Gen-Milch-Pingpong

In der aktuellen Auseinandersetzung um die Kennzeichnung von tierischen Produkten können VerbraucherInnen derzeit eine Art Pingpong-Spiel zwischen Greenpeace und der Molkerei Alois Müller GmbH & Co verfolgen. Beteiligt sind aber notwendigerweise auch die VerbraucherInnen. Dies zeigt der Schriftwechsel im ePost-üblichen "kopieren-und-einsetzen-Stil" zwischen Dr. Wolfgang Wiebecke und Frau Liliana Georg-Toncic, Pressesprecherin von Müller.

Sehr geehrte Frau Liliana Georg-Toncic, sehr geehrte Damen und Herren, danke für Ihre E-Mail, die leider einige meiner entscheidendsten Argumente nicht berücksichtigt. So bin ich von Ihrer Antwort enttäuscht, möchte mich aber nicht entmutigen lassen, sondern nun meinerseits zu Ihren Argumenten Stellung beziehen: Sie schreiben:
"Verbrauchersicherheit und Produktqualität haben für uns höchste Priorität."
Für mich gehört zur Qualität eines Produktes auch seine ökologische Relevanz und seine soziale Verträglichkeit. Diese sind für mich bei Milch von Kühen, die mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden, aus vielen Gründen nicht gegeben. Sie schreiben weiters:
"Gentechnik verwenden wir nicht. Es gibt also auch keine "Gen-Milch" aus unserem Haus."
Ich persönlich habe Ihre Milch meines Wissens nicht als "Gen-Milch" bezeichnet, bin aber darüber hinaus froh, dass die Gentechnik-Industrie keine genmanipulierten Kühe auf den Markt gebracht hat! Sie schreiben, gentechnikfreie Fütterung sei auf Nischenmärkte begrenzt:
"Allerdings können heute Lebensmittelhersteller - von wenigen Nischenanbietern abgesehen - nicht mehr ausschließen, dass in der Tierfütterung auch gentechnisch veränderte ("GV"-) Bestandteile enthalten sind."
Das ist unrichtig, vielmehr wird 80% des deutschen Geflügels heute schon gentechnikfrei gefüttert. Das ist also bei weitem kein Nischenmarkt. Sie behaupten im Folgenden, dass es nicht genügend gentechnikfreies Futter geben würde. (...) Das widerspricht meinen Informationen, vielmehr sind laut brasilianischen Regierungsangaben in diesem Jahr "nur" 8,2% der Sojaernte gentechnisch verändert. Brasilien ist Hauptlieferant für Soja. Das weltweit größte Zertifizierungsunternehmen Cert-ID sagt, es könnten binnen kurzer Zeit große Mengen gentechnikfreier Futtermittel geliefert werden, mehr als Deutschland insgesamt verbraucht. Länder wie die Schweiz oder Schweden importieren gar keine Gen-Pflanzen. Es fehlt auch nicht am Vertrieb: Es gibt genügend Händler für Futtermittel, die gentechfreie Ware anbieten. Das Problem ist also in Deutschland umgekehrt die fehlende Nachfrage, und die könnte durch die Unternehmensstrategie auch von Müller-Milch spürbar erhöht werden. Weiters behaupten Sie
"Die mit dem Futter zugeführte Erbsubstanz wird beim Verdauungsvorgang abgebaut."
Dies ist eine ungenaue Aussage, vielmehr wurden in etlichen Untersuchungen, die Sie in dem von mir wiederholt empfohlenen "Plädoyer für eine gentechnikfreie, zukunftsfähige Welt" des Independent Science Panel nachlesen können, massive Beeinträchtigungen durch horizontalen Gentransfer nachgewiesen. Dass diese Untersuchungen von den Medien bislang weitgehend verschwiegen werden, wird sich hoffentlich demnächst ändern. Im weiteren schreiben Sie:
"Gen-Milch" gibt es nicht. Es handelt sich um eine Erfindung von Greenpeace. Der von dieser Organisation verbreitete Eindruck, dass Müller-Produkte sich im Hinblick auf Tierfutter von anderen Produkten unterschieden, ist falsch: Alle großen Milchverarbeiter beziehen ihre Milch von Betrieben, in denen auch GV-Futtermittel zum Einsatz kommen können. Der Grund, weshalb sich der Verein nur gegen uns wendet, ist allein die Publicity durch die Marke Müller."
