die Freiburger Life Food GmbH stellt Tofuprodukte her und hat jenseits gesetzlicher Regelungen ein eigenes Modell zur Sicherung gentechnikfreier Nahrungsmittel entwickelt.

Seit fast zehn Jahren setzt der Freiburger Tofu-Pionier Taifun auf Soja-Anbau in Deutschland. Vorher kamen die Bohnen aus USA und Kanada. Den Rohstoff Soja aus der Region zu beziehen, gehörte seit den Anfängen der Produktion im Jahr 1987 zu den Visionen von Firmengründer Wolfgang Heck. „Letzter Kick, den heimischen Anbau zu initiieren, war das Gespenst Gentechnik, das Ende der 90er Jahre in den USA auftauchte“, blickt Heck heute auf die Startphase zurück. Mit dem Beginn des professionellen Anbaus von gentechnisch verändertem Soja in Nordamerika war Heck klar, dass er nach den ers-ten gescheiterten Produktionsversuchen mit regionalem Soja Anfang der 1990er nun Geld, Kraft und Geduld inves-tieren musste, um das Ziel zu erreichen. Allen Unkenrufen - Soja für Tofu in Deutschland? Vergiss es! - zum Trotz. Die Schwierigkeiten in Kauf nehmend, blieb die damals noch relativ kleine Firma beständig an dem Thema dran. Das zahlt sich heute aus: Rund 40 Prozent der zirka 1.600 Tonnen Soja, die in diesem Jahr zu Taifun-Produkten verarbeitet werden, stammten aus 40 Betrieben (350 Hektar) in Baden-Württemberg, Bayern und im Elsass. Die Höfe sind größtenteils im Rheingraben zwischen Bodensee und Karlsruhe angesiedelt.

Einiges an Lehrgeld

„Die Saison 2006 brachte eine Rekordernte von 700 Tonnen bester Bohnen“, erzählt Heck stolz. Der Weg dahin hatte es jedoch in sich. Mit 40 Tonnen ungenügender Qualität musste man sich 1997 zufrieden geben. Die Probleme fingen beim Saatgut an: Soja ist nicht Soja. Der optimale Eiweißgehalt für die Tofu-Herstellung liegt bei 44 bis 45 Prozent. Es gibt Hunderte von Sojabohnen-Sorten, die geeigneten Sorten für den Anbau in Deutschland mussten erst gefunden werden. Natürlich in gentechnikfreier Version. „Es fand sich eine Handvoll beherzter Landwirte, die bereit waren, die exotische Hülsenfrucht auf ihren Äckern zu testen. Sie und wir mussten einiges an Lehrgeld bezahlen“, schildert Heck die ersten fünf Jahre. Die Pionierphase war geprägt von zum Teil ernüchternden Erfahrungen, doch gelang es den Freiburgern, die Betriebe immer wieder zu motivieren und schließlich zu überzeugen, dass Soja in Deutschland machbar, eine interessante Kultur sowie eine Bereicherung für die Fruchtfolge ist und sich sogar lohnt. Regelmäßiger Erfahrungsaustausch, die Weiterentwicklung der Produktionstechnik und der anschließenden Aufbereitung waren ein stetiger Lernprozess. Doch die Bauern fingen Feuer, wurden immer professioneller und die Ernten besser. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda wuchs der Kreis der Betriebe, darunter auch sechs Demeter-Höfe. Eine weitere Investition in die Zukunft des heimischen Anbaus war die Einstellung des Agraringenieurs Martin Miersch, eines Soja-Spezialisten, der zuvor beim Institut für Umweltgerechte Landbewirtschaftung (IfUL Müllheim) Feldversuche betreut hatte.

Gentechnikfreiheit erfordert aufwändige Kontrollen

„Die ersten fünf Jahre waren nicht nur auf den Höfen Lernphase“, schildert Stefan Hauck die Situation bis 2002. Er ist bei Taifun zuständig für Produktentwicklung und Qualitätsmanagement. „Wir haben auch im Betrieb Standards entwickelt, unsere Anforderungen an Rohstoff, Verarbeitung und Qualitätssicherung definiert und festgeschrieben“, sagt er. Ein aufwändiges Kontrollsystem sichert die Gentechnikfreiheit der Sojabohnen, des Hauptrohstoffes für die 40 unterschiedlichen Soja-Spezialitäten, die jährlich hunderttausendfach die Produktionsstraße von Taifun verlassen. Nach jeder Stufe der Kette, von Saatgut über Anbau und Ernte, Reinigung und Aufbereitung bis zur Produktion, steht eine Kontrolleinheit. Heute ist das Kontrollsystem ein Vorzeige-Modell: Ämter und Institutionen kommen zu Besuch und lassen sich in der Firma schulen. Einen erheblichen Teil der externen Laborkosten, die sich auf rund 40.000 Euro im Jahr belaufen, nehmen die Untersuchungen auf Gentechnikfreiheit ein. Hinzu kommt noch der innerbetriebliche Aufwand, sowie Kosten für die aufwändigere Erfassung und Lagerung. Eine teure Angelegenheit und noch dazu unfair, wenn man bedenkt, dass die Verursacher der Zusatzkosten, die Saatgutkonzerne, die gentechnisch verändertes Soja entwickeln und auf den Markt bringen, bislang nicht zur Kasse gebeten werden.

Eine von 1.000 Bohnen

„Die Garantie für hundertprozentige Gentechnikfreiheit wird immer schwieriger werden“, prophezeit Heck. „Deshalb sind akribische Kontrollen unerlässlich“, ergänzt Hauck. „Aber, wir suchen die Stecknadel im Heuhaufen“, erklärt er an einem Beispiel. Sollte sich unter einer Million Sojabohnen, die etwa 200 Kilogramm wiegen, eine gv-Bohne befinden, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, etwas zu finden, selbst bei großzügiger Probennahme von zwei Kilo sehr gering. Würde sich die Bohne in der gezogenen Probe befinden, läge der GVO-Anteil bei 0,01 Prozent und damit an der Nachweisgrenze. Obwohl die Freiburger Wert auf modernste Analysetechnik in externen Labors legen und die Saatgut-Produktion in die Hände erfahrener Bio-Betriebe legen, dürfte in Zukunft das Risiko von Verunreinigungen im nicht quantifizierbaren Bereich zunehmen. „Wir müssen Spielregeln entwerfen und uns jetzt überlegen, wie wir damit umgehen, wenn eine 100 Prozent-Garantie nicht mehr haltbar ist“, sagt Heck. Es sei ein schwieriges Thema, weil die Bedrohung trotz aller Diskussionen noch immer zu wenig anschaulich sei. „Es wird ausgesprochen schwer sein, Resonanz zu erzeugen und den Verbraucher in die Kommunikation einzubinden. Doch haben wir uns vorgenommen, offen und offensiv mit dem Thema umzugehen und die Zusammenhänge klar zu machen. Nach jetzigem Standard fängt Verunreinigung an, wenn eine von 1.000 Bohnen gentechnisch verändert ist.“ Einträge gentechnisch veränderter Soja sind bisher, zum Glück, nur einmal vorgekommen und vor der Verarbeitung im Kontrollnetz hängen geblieben. Stefan Hauck nennt die möglichen Quellen, die zu Verunreinigungen führen können: „Mähdrescher, Silos, Container, Transportmittel. Bei der Kontamination handelt es sich wenn, nur um Spuren, die an technischen Schnittstellen entstehen können.“ Hier sei zwar ebenfalls viel mit Audits, Kontrolle und Rückverfolgbarkeit zu machen, doch 100 Prozent auszuschließen sei eine Verunreinigung nicht. „Tritt der Fall ein, wird der ganze Biohandel in Frage gestellt werden“, sagt Heck vorher. Deshalb lohne sich jede Anstrengung, um das zu vermeiden.

Wachsende Nachfrage

In Europa beschränkt sich der Anbau von gentechnisch veränderter Soja derzeit auf den illegalen Anbau unbekannter Größe in Rumänien, weshalb die Gefahr der Vermischung derzeit gering ist. Doch was ist mit den 60 Prozent Soja, entspricht aktuell rund 900 Tonnen, die Taifun aus Brasilien importiert? Das Land hat vor zwei Jahren den Anbau von Gentech-Soja legalisiert, mit der Konsequenz, dass die Fläche mit gv-Pflanzen auf über neun Millionen Hektar angewachsen ist, hauptsächlich im Norden. „Paraná ist über 2.000 Kilometer davon entfernt und gentechnikfrei. Der Regierung des Bundesstaates, der etwa so groß ist wie Westdeutschland, ist daran gelegen, das Land gentechnikfrei zu halten.“ Die Landwirtschaft in Paraná ist kleinstrukturiert und die landwirtschaftliche Nutzfläche wird zu zehn Prozent ökologisch bewirtschaftet. In der Region Capanema, der Wiege der Bio-Tradition in Paraná, startete 2001 die Initiative zum Anbau von Soja für Taifun. Zur ersten Versammlung kamen 250 Bauern. Derzeit wird auf 32 Demeter-Betrieben auf 450 Hektar Soja kultiviert. Die Schweizer Fairtrade-Gesellschaft Gebana betreut das Projekt. „Wir schaffen durch den Anbau in Paraná einen Risikoausgleich für den Regionalanbau und Produktionssicherheit“, erklärt Wolfgang Heck. Know-how im Soja-Anbau sei reichlich vorhanden, das passende Klima ebenfalls. In Deutschland, schätzt er, sind die Kapazitäten für den Anbau hochwertiger Tofu-Sojabohnen bei etwa 1.000 Hektar erschöpft. Brasilien bietet erheblich mehr Möglichkeiten. Taifun hat dort dasselbe strenge Kontrollsystem installiert, das sich in Deutschland und im Elsass bewährt hat: Saatgut – Anbau – Mühle. Danach werden die Sojabohnen in verplombten Containern verschifft. Über den Atlantik bis Rotterdam, weiter mit dem Schiff bis Kehl am Rhein. Das letzte Stück reisen die brasilianischen Bohnen in Bigpacks per LKW bis in ein Quarantänelager, von wo aus sie nach Laboranalyse und Freigabe ins Taifunwerk zur Weiterverarbeitung kommen. „Obwohl die Reise mehr als 10.000 Kilometer lang ist“, sagt Hauck, „die Öko-Bilanz ist in Ordnung.“ Taifun hat seit 1997 ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem und achtet in diesem Rahmen peinlich auf derlei Dinge. Was Brasilien angeht, spielt auch die soziale Komponente noch eine besondere Rolle. „Soja von dort zu beziehen, bedeutet für uns nicht nur, einen Rohstoff einkaufen. Wir unterstützen damit Land und Leute“, betont Firmengründer Heck. Abnahmegarantieen, Betreuung und Beratung, neben Gebana auch durch Freiburger Mitarbeiter, gewährleisten den hohen Standard. Freilich ist auch Paraná keine Insel der Glückseligen, die argentinische Grenze ist beispielsweise nicht weit. Die Möglichkeiten der Kontamination sind - bei aller Vorsicht und Vorsorge - gegeben. Tritt der Worst Case ein, muss der Landwirt dafür die Verantwortung übernehmen, das heißt, seine Ernte wird nicht abgenommen, denn das Saatgut ist geprüft und GVO-frei. Die Vermischung während des Anbaus hält Hauck für relativ unwahrscheinlich, Soja ist Selbstbestäuber. Dennoch lehren die jüngsten Vorfälle, dass in Bezug auf Gentechnik kaum etwas unmöglich ist. Beispiel: Das Auftauchen von gentechnisch verändertem Reis, der nicht zugelassen ist und bereits vor Jahren aus dem Versuchsanbau genommen wurde.

Kunden verlangen gentechnikfreie Ware

Die Tofu-Spezialitäten von Taifun bestehen zu 50 bis 90 Prozent aus Sojabohnen, bereits eine geringe Kontamination des Rohstoffes würde sich verheerend auswirken. Deshalb hat die Firma ihre strengen Standards und gibt sich nicht mit so genannten Schnelltests zufrieden. „Unsere Qualität ist unser Aushängeschild“, unterstreicht Heck. „Die Kunden, die unsere Produkte kaufen, verlangen gentechnikfreie Ware und wollen Sicherheit.“ In Deutschland und in den elf europäischen Nachbarländern setzt Taifun seine Produkte über den Bio-Fachhandel ab. In 20 Jahren ist Life Food vom Kleinstbetrieb zum Unternehmen mit über 100 Arbeitsplätzen angewachsen und weitere Expansion ist mit einer Verdoppelung der Betriebsfläche bereits in der Umsetzungsphase.

Symbolische Ernteübergabe

Das Netzwerk, das die Firma Taifun aufgebaut hat und das den wichtigsten Rohstoff des Unternehmens sichert, stellt sich jedes Jahr im Herbst in einem passenden Bild dar. Im November findet eine symbolische Ernteübergabe statt. Ort des Geschehens ist das kleine Labyrinth auf dem Firmengelände. Ein Landwirt betritt stellvertretend für alle Sojaanbauer durch das japanische Tor den Granitsteinweg und übergibt in der Mitte einen Sack Sojabohnen an einen Mitarbeiter aus der Produktion. Anwesend sind Bauern, Taifun-Mitarbeiter und Angehörige. Ein Dank für die Ernte. Aber gleichzeitig kann man die Zeremonie auch als Bitte für eine gute Zukunft sehen.

Der Artikel erschien in etwas abgewandelter Form in der Lebendigen Erde (Januar/Februar 2007). Wir danken der Autorin und dem Verlag für die Genehmigung des Abdrucks. Die Lebendige Erde im Internet unter: www.LebendigeErde.de.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
183
vom August 2007
Seite 29 - 31

Karin Heinze ist Fachjournalistin mit den Themenschwerpunkten Bio-Branche und Öko-Landbau. Sie schreibt unter anderem für das Online-Magazin Bio-Markt.Info und gibt die Vereinsnachrichten für den Verein Kultursaat e.V. heraus, der sich der biologisch-dynamischen Gemüsezüchtung widmet. Kontakt: kaHeinze@t-online.de

zur Artikelübersicht

Betriebsspiegel Taifun

Das Unternehmen Taifun wurde 1985 als Tofuküche im Keller von Wolfgang Heck und Günter Klein mit einer wöchentlichen Produktion von vier Kilogramm gegründet. Heute stellen mehr als 100 MitarbeiterInnen im gleichen Zeitraum etwa 30 Tonnen Tofu her. 1.600 Tonnen Bio-Soja aus Deutschland und Brasilien wurden zum Beispiel im Jahr 2005 verarbeitet. Im Netzt unter: www.taifun-tofu.de

(Karin Heinze/pau)

Nur durch Spenden ermöglicht!

Einige Artikel unserer Zeitschrift sowie unsere Online-Artikel sind sofort für alle kostenlos lesbar. Die intensive Recherche, das Schreiben eigener Artikel und das Redigieren der Artikel externer Autor*innen nehmen viel Zeit in Anspruch. Bitte tragen Sie durch Ihre Spende dazu bei, dass wir unsere vielen digitalen Leser*innen auch in Zukunft aktuell und kritisch über wichtige Entwicklungen im Bereich Biotechnologie informieren können.

Ja, ich spende!  Nein, diesmal nicht