Für mehr Sichtbarkeit und eine bessere Gesundheitsversorgung!

Eine Umfrage vom Netzwerk Queere Schwangerschaften

Das Netzwerk Queere Schwangerschaften hat eine Befragung gestartet, um herauszufinden: Welche Erfahrungen machen Menschen, die schwanger sind oder schwanger werden wollen, mit der Gesundheitsversorgung in Deutschland? Zur Befragung geht es hier. Im Interview gibt das Netzwerk Auskunft über seine Arbeit, die Befragungsinhalte und -ziele.

Aufruf zur Teilnahme an der Befragung.

Das Netzwerk Queere Schwangerschaften ruft zur Teilnahme an der Befragung zur Gesundheitsversorgung auf.

Ihr seid das Netzwerk Queere Schwangerschaften. Wann und warum habt ihr euch gegründet?

Das Netzwerk Queere Schwangerschaften hat sich im Jahr 2020 durch einen Zusammenschluss von queeren Initiativen und Einzelpersonen gegründet. Der Hintergrund ist: Schwangerschaften sind oftmals mit normativen Vorstellungen rund um Geschlecht und Familie überladen, was sich insbesondere auf die Erfahrungen von queeren Menschen, die schwanger sind, waren oder werden wollen, auswirkt. So sind in vielen Bereichen queere Perspektiven auf und Erfahrungen mit Schwangerschaften wenig bis kaum sichtbar. Dies zeigt sich im Alltag und in der Sprache, im Gesundheitsbereich, wie auch in queeren Communitys selbst und birgt oft Herausforderungen für queere Menschen. Wir haben das Netzwerk gegründet, um eine Plattform zu schaffen, mit der wir durch unterschiedliche Projekte die Erfahrungswelten von queeren Schwangeren sichtbarer machen wollen.

Ganz aktuell habt ihr die Umfrage zur Gesundheitsversorgung queerer schwangerer Menschen in Deutschland gestartet. Warum?

Insbesondere das Gesundheitssystem existiert nicht losgelöst von gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und gerade auch in diesem Bereich machen Menschen Diskriminierungserfahrungen. Teilweise vermeiden queere Personen medizinische Behandlungen aus Angst vor Diskriminierung, teilweise werden sie mit unangenehmen Kommentaren konfrontiert oder sie werden unter Druck gesetzt, sich bestimmten Behandlungen zu unterziehen. Dennoch gibt es erst wenige Studien, die auf diese Situation aufmerksam machen. Bei Studien, die das Thema Schwangerschaft und Gesundheitsversorgung in den Blick nehmen, bleiben oftmals die Erfahrungen von queeren Menschen außen vor.

Wer kann an der Umfrage teilnehmen?

An der Umfrage können Menschen jeder Geschlechtsidentität, sexuellen Orientierung und körperlichen Verfasstheit teilnehmen, die gerade schwanger sind oder im Zeitraum von 2016 bis heute schwanger waren oder versucht haben, schwanger zu werden. Der Fragebogen richtet sich an alle Menschen, die Erfahrungen mit Schwangerschaft gemacht haben. Das können z. B. eine Geburt, aber auch ein unerfüllter Schwangerschaftswunsch oder ein Schwangerschaftsabbruch sein. Da darüber hinaus grundsätzlich beim Thema Gesundheitsversorgung Menschen sehr unterschiedliche Erfahrungen machen, freuen wir uns über die Teilnahme von Menschen, die mehrfache Diskriminierung erleben.

Was wollt ihr herausfinden? Wonach fragt ihr in der Umfrage?

Wir möchten mit der Studie herausfinden, welche unterschiedlichen Erfahrungen Menschen mit der Gesundheitsversorgung in Bezug auf Schwangerschaft machen und möchten insbesondere mehr über Diskriminierung in diesem Bereich erfahren. Mit der Studie geht es uns darum, mehr darüber zu erfahren, wodurch Diskriminierung im Gesundheitsbereich zustande kommt und was sich im Gesundheitsbereich verändern muss, um den Bedürfnissen von queeren und mehrfach diskriminierten Menschen gerecht zu werden. Beispielsweise fragen wir in der Umfrage, wie ihre Erfahrungen in Bezug auf die Kontaktaufnahme mit Ärzt*innen und Hebammen waren, welche Erfahrungen sie bei der Geburt in der Klinik, im Geburtshaus oder zu Hause gemacht haben, aber auch wie ihnen Fachkräfte in Bezug auf Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüche begegnet sind, um ein paar Themen zu nennen.

Wann wird es voraussichtlich die Ergebnisse geben?

Es wird Ende 2021 erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen im Rahmen eines Policy Papers geben, das wir in Zusammenarbeit mit dem Gunda-Werner-Institut veröffentlichen werden.

Welche Netzwerkaktivitäten gibt es noch neben der Studie?

Mit dem Netzwerk wollen wir eine Plattform gestalten, um sich zu Themen rund um queere Schwangerschaften zu vernetzen und Projekte zu planen. Neben der Durchführung der Studie und der Verbreitung der Studienergebnisse planen wir zum Beispiel eine Webseite, die Erfahrungsberichte, Vernetzungsmöglichkeiten und Informationen rund um das Thema queere Schwangerschaften bietet.

Wie setzt sich euer Netzwerk zusammen? Welche Gruppen und Personen sind beteiligt? Was sind die Hintergründe?

In unserem Netzwerk sind ganz unterschiedliche Einzelpersonen und queere Initiativen vernetzt. Manche von uns sind wissenschaftlich tätig, andere aktivistisch oder sind im Bereich der Peer-Beratung aktiv. Uns ist es wichtig, dass das Netzwerk unterschiedliche Perspektiven zusammenbringt, um Community-basiert Projekte zu starten. Wir freuen uns darüber hinaus über Personen und Initiativen, die unser Interesse teilen und sich mit uns vernetzen möchten.

Welche Ziele verfolgt ihr mit eurer Arbeit? Wie wollt ihr diese erreichen? Was sind eure Forderungen?

Mit unseren Projekten verfolgen wir folgende Ziele:
a) queere Personen, die schwanger sind, waren oder werden (wollen), zu bestärken
b) Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten für queere Personen, die schwanger sind, waren oder werden (wollen) bereitzustellen
c) queere Erfahrungen, Erzählungen, Bilder und Rollen in Bezug auf Schwangerschaft sichtbar zu machen und
d) die Lebenssituation, insbesondere die Gesundheitsversorgung, von queeren Personen mit Schwangerschaftserfahrung zu verbessern.

Wir wünschen uns, dass die Bedürfnisse von schwangeren Personen im Mittelpunkt von Gesundheitsversorgung und öffentlichen Diskursen stehen und nicht Normvorstellungen darüber, wie Schwangerschaft, Elternschaft und Familie aussehen sollten.

14. September 2021

Taleo Stüwe ist Mediziner*in und Mitarbeiter*in des GeN.

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