Hierzu möchte ich Ihnen antworten: Ich bin kein Mitglied von Greenpeace und identifiziere mich nicht mit allen Aussagen von Greenpeace. In diesem Sinn ist es mir wichtig, klarzustellen, dass sich Greenpeace nicht nur gegen Ihren Betrieb wendet, sondern in seinem Einkaufsratgeber durchaus eine erhebliche Anzahl von weiteren Betrieben benennt, die Milch von Kühen verarbeiten und verkaufen, die mit GV-Futtermitteln gefüttert werden. Für mich ist dieser Einkaufsratgeber zu einem wichtigen Hilfsmittel beim Einkaufen geworden, obwohl er nicht alle Firmen aufzählt, deren Namen ich in Regalen finde. So weiß ich, dass es einige größere Milchverarbeiter gibt, die Milch aus Betrieben beziehen, die ohne GV-Futtermittel arbeiten. Die Forderung nach Milch aus gentechnikfreier Fütterung stellen wir Verbraucherinnen und Verbraucher an alle Hersteller tierischer Produkte. Müller ist eine der größten Molkereien Deutschlands und sollte sich mit hohen Qualitätsstandards profilieren. Ich hoffe nach wie vor sehr, dass auch Müller-Milch bald zu den Herstellern gehören wird, die zum Verschwinden der GV-Futterpflanzen aus der globalen Landwirtschaft beitragen werden. - Aus Verantwortung für die Zukunft, für unsere Artenvielfalt und für unser aller Gesundheit!!! Sie weisen hin auf das
"Urteil des Oberlandesgerichts, das es Greenpeace untersagt, unsere Produkte in Supermärkten zu kennzeichnen."
Dazu will ich hinzufügen: Zwar darf Greenpeace auf Müller-Produkte keine Etiketten mehr kleben, den Rechtsstreit mit Müller hat die Organisation dennoch gewonnen. 1.: Das Gericht sieht die Kampagne durch die Meinungsfreiheit als gerechtfertigt an. 2. darf Greenpeace Produkte von Müller-Milch weiter als Gen-Milch titulieren. Und 3. entschied das Gericht, dass es zulässig sei, Verbraucher aufzufordern, unökologische oder risikoreiche Produkte nicht zu kaufen. Sie wollen die
"Verbraucherverunsicherung durch Greenpeace" zum "Gegenstand eines weiteren Klageverfahrens"
machen. Diesen Schritt könnte ich im allgemeinen Interesse nur bedauern: Greenpeace informiert die Verbraucher unter anderem über Auswirkungen von Gentechnik. Greenpeace hat noch nie behauptet, dass, wer "Gen-Milch" trinkt, krank wird. Vielmehr sieht Greenpeace in der Gentechnologie in erster Linie eine Gefahr für die Umwelt. Ich sehe darüber hinaus aufgrund der mir vorliegenden Ergebnisse (s. oben) auch erhebliche gesundheitliche Gefahren. Zumindest die Gefährdung der Umwelt sehen mündige und informierte Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso. Diese Verbrauchermeinung sollte auch Müller-Milch zur Kenntnis nehmen. In diesem Sinn hoffe ich auch sehr, dass Sie Abstand nehmen werden von weiteren gerichtlichen Schritten gegen Greenpeace und stattdessen den Wissenschaftlern in Ihrem Haus den von mir genannten Bericht zur Prüfung vorlegen werden, um danach Ihre Unternehmensstrategie zu ändern. Ich würde mich sehr freuen, wenn es Ihnen möglich wäre, mir zu antworten, dass Sie nach gründlicher Prüfung der Gegebenheiten und der Befunde aus dem genannten Bericht - bestimmt gibt es inzwischen noch weitere unabhängige Untersuchungen - sich dazu entschlossen hätten, binnen überschaubarer Zeit Ihren Betrieb umzustellen auf den Verzicht auf Milch aus GV-Fütterung. In diesem Fall würde auch ich natürlich wieder gern Produkte aus Ihrem Haus kaufen, selbst wenn dies mit einer Korrektur in Ihrer Preisgestaltung in Richtung fairerer Preise zugunsten fairer, zukunftsfähiger Landwirtschaft verbunden wäre.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Wolfgang Wiebecke

Genannte Quellen:

- Independent Science Panel: Plädoyer für eine gentechnikfreie zukunftsfähige Welt, unter www.indsp.org/pdf/ISP_GM-De-30-S.pdf - Pressemitteilungen Müllermilch, unter www.muellermilch.de

Erschienen in
GID-Ausgabe
168
vom Februar 2005
Seite 29 - 30