EU-Kommission untersagt unkontrollierte Freisetzung von Gentechnik-Raps der Firma CIBUS
(Berlin, Hamm und München, 26. Juni 2015) Die EU-Kommission stellt in einem aktuellen Schreiben an die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten klar, dass ein umstrittener Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zum Gentechnik-Raps der US-Firma Cibus nicht umgesetzt werden darf. Noch im Februar hatte das BVL der Firma Cibus versichert, dass ihr Raps nicht dem Gentechnikgesetz unterliege und daher ab sofort ohne Genehmigungsverfahren und ohne Kennzeichnung freigesetzt werden dürfe. Der Raps wurde mithilfe sogenannter Oligonukleotide, kurzer synthetischer DNA-Sequenzen, genetisch verändert.
Brief aus Brüssel weist BVL in die Schranken
Die EU-Kommission schreibt jetzt, dass die Freisetzung von Pflanzen, die mithilfe von Oligonukleotiden hergestellt wurden, bis auf Weiteres möglichst zu unterlassen sei. Sie verweist darauf, dass es illegal sei, gentechnisch veränderte Pflanzen ohne Genehmigung freizusetzen.
Das Schreiben der Kommission stützt die Position der Kritiker, die eine sofortige Rücknahme des BVL-Bescheids gefordert hatten. Die EU-Kommission will bis Ende des Jahres über den rechtlichen Status der Pflanzen entscheiden und fordert die Mitgliedsländer auf, bis dahin keine unkontrollierten Freisetzungen zu erlauben.
„Es zeigt sich, dass das BVL hier Partei ergriffen hat, um zugunsten der Industrie Fakten zu schaffen“, sagt Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Landwirtschaftsminister Schmidt, der die Dienstaufsicht hat, muss dafür sorgen, dass der BVL-Bescheid aufgehoben wird. Die illegale Saat darf nicht auf den Acker kommen. Sonst kann sich der herbizidresistente Raps unkontrolliert verbreiten, ist nicht mehr rückholbar und bedroht die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft.“
Das BVL hatte argumentiert, dass der Cibus-Raps mit der Mutationszüchtung gleichzusetzen sei, die nach den EU-Gesetzen nicht als regulierungspflichtige Gentechnik anzusehen ist. Verfahren der Mutationszüchtung werden seit vielen Jahren eingesetzt und gelten nicht als Gentechnik. Zum Teil werden die Verfahren kritisiert, weil dabei Chemikalien und unter Umständen auch radioaktive Strahlung zum Einsatz kommen. Sie unterliegen aber bislang keiner Regulierung. Der Einsatz der Oligonukleotide hingegen gehört in den Bereich des „Genome Editing“ oder der „synthetischen Gentechnik“ und ist als Gentechnik im Sinne der EU-Gesetzgebung anzusehen: Hierbei wird außerhalb der Zellen hergestelltes synthetisches Erbgut verwendet, das nach der Einführung in die pflanzlichen Zellen zu einer Veränderung des Erbguts an einer ganz bestimmten Stelle führen soll. Die beabsichtigte Veränderung ist punktuell, wird das Verfahren mehrfach angewendet, können allerdings auch längere Abschnitte des Erbguts verändert werden. Die genauen Mechanismen sind bislang nicht bekannt, es kann zu ungewollten Effekten in den Pflanzen kommen. Eine neue Studie aus Norwegen zeigt, dass hinsichtlich der Risiken erheblicher Forschungsbedarf besteht.
„Die EU-Kommission darf neue technische Verfahren zur Manipulation des Erbguts wie das ‚Genome Editing‘ nicht pauschal von der Gentechnik-Gesetzgebung ausnehmen“, sagt Christoph Then von Testbiotech. „Der Cibus-Raps droht sonst für eine ganze Reihe von Produkten zu einem Türöffner zu werden, die mithilfe neuer Gentechnik-Verfahren hergestellt werden und ohne Zulassungsprüfung, Kennzeichnung und Standortregister auf den Markt kommen sollen.“
Kontakte:
Annemarie Volling, Tel.: 0160 967 60 146, gentechnikfreie-regionen@abl-ev.de,
Christoph Then, Tel.: 0151 54 63 80 40, info@testbiotech.org
Im Büro des GeN:
Christof Potthof, Tel.: 0163 2606 359, christof.potthof@gen-ethisches-netzwerk.de
Weitere Informationen:
Der aktuelle Brief der EU-Kommission ist auf Nachfrage erhältlich.
Zur Position des BVL:
www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/04_Fachmeldungen…
Aufruf gegen den Entscheid des BVL:
www.gen-ethisches-netzwerk.de/2015/cibus-raps
Die neue Studie aus Norwegen